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Zeitung << 1/2011 << Werner Herzog
Werner Herzog
Ein Regisseur, dem selbst Berge nicht im Weg stehen
Autorin: Erzsébet Lippai
Wieso würde man mitten durch den Dschungel von Peru einen 340 Tonnen schweren Dampfer schleppen wollen? Weil Werner Herzog einen Film dreht. Kein Spaß - er nimmt seine Aufgaben immer sehr ernst. Wenn ihm eine Idee kommt, bleibt er ihr treu und vermittelt sie mit ehrlicher Überzeugung, sodass auch wir an ihr teilhaben können.
Die Authentizität bildet durchweg die Grundlage des Schaffens von Werner Herzog: mit dem zündenden Einfall zu Beginn, oft genug wahren Ursprungs, bis zur Verwirklichung des Films am Ende. Letzteres hört man in Gesprächen mit seinen KollegInnen heraus, da er immer die unmöglichsten Orte als Drehschauplatz aussucht: die eisigen Gipfel des Himalaya, die nebelverhangenen, unzugänglichen Regenwälder oder die trockenen Dünen der Wüste. Egal wo, er bringt es zu Ende. Und nicht er allein, mit ihm die SchauspielerInnen, die Kameraleute, einfach alle.
Das eingangs formulierte Beispiel stammt von den Dreharbeiten zu Fitzcarraldo (1979), dessen Vorbereitungen allein drei Jahre in Anspruch nahmen (zwei Schiffe wurden zu diesem Zweck gebaut). Claudia Cardinale und Klaus Kinski, die die Hauptrollen übernahmen, ließen sich auf diesen Irrsinn ein, mit ihnen 5000 StatistInnen und ein sechzehnköpfiges Team. Heute wissen wir, dass es sich gelohnt hat, denn in Cannes wurde der Film mit der Goldenen Palme geehrt. Wir haben Glück gehabt, ihn im Seminar zur Kulturwissenschaft beim Dozenten Endre Hárs an der Uni Szeged gesehen zu haben. Der Film hat in der Runde heftige Diskussionen ausgelöst.
In der Geschichte, die Anfang des 20. Jahrhunderts spielt, geht es um einen reichen, irischen Opernliebhaber namens Fitzgerald, dessen Geschäfte ihn nach Südamerika führen. Sein Traum war es immer, ein Opernhaus in einer Stadt inmitten des Dschungels zu errichten. Deshalb setzt er Himmel und Hölle in Bewegung und lässt sogar ein Schiff allein von Menschenkraft über einen Berg ziehen.
Das Leben von Herzog
In dieser Irrationalität des Wunsches entdecken wir die Parallelen zwischen der Hauptfigur und dem Regisseur selber. Herzogs Leben selbst war ein einziges Abenteuer. 1942 in München geboren, wächst er in bescheidenen Verhältnissen in einem bayerischen Dorf auf. „Als ich vierzehn wurde, wusste ich, dass ich Filme machen werde“, sagte er einmal. Neben der Schule arbeitete er am Abend in der Metallverarbeitung, um später seine Filme finanzieren zu können. Während des Studiums der Germanistik und Geschichte gründete er seine eigene Filmproduktionsfirma, weil er wusste, dass er nur dann Filme drehen kann, wenn er sie auch produziert. Mit Hilfe eines Stipendiums gelangte er bis nach Pittsburgh, aber schon nach drei Tagen schmiss er das Studium und machte sich auf nach Mexiko, wo er als Rodeo aushalf und als Schmuggler arbeitete.
Mit dem ersten Filmpreis und der neuen Bekanntheit wurde er das Zugpferd des neuen deutschen Films neben Wim Wenders und Rainer Fassbinder. Der internationale Durchbruch gelang ihm 1972 mit seinem Werk „Aguirre, der Zorn Gottes“.
Der Erfolg von Herzog
Meiner Meinung nach verdankt er seinen Erfolg nicht allein den exotischen Schauplätzen, denn sie allein erzählen noch keine gute Geschichte. Die Kraft seiner Geschichten liegt in den interessanten Fragen, die diese aufwerfen; unter anderem über uns, über den Menschen als solches, die Natur des Menschen. So eine Aufgabe konnte er nicht alleine bewältigen und so führte das Schicksal das berühmteste Paar der Filmgeschichte zusammen: den besessenen Regisseur und den zu Lebzeiten schon legendären Schauspieler, Werner Herzog und Klaus Kinski. Mehrfach kündigte der exzentrische Schauspieler die Zusammenarbeit mit Herzog nach Beendigung der Dreharbeiten, trotz anschließender Kassenerfolge. Wem die weltberühmten Wutausbrüche Kinskis bekannt sind, der weiß, dass sie bald schon wieder zusammenarbeiteten. Diesbezüglich lohnt es sich auch, auf Youtube entsprechende Videos anzuschauen – Kinskis Wutausbrüche sind wirklich sehr unterhaltsam.
Nach dem Tod Kinskis widmete Herzog seinem Freund einen ganzen Film mit dem Titel „Mein liebster Feind – Klaus Kinski“. Nichtsdestotrotz erlangten die Früchte ihrer Streitereien Welterfolg, sodass viele Filme an diese anknüpften. John Malkovich drehte eine Komödie, die einen eindeutigen parodistischen Zug auf „Nosferatu“ mit Klaus Kinski hatte. In „Shadow of the Vampire“ stellt der Regisseur im Dienste der Glaubwürdigkeit einen echten Vampir zu den Dreharbeiten seines Vampirfilms ein. Um diesen bei Laune zu halten, rennt er dem Blutsauger unter anderem mit einem Glas Blut hinterher, um ihn milde zu stimmen – eine Anspielung auf das Arbeitsverhältnis zwischen Kinski und Herzog.
Aber auch andere Filme Herzogs verdienen Beachtung, so zum Beispiel „Kaspar Hauser“, „Cobra verde“ oder „Woyzeck“. Zum Letzteren: Um es mit den Worten des amerikanischen Filmkritikers Roger Ebert auszudrücken: „ganz großes klassisches Kino“.
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