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Zeitung << 1/2003 << Fasching – Die fünfte Jahreszeit


Fasching – Die fünfte Jahreszeit
Autorin: Viktória Molnár

Wenn jemand von uns das Wort Fasching hört, denkt er gleich an die Zeit, als er noch den Kindergarten oder die Grundschule besuchte. Damals war es noch üblich ein Kostüm zu tragen, und das machte uns allen viel Spaß. Aber die Zeit vergeht und damit vergessen wir die Schönheit der Kostüme und dieser Zeit, obwohl alles auch noch für Erwachsene lustig sein könnte.

In einigen Gebieten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz ist es ganz anders. Im Februar organisieren viele Städte Umzüge und Bälle für alle Altersklassen. Neben den berühmtesten Karnevals (z.B. in Köln) spielen die kleineren auch eine wichtige Rolle, weil sie kulturell sehr eng zum Alltagsleben in den jeweiligen Gebieten gehören.
Ich nahm dieses Jahr als Zuschauer an einem Faschingsumzug und an einem Faschingsball (als Dracula) am Bodensee teil. Es war ein einmaliges Erlebnis! In der Stadt herrschte für einige Stunden Wirrwarr. Der Nachtumzug hatte eine seltsame Stimmung. In der Dunkelheit sprangen mich verschiedene Tiere an. Hexen und Erdgeister versuchten mich ständig zu entführen, meine Haare strubbelig zu machen oder meine Mütze zu klauen. Der Lärm war riesengroß, überall ratschte man, und es spielten verschiedene Fanfarenzüge und Musikkapellen. Außer Hexen und Erdgeister tanzten noch Affen, Störche und andere Leute in verschiedenen Masken durch die Stadt und manchmal ergriffen sie auch Leute, die dann ein paar Meter in einem Haufen im Umzug „mitfahren“ mussten. Alles war sehr lustig und trotz der Kälte waren sehr viele Leute da. Na ja, die Kälte konnte man mit Glühwein schnell besiegen. Am nächsten Tag gingen wir mit meinen Freunden auch auf einen Ball, wo es mich überraschte, dass die meisten Kostüme trugen.

