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Zeitung << 1/2011 << Eine rappende GeMa-Lektorin, die nicht im „Erasmusland“ leben möchte


Eine rappende GeMa-Lektorin, die nicht im „Erasmusland“ leben möchte
Interview mit Andrea Rebb

Autoren: Gábor Bobály, Zoltán Tóth

Es ist ein ganz besonderer Abend, denn es ist der Tag, an dem auch die erste Germanistikparty für die Szegeder Germanistikstudierenden seit langem stattfinden wird. Noch vor diesem Event aber haben wir das Vergnügen, ein Gespräch mit der einzigen uns bekannten Germanistikstudentin zu führen, deren Frisur sich mit der von Bob Marley messen könnte.

Wer ist eigentlich die Person, die vor uns sitzt?
Ich bin Andrea Rebb, 23 Jahre alt und in Deutschland geboren, in Bad Oeynhausen. Das ist eine kleine Kurstadt im Norden. Mein Bruder ist zum Beispiel noch in Zenta geboren. Meine Eltern sind Ungarn aus Vojvodina (eine autonome Provinz in der Republik Serbien) und sind auf Grund des Bürgerkrieges in Jugoslawien damals noch ausgewandert. Ich bin in Oeynhausen aufgewachsen, in einer verschlafenen, langweiligen Stadt. Ich war sehr froh, als ich endlich von da weg konnte und in eine große Millionen-Stadt, Köln, gegangen bin. Ich habe angefangen zu studieren, und zwar Deutsch und Philosophie auf Lehramt. Ich werde also höchstwahrscheinlich Lehrerin an Gymnasien oder Gesamtschulen.

Warum hast du dir gerade das Fach Philosophie ausgesucht?
Das ist eine gute Frage. Weil es Antworten gibt auf Fragen, die in einem drin sind, die Menschen, die Seele beschäftigen. Wenn du durch die Welt gehst und guckst, oder wenn du dir die Menschen und die Gesellschaft anschaust und das Sein an sich betrachtest, dann kommen automatisch Fragen auf. Wenn du darüber nachdenkst, dann entstehen wunderschöne Theorien.

Was sind eigentlich deine Hobbys?
Ich singe, rappe, spiele Gitarre, schreibe Texte und ich mag Trommeln und Bassgitarren. Die Musik habe ich dank des Klavierspielens, das ich zehn Jahre lang gemacht habe, verstanden. Ich habe auch eine Band in Szeged, der Name ist Soulstrip­tease. Die Texte, die ich verfasse, sind meistens auf Deutsch oder Englisch, aber es kommt auch vor, dass ich auf Ungarisch reime.

Du hattest das Glück sowohl Ungarn als auch Deutsche näher kennen zu lernen. Könnte man sagen, dass es einige Eigenschaften gibt, die auf eine der beiden Nationen zutreffen?
Jeder ungarische Mensch, genau wie jeder deutsche Mensch, ist anders. Und es gibt hier offene, es gibt in Deutschland offene. Es gibt hier verschlossene Menschen, es gibt in Deutschland verschlossene Menschen. Es gibt hier welche mit einem komischen oder ausgezeichneten Humor, genauso wie es auch welche gibt, die gar keinen Humor haben. Aber es gibt auch allgemeine Unterschiede. Was ich bemerke, ist, dass die festgesetzten Männer- und Frauenbilder noch ein bisschen starrer sind als in Deutschland. In Deutschland ist alles schon ein bisschen liberaler, was die Frauen dürfen, was die Männer dürfen. Männer dürfen ein bisschen femininer sein, Frauen dürfen ein bisschen maskuliner sein.

Wie hast du deine zweisprachige Situation als Kind erlebt?
Die Geschichte ist recht interessant. Es sieht so aus, dass meine Eltern ja aus Vojvodina kommen und sie haben mit uns, also mit mir und meinem Bruder, unsere ganze Kindheit über Ungarisch geredet. Irgendwann kam der Moment, wo dann mein Sozialisationsprozess eingesetzt hat und mein Kindergehirn irgendwie nicht verstanden hat, warum die ganze Welt mit mir Deutsch redet, aber sobald ich zu Hause bin, wird Ungarisch gesprochen. So habe ich mich komisch gefühlt und fremd. Ich habe auch gemerkt, dass ich anders spreche als ungarische Bekannte oder meine Eltern. Und ich habe irgendwann in der Grundschule angefangen die Sprache zu boykottieren. Ich habe nicht mehr auf Ungarisch geantwortet, nur noch auf Deutsch. So sind Gott sei Dank, darf ich mal sagen, meine Deutschkenntnisse ganz hervorragend geworden, aber meine Ungarischkenntnisse ein bisschen auf Eis gelegt worden. Als ich 12-13 Jahre alt war, habe ich plötzlich bemerkt, was für ein Geschenk das ist, einfach eine Sprache zu verstehen und eine Sprache zu können, wenn ich nur wollte.

Was viele nicht wissen, du bist ein aktives Mitglied der GeMa-Redaktion. Wie sieht deine Arbeit aus?
Ich bin eine der LektorInnen des GeMa. Wir lesen alle Texte durch, die die Autor­Innen geschrieben haben, und lektorieren diese.

Wie sahen deine Versuche aus, die ungarische Sprache zu üben?
Da ich mich geschämt habe vor anderen zu sprechen, habe ich immer nur dann Ungarisch geredet als Kind, wenn ich alleine war. Ich bin oft mit dem Fahrrad herumgefahren und habe da Ungarisch gesprochen. Dann habe ich alles kommentiert, was ich gesehen habe. Ich habe meine Gedanken mir selber erzählt. Ich habe mit 12-13 Jahren angefangen mit meinen Eltern zu reden. Ich bin jedes Jahr seit meiner Kindheit nach Vojvodina gefahren. Ich habe dort zwei Wochen mit meinen Großeltern und auch mit einem großen Freundeskreis verbracht. Ich habe so meine Sprachkenntnisse immer verbessert. Im letzten halben Jahr habe ich angefangen, ungarische Zeitungen zu lesen.

Du kamst mit Erasmus an die Uni in Szeged. Wie sind deine Eindrücke von dem Erasmusleben?
In Köln habe ich drei Jahre lang studiert. Und ich habe mich glücklicherweise um ein Erasmus-Stipendium beworben. Seit letztem Jahr August bin ich in Szeged und ich habe auch ein Semester verlängert und bleibe auch bis August. Noch bevor ich in Szeged ankam, habe ich mich entschieden, eine eigene Wohnung zu haben und nicht mit den anderen Erasmus-Leuten zusammen zu wohnen. Das hatte den einfachen Grund, dass die Erasmusgemeinschaft in Szeged nur Englisch miteinander spricht und eine geschlossene Gruppe bildet. Ich wollte Ungarn erleben und nicht Erasmusland.