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Zeitung << 1/2003 << Regensburger Praktikanten in Szeged


Sprachübung im Blockseminar
Regensburger Praktikanten in Szeged

Autorin: Gyöngyi Héjja

24. März 2003. Ich warte auf die Regensburger Studenten Julia Renner, Sonja Karl und Robin Hötschl, die an diesem Tag ihre letzte Sprachübung für das erste Studienjahr halten. Das Verblüffende an der Sache ist, dass allem Anschein nach keiner sich für diese Stunde interessiert, da ich allein im Flur vor Petõfi IV stehe. Als die drei jungen Deutschen kommen, scheinen sie über dieses “Gedränge” gar nicht zu staunen.

Seid ihr nicht überrascht, dass keiner gekommen ist?
Eigentlich nicht. Wir sind bereits seit drei Wochen in Szeged, aber diese Stunde fiel leider immer aus, weil keiner daran teilnehmen wollte. Wir gewöhnten uns an die Gleichgültigkeit der ungarischen Studenten, aber ihre Gründe zu verstehen schafften wir nicht mehr. Die Situation ist nämlich ziemlich paradox: Es wurde uns erzählt, dass die Studenten immer klagen wenig Gelegenheit zu haben, sich in der deutschen Sprache zu üben, wenn aber ein Kurs - sogar nicht einmal von Dozenten, sondern von Leuten in ihrem Alter, die mit größerer Wahrscheinlichkeit Themen ansprechen, die ihnen nahe stehen - angeboten wird, nutzen sie die Möglichkeit doch nicht.

Ihr habt auch ein anderes Seminar gehalten. War dort die Anzahl der Teilnehmer höher?
Von einem riesengroßen Erfolg können wir auch im Falle dieser Sprachübung für höhere Jahrgänge nicht berichten, aber wir hatten jedoch eine eingefleischte Gruppe von drei Personen, die jede Woche treu erschienen.

Was für Themen habt ihr behandelt?
Wir planten vor allem Landeskunde und Wortschatzerweiterung, aber wir waren auch für Anregungen offen. Die Studenten konnten bestimmen, welche Bereiche sie ausführlicher besprechen und üben wollen. Es wurde z.B. gewünscht, dass wir uns mit deutschen Redewendungen beschäftigen. Im Mittelpunkt stand die Lexikarbeit, aber wir machten auch Grammatikübungen, wenn sie verlangt wurden.

Ihr habt nicht nur Seminare gehalten, sondern auch an etlichen Lehrveranstaltungen teilgenommen. Welche waren sie genau?
Wir probierten verschiedene Arten von Kursen aus: Wir besuchten die Goethe-Vorlesung (Árpád Bernáth), Sprachgeschichte (Péter Bassola), deutsche und österreichische Landeskunde (Mathilde Hennig, Markus Kóth), Literaturtheorie (Erzsébet Szabó), Grammatik (Tamás Kispál), Kaffeehausliteratur (Markus Kóth), Studentenzeitung (Tamás Kispál, Markus Kóth), eine Sprachübung (Jasmin Groß), das Hesse-Seminar (Géza Horváth), und natürlich auch Didaktik (Katalin Petneki). Wir hospitierten aber nicht nur an der Uni, sondern begleiteten auch StudentInnen im fünften Jahrgang zu ihren Lehrproben im Gymnasium. Einmal hielten wir dort sogar einen Vortrag, bei dem sehr viele Schüler erschienen, die ziemlich begeistert waren, endlich richtige Deutsche erleben zu können. Ehrlich gesagt waren sie viel aktiver und wissensdürstiger als die Mehrheit der Studenten.

Inwieweit wart ihr mit den Deutschkenntnissen der Studenten zufrieden?
Ein großer Teil der Studenten beherrscht die deutsche Sprache auf einem ganz hohen Niveau. Uns ist aber aufgefallen, dass es sich erhebliche Unterschiede unter ihnen zeigen: Einige sprechen fast wie Muttersprachler, andere aber mit ganz groben Fehlern.

Dieser Monat, den ihr an unserer Uni verbracht habt, gilt für euch als Praktikum. Ist es üblich in Deutschland, dass man es im Ausland macht?
Es gehört eigentlich nicht zu der klassischen Lehrerausbildung, sondern ist ein Teil der Zusatzausbildung Deutsch als Fremdsprache. Sie kann nicht ausschließlich von zukünftigen Lehrern, sondern auch von Magistern (Diplomstudium) belegt werden. Es ist nicht einmal eine Voraussetzung, dass man Germanistik studiert, man kann sie mit jedem beliebigen Sprachfach absolvieren. Diese Zusatzausbildung dauert zwei Semester lang und schließt sich mit einem Praktikum, das man entweder mit ausländischen Studenten in Regensburg, oder eben im Ausland machen kann.