In Deutschland entwickelten sich Fastnachtsbrauchtum und Karnevalsbrauchtum im 11. Jahrhundert. Die Benennung ist sehr unterschiedlich: im Hochdeutschen lebt neben dem Karneval auch die Fastnacht und der Fasching, in den Dialekten findet man Sonderformen und Ableitungen davon, wie z.B. Fassenacht oder die alemannische Fasnet. Die fünfte Jahreszeit, wie man sie auch nennt, fängt jedes Jahr mit dem 11. November an, ausgenommen in Österreich, wo der Fasching erst nach dem Fest der Heiligen Drei Könige, also nach dem 6. Jänner beginnt. Das Wort Karneval stammt aus dem Lateinischen und setzt sich zusammen aus den Wörtern “caro” (Fleisch) und “elevare” (aufheben). Eine andere Etymologie: carne vale (Fleisch leb wohl). Der Name weist damit auf die bevorstehende Fastenzeit hin, in der in früherer Zeit der Verzicht auf Fleischnahrung neben sexueller Enthaltsamkeit im Vordergrund stand. Junge Paare legten daher ihre Hochzeitsnacht gerne in die Fastnacht und der Tag vor Aschermittwoch etablierte sich als ein beliebter Hochzeitstermin. Aus dem gleichen Grund fanden auch Tanzveranstaltungen unmittelbar vor der Fastenzeit statt. So wurden Musik und Tanz zu einem wesentlichen Element der Fastnachtstage. Sowohl die weltliche als auch die geistliche Obrigkeit behandelten den Fasching mit Toleranz, soweit bestimmte festgelegte Regeln eingehalten wurden. Ende des 15., Anfang des 16. Jahrhunderts trat jedoch eine Veränderung der theologischen Bewertung der Fastnacht ein. Grundlage hierfür war in erster Linie die Zwei-Staaten-Theorie des Kirchenlehrers Augustinus. Während die Fastenzeit, wo man keinen Fleisch essen darf, mit der “civitas dei” (Gottesstaat) gleichgesetzt wurde, interpretierte man die Fastnacht als “civitas diaboli” (Teufelsstaat). Dies hatte natürlich Auswirkungen auf das Erscheinungsbild der Fastnacht. Während die Art der Kostümierung und Maskierung bisher eher beliebig gewesen war, tendierte sie nun sehr stark hin zur Darstellung von Negativgestalten. Man trat mit Teufelsmasken und Fratzen auf. Dies entsprach dem kirchlichen Verständnis der Fastnacht als Demonstration einer verkehrten, unheilvollen und gottfernen Welt. Mit dieser Entwicklung entstand auch eine neue Fastnachtsfigur, der Narr. Die Figur des Narren wird heute gleichgesetzt mit der eines lustigen Menschen, eines Spaßmachers. Ursprünglich verband man mit dem Narren Dummheit, intellektuelle Beschränktheit, Geistesblindheit oder sogar Geisteskrankheit. Hinzu kommt, dass mit dem Begriff Narrheit auch stets der Aspekt der Bösartigkeit, des Gefährlichen, des Gottesleugnertums, ja sogar der Erbsünde einherging. Der Narr war somit im ursprünglichen Sinn der Inbegriff der verkehrten, heillosen Welt.
Die Zahl der Narren ist 11, die im Laufe der Fastnachtszeit in mehrfacher Hinsicht eine Rolle spielt: Am 11.11. um 11.11 Uhr starten alljährlich die Narren in die neue Karnevalssaison, besonders im deutschen Rheinland (berühmt sind Köln und Mainz). Den Vorsitz bei einer Fastnachtssitzung oder Karnevalssitzung hat der sogenannte Elferrat. Die Sitzungen und auch die Karnevalsumzüge beginnen offiziell in der Regel 11 Minuten nach einer vollen Stunde. So mancher Fastnachtsverein bzw. Karnevalsverein führt eine 11 in seinem Wappen. Die Elf gilt seitens der Religion als Zahl der Maßlosigkeit, der Sünde, als teuflische Zahl. Sie überschreitet nicht nur das, was anhand der zehn Finger menschlicher Hände, sondern auch in der Zahl der gottgegebenen “Zehn Gebote” fassbar ist. So hatte sie eine negative Bedeutung. Nach einer anderen Deutung ist der 11. November der Tag, an dem in früheren Zeiten die landwirtschaftlichen Betriebe ihre Arbeit bis zum Frühjahr einstellten. Knechte und Mägde bekamen an diesem Tag ihren Lohn ausgezahlt und feierten mit dem Geld ein ausgelassenes Fest..
Zu den verbreitetsten Fastnachtsbräuchen gehört das Verkleiden. Verkleidung ist ein Rollentausch. Wer ein Kostüm anzieht, gibt damit sichtbar zum Ausdruck, dass er für eine gewisse Zeit in eine andere Rolle schlüpfen möchte. Diese Tradition lebt heute noch immer, in einigen Gebieten stärker, in anderen weniger. Die Leute treten in verschiedene Vereine ein und wählen sie sich verschiedene Rollen (z.B. Hexen, Erdgeist, Storch, usw.) aus. Die Mitglieder verpflichten sich den unterschiedlichen Regeln der Vereine, sie können nicht gleich als Storch oder Hexe auftreten. Manchmal müssen sie sogar mehrere Jahre auf einen Auftritt warten, weil sie zuerst alles, was zu der Verkleidung gehört, zu erlernen haben.

Mit den Augen einer Ungarin, die Faschingsumzüge noch nie gesehen hatte, war es total cool. Wahrscheinlich ist es in Mohács ähnlich. Jedenfalls empfehle ich es allen, die etwas Seltsames, Neues, Ungewöhnliches und sehr, sehr Lustiges sehen möchten. Bloß Vorsicht auf den Straßen, weil man leicht in den ausgelassenen Haufen geraten kann!

Internet
www.brauchtum.karneval-info.de
www.fasnachtslieder.de