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Zeitung << 1/2003 << Tolkien als Sprachwissenschaftler


Tolkien als Sprachwissenschaftler
Autorin: Renáta Récsi

Der Herr der Ringe, das Silmarillion, der Hobbit. Diese Begriffe müssen vielen bekannt sein. Dass J.R.R. Tolkien Professor für germanische Philologie war, wissen auch einige. Wo jedoch der Ursprung seiner Idee vom Herrn der Ringe zu finden ist, und was Tolkien außer Schreiben noch gemacht hat, das weiß nicht jeder. Vom 6-8. Februar 2003 organisierte die Ungarische Tolkien Gesellschaft (Magyar Tolkien Társaság) eine Konferenz in Szeged. Ein großer Teil der Themen war mir zu abstrakt. Aber etwas weckte doch meine Neugier in dem Maße, dass ich sogar zu forschen begann: Tolkiens erfundene Sprachen und der Weg, wie er dazu gelangte, neue Sprachen zu erfinden.

John Ronald Reuel Tolkien wurde am 3. Januar 1892 in Bloemfonteil (Südafrika), als Sohn englischer Kolonisten geboren. Nach dem Tod seines Vaters kehrte er im Alter von drei Jahren mit seiner Mutter und seinem Bruder Hilary nach England zurück. Zwar war er damals noch sehr jung, trotzdem behielt er zahlreiche Erinnerungen an den exotischen Erdteil, und diese ländliche Idylle beeinflusste auch sein literarisches Schaffen stark. Schon in seiner Kindheit entdeckte Tolkien die Liebe zu den Sprachen. Als Jugendlicher sprach er bereits Griechisch, Latein, Altenglisch sowie Finnisch, Französisch, Deutsch und Spanisch. In dieser Zeit erfand Tolkien seine ersten eigenen Sprachen, die dem Gotischen ähnlich waren. Bald begann er seine eigene Phonetik und Grammatik zu erschaffen und ging weit über die zugrunde liegende Sprache hinaus. 1911 erhielt er ein Stipendium in Oxford, wo er englische Sprache und Literatur studierte. Dabei entwickelte er seine erfundenen Sprachen weiter. Ausgelöst durch die schrecklichen Erlebnisse des ersten Weltkriegs machte sich Tolkien daran eine ganze Mythologie zu erschaffen, deren Ursprung in seiner Leidenschaft, in den Sprachen lag. Er wurde sich bewusst, dass die Sprachen eine Geschichte brauchen, ein Volk, das sie spricht. Daraus entstand eine Sammlung von Geschichten, dessen Grundlage England war. Tolkien wollte seinem Heimatland ein eigenes Epos geben. 1917 entstand ein Notizbuch mit dem Titel Das Buch der verschollenen Geschichten, aus dem schließlich das Silmarillion werden sollte. Er bediente sich der nordischen Sagenwelt und begann eine neue Privatsprache zu entwickeln, die sich am Finnischen orientierte, und die er später Quenya oder Hochelbisch nannte. 1920 arbeitete er als Lektor, dann vier Jahre später als Professor für englische Sprache an der Universität Leeds. Es folgte ein Angebot aus Oxford, wo Tolkien von 1925 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs Professor für englische Sprache und Literatur war. Schon zu dieser Zeit arbeitete er an weiteren Werken, zu denen die Ideen die von ihm selbst geschriebenen süßen Geschichten gaben, die er seinen vier Kindern erzählte. Nach dem Tod seiner Frau zog Tolkien nach Oxford und wohnte im Merton College. Tolkien wurde von Königin Elisabeth II. mit einem Orden ausgezeichnet und erhielt von der Universität Oxford den Ehrendoktor der Literaturwissenschaften. 1973 ist er gestorben.
Viele interessieren sich dafür, wie eine solche Sprache aufgebaut sein kann. Im Folgenden also einiges zur Quenya-Grammatik: Es kann viel erscheinen, jedoch gehören zehn Kasus zum Quenya-Substantiv. Das Quenya kennt fünf Tempora: das aoristische Tempus (es drückt Grundsätze, Allgemeinheiten aus), die Vorvergangenheit, die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Wir bilden den Imperativ, indem wir vor das Verb ein ‘á’ stellen (z.B.: á carë! - Mache!). Die meisten Adjektive enden im Quenya auf ‘-a’ (z.B.: laiqua - grün; nanya - schön; melda - hübsch). Die Pronomina hängt das Quenya an das Ende der Wörter (z.B.: lendenyë - ich ging; lendeccë - du gingst; lendë - er/sie ging; lendelmë - wir gingen).
Eigentlich mag es unglaublich erscheinen, dass ein einzelner Mensch - fast nur zu seiner eigenen Vergnügung - eine bis dato ganz unbekannte Sprache erfindet. Ich bewundere Tolkien deswegen und beginne mit neuen Gefühlen das Lesen seiner Werke. Es ist für mich am unglaublichsten, dass Tolkien nicht die Sprache zur Geschichte erschuf, sondern im Gegenteil: die Geschichte zur Sprache. Für die Sprache Quenya erfand er die Geschichte der Elfen. Er erschuf verschiedene Geschöpfe zu allen seinen Sprachen, so entstanden die Rassen wie Hobbits, Ents, Orks und die anderen, die eigene Geschichten haben. Wenn Tolkien nicht gefühlt hätte, dass er zu seinen erfundenen Sprachen eine eigene kleine Welt schaffen müsste, wären wir um mehrere Dutzend, herzerwärmende Geschichten ärmer.

Zu Tolkiens Herr der Ringe (Buch und Film) vgl. GeMa 1/2002.

Internet
www.tolkiengesellschaft.de
www.tolkien.hu/misc/quenya