Wieso habt ihr eben Ungarn gewählt?
Ehrlich gesagt wollten wir eigentlich nach Istanbul, aber dort waren leider keine Plätze mehr frei. Da wir unbedingt gemeinsam fahren wollten und in Szeged eben drei Plätze angeboten wurden, beschlossen wir, unser Praktikum in Ungarn zu machen. Wir bereuen aber unsere Entscheidung auf gar keinen Fall, da wir einen sehr angenehmen Monat hinter uns haben. Sowohl die Studenten als auch die Dozenten waren sehr nett zu uns, aber nicht nur ihre Freundlichkeit, sondern auch die der Leute im üblichen Leben beeindruckte uns tief. Wenn wir aber auch etwas Negatives sagen dürfen, muss erwähnt werden, dass wir außer des Instituts große Verständigungsprobleme hatten. Die Mehrheit der Ungarn spricht keine Fremdsprachen, nicht einmal Englisch. Wenigstens ein kleines bisschen sollte man es doch können! Aber alles zusammengerechnet war es eindeutig ein positives Erlebnis.

Neben eurer Tätigkeit an der Uni habt ihr bestimmt auch etwas Freizeit gehabt. Was alles habt ihr gemacht?
Unsere Freizeit in Szeged nutzten wir, um uns die Stadt anzusehen und wir probierten auch einige Kneipen aus. Wir waren auch beim Stammtisch der Lektoren und bei dem der Germanistikstudenten. Es waren aber leider nur ganz wenige Studenten da, obwohl es sehr nützlich für sie wäre, denn sie könnten sich in der deutschen Sprache üben. Wir wollten auch andere Landschaften in Ungarn kennen lernen, so verbrachten wir jeweils ein Wochenende in Pécs und Budapest.

Welche Meinung habt ihr euch über das Germanistikstudium in Szeged gebildet? Verläuft die Bildung ähnlich wie bei euch in Regensburg?
Eigentlich schon. Wir können ähnlich wie die ungarischen Studenten frei auswählen, mit welchem Fachgebiet wir uns intensiver beschäftigen wollen. Nur das Grundstudium ist festgelegt, das eine Linguistikvorlesung und jeweils zwei Pflichtkurse in der älteren und neueren deutschen Literatur beinhaltet. Auch im Aufbau der Seminare bestehen keine grundsätzlichen Unterschiede: Auch wir halten oft Referate und auch die Diskussion im Plenum ist üblich. Die Referate sehen jedoch bei uns völlig anders aus. Sie sind einerseits viel länger, sie dauern also nicht nur 5-10 Minuten, und andererseits dürfen sie nicht einfach z.B. vom Internet abgeschrieben und dann vorgelesen werden.

Überwiegen auch im Falle der Lehrerausbildung die Ähnlichkeiten?
Nein, gar nicht. Die Lehrerausbildung ist bei uns völlig anders aufgebaut. Die Teilnahme an den psychologischen und pädagogischen Seminaren und Vorlesungen ist z.B. nicht obligatorisch, und man soll auch keine Prüfungen ablegen, nur ein EWS-Examen (Erziehungswissenschaftliches Studium) ist erforderlich, das man ab dem 7. Semester machen kann. Wenn man es bestanden hat, soll man in zwei Semestern Didaktik belegen, für die charakteristisch ist, dass sie vielmehr praktischorientiert ist als die in Ungarn. Ein weiterer Unterschied ist, dass wir zwei Schulpraktika machen sollen: Das erste möglichst nach dem ersten Semester, um herausfinden zu können, ob man eigentlich Lehrer werden will, das zweite am Ende des Studiums. Die Lehrerausbildung endet jedoch nicht mit diesem zweiten Praktikum, man soll danach noch zwei Jahre lang als Lehramtsanwärter in einer Schule tätig sein. Dieser Zeitabschnitt ist sehr hart, da man für einen Bruchteil des späteren Gehalts arbeitet.

Es hört sich nicht besonders verlockend an. Wollt ihr trotzdem alle Lehrer werden?
Julia: Nein, nur ich habe es vor. Ich möchte Lehrerin in einem Gymnasium werden und Deutsch und Geschichte unterrichten. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass ich später für einige Jahre ins Ausland fahre, um aus dieser Zusatzausbildung zu profitieren.
Sonja: Ich studiere neben Germanistik auch Wirtschaftspädagogik. Später möchte ich eher in diesem Bereich beschäftigt sein. Ich würde gerne in der Personalabteilung einer großen Firma arbeiten und mich der Betreuung der Mitarbeiter widmen.
Robin: Ich würde eigentlich gerne unterrichten, aber an einer Universität. Ich möchte mich als Wissenschaftler mit der deutschen Literatur des 17.-20. Jahrhunderts beschäftigen.