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Zeitung << 1/2011 << Narratologie, Ästhetik, Literaturgeschichte


Narratologie, Ästhetik, Literaturgeschichte
Symposium zu Prof. Dr. Árpád Bernáths 70. Geburtstag

Autor: Lajos Mitnyán

Universitätsprofessor Dr. Árpád Bernáth hat am 15. Februar 2011 seinen 70. Geburtstag gefeiert. Als Ehrenerweis für ihn wurde vom Institut für Germanistik an der Universität Szeged am 13. Mai ein Hommage-Symposium mit der Teilnahme von international anerkannten WissenschaftlerInnen aus Deutschland, Österreich und Ungarn veranstaltet. Das Symposium fand im Gebäude der Ungarischen Akademie der Wissenschaften in Szeged statt.

Wie könnte ein Wissenschaftler würdiger gefeiert werden, als mit den neuesten wissenschaftlichen Ergebnissen seiner ehemaliger Schüler und Mitarbeiter, jetziger Kollegen und Freunde auf Forschungsgebieten, auf denen der Gefeierte selbst tätig war und ist? Als Auftakt des feierlichen Symposiums haben die Leiter der Universität, der Philosophischen Fakultät und des Instituts für Germanistik in ihren an den Jubilar gerichteten Grußreden ihre persönlichen Erinnerungen und gemeinsamen Erlebnisse heraufbeschworen.
Prof. Dr. Károly Csúri, Leiter des Lehrstuhls für Österreichische Literatur und Kultur, hat die wichtigsten Stationen der wissenschaftlichen Laufbahn von Professor Bernáth vorgestellt. Árpád Bernáth ist einer der bedeutendsten Literaturwissenschaftler Ungarns. Er hat mit seinen Kollegen ein literarisches Erklärungskonzept ausgearbeitet, mit dessen Hilfe literarische Texte mit einer konsequenten Wissenschaftlichkeit analysiert werden können und das Ergebnis dieser Analyse immer überprüfbar bleibt. Dieses Konzept wurde „Theorie der möglichen Welten“ genannt und ist in eine internationale literaturtheoretische Diskussion aufgenommen worden. Árpád Bernáth hat seine literaturtheoretischen Gedanken mit den Fragen der Literaturgeschichte eindrucksvoll verbunden, und das Funktionieren seiner Theorie in seinen Untersuchungen zu zahlreichen Werken der deutschen und ungarischen Literatur von den Sturm-und-Drang-Gedichten Goethes bis zu den Romanen Péter Nádas. Ein klares Zeichen seiner internationalen Anerkennung ist, dass er einer der Mitherausgeber der „Kölner Ausgabe” der Werke Heinrich Bölls ist.
Dr. Géza Horváth, Leiter des Instituts für Germanistik, hat einen anderen bedeutenden Wirkungsbereich von Professor Bernáth hervorgehoben: seine umfangreiche Organisationstätigkeit innerhalb der ungarischen Germanistik sowie des kulturellen Lebens. Die Gesellschaft ungarischer Germanisten ist auf seine Initiative hin gegründet worden, deren Vorsitzendenposition er mehrere Jahre innehatte. Er wurde auch in die Leitung der Internationalen Vereinigung für Germanistik gewählt. Zwischen 1994 und 1996 war er Dekan der Philosophischen Fakultät an der Universität Szeged. Auch nach seiner Emeritierung leitet Professor Bernáth die Doktorschule für deutsche Literaturwissenschaft.
Dr. Sándor Csernus, Dekan der Philosophischen Fakultät, und Prof. Dr. Gábor Sza­bó, Rektor der Universität Szeged, haben den Jubilar als einen ausgezeichneten Wissenschaftler und Kollegen gewürdigt. Die freundschaftlichen Grußworte der beiden haben einige Episoden aus der gemeinsamen Tätigkeit mit dem Professor heraufbeschworen und seine Verdienste an der Universität Szeged betont.
Die wissenschaftlichen Vorträge wurden um drei Themenkreise gruppiert: Literaturtheorie, Ästhetik und Literaturgeschichte. Die ersten drei Vorträge behandelten genuin theoretische Fragen. Prof. Dr. András Kertész aus Debrecen beschäftigte sich mit wissenschaftstheoretischen Fragen. Er hat die Frage gestellt, bei welchen Kriterien man von einer linguistischen Evidenz sprechen darf, und wann eine Argumentation plausibel ist. Prof. Dr. Magdolna Orosz aus Budapest und Prof. Dr. Michael Scheffel aus Wuppertal haben narratologische Fragen thematisiert. Frau Prof. Orosz hat an die Theorie der möglichen Welten anknüpfend die Möglichkeiten einer kognitiven Herangehensweise an literarische Texte unter die Lupe genommen, während Prof. Scheffel die Erzählbarkeit des urbanisierten Lebens anhand wichtiger Stadtromane untersucht hat.
In der zweiten Gruppe der Vorträge wurden von zwei Forschern ästhetische Probleme diskutiert. Die Fragestellung Prof. Dr. Wilhelm Voßkamps aus Köln zielte auf Friedrich Schillers Ästhetik. Prof. Voßkamp analysierte die Zusammenhänge in Schillers Oeuvre zwischen Freiheit und Einbildungskraft. Prof. Dr. Ernõ Kulcsár-Szabó hat in seinem Vortrag über die ungarische Lyrik der Spätmoderne aus der Perspektive der Originalität gesprochen.
Die Thematik der dritten Vortragsgruppe lässt sich unter den Begriff Literaturgeschichte einordnen. Prof. Dr. Dietmar Goltschnigg aus Graz präsentierte einen geistreichen Vortrag über Herrmann Broch, indem er Brochs scharfe Kritik an Hofmannstahl und an Altösterreich in der Form eines Psychogramms darlegte. Der letzte Vortragende des Symposiums war Prof. Dr. Bernd Balzer aus Berlin, der als anerkannter Böll-Forscher ein ernüchterndes Bild über den jetzigen Stand der Böll-Rezeption in Deutschland geschildert hat. Nach den wissenschaftlichen Vorträgen des Symposiums kam es zu einem Konzert am Abend, wo neben dem renommierten Gitarrenkünstler Dávid Pavlovits und dem Volksmusiker Zoltán Patyi auch zwei Germanistikstudentinnen – Judit Hevesi und Ágnes Kiss-Iván – mit einer Gesangsproduktion aufgetreten sind.
Am Ende dieses kurzen Berichtes stehe jetzt ein Zitat von Heidegger, über den wir uns mit Professor Bernáth häufig unterhalten haben: „Wir gelangen in das, was Denken heißt, wenn wir selber denken. Damit ein solcher Versuch glückt, müssen wir bereit sein, das Denken zu lernen.“ (Martin Heidegger: Was heißt Denken?)
In diesem Sinne möchte ich als ehemaliger Student Professor Bernáth viel Gesundheit, Kraft und Lust zum gemeinsamen Denken wünschen.