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Zeitung << 1/2011 << Eine Frau, die fasziniert
Eine Frau, die fasziniert
Interview mit Dr. Ewa Drewnowska-Vargáné
Autorinnen: Nóra Koloh, Anna Angyalka Lukács
Frau Dr. Ewa Drewnowska-Vargáné ist seit 2009 Leiterin des Lehrstuhls für Germanistische Linguistik an der Universität Szeged. Die gebürtige Polin gibt und erwartet Respekt und strahlt eine natürliche Autorität aus, die man nicht unbeachtet lassen kann. Eine Art Unantastbarkeit. Schon allein deswegen war es für uns ein ganz besonderes Erlebnis ein etwas vertrauteres Gespräch mit ihr führen zu können.
Sie sind am Lehrstuhl besonders durch Ihre textlinguistischen Veranstaltungen bekannt. Was hat Sie damals an diesem Wissenschaftszweig so begeistert?
Schwer zu sagen, ich bin immer noch begeistert. Herr Professor Bassola war der Erste, der mir gesagt hat, dass es so etwas gibt. Ich habe die einschlägige Literatur zu lesen begonnen und war begeistert von einer Wissenschaft, die Texte beschreibt, um aus ihnen das meiste herauszuholen. Pressesprache kam nach meiner didaktischen Phase Ende der 90er. Vor allem der Kontakt mit dem aktuellen Geschehen, was auch immer es ist. Zweitens, die Art und Weise der kollektiven Mitarbeit an Texten. Da ich schon zu dem textlinguistischen Instrumentarium Zugang hatte, hat mir das vieles erleichtert. Zu Sprache und zur kulturkontrastiven Textsortenbeschreibung habe ich mir viel mehr vorgenommen, als ich eigentlich mache, das ist auch ein Zeichen meiner Begeisterung.
Wie würden Sie das GeMa als Fachfrau für Pressesprache bewerten?
Zuerst mal ist Fachfrau für Pressesprache zu viel gesagt, aber vielleicht Lehrkraft, die sich für Presse interessiert. Ich habe auch keine journalistische Ausbildung. Was ich weiß, ist aus linguistischer Sicht.
Ohne Übertreibung, ich bin sehr stolz auf dieses Magazin. Das GeMa ist vor allem visuell sehr aufmerksamkeitserregend. Meistens finde ich die unterschiedliche Themenwahl auch sehr beachtenswert. Sie kommen wirklich von den Studenten, sind keine aufgezwungenen Themen. Viele enthalten studentische Erlebnisse, Berichte über Lektüren, Filme und Reisen, das finde ich sehr gut.
Vielen Dank für das Lob. Und die kritische Seite?
Kritische Sachen sehe ich auch, aber diese sind nur Kleinigkeiten. Manche Sachfehler, ab und zu auch Sprachfehler, mache Ungenauigkeiten findet man schon, wie eigentlich in jeder Arbeit.
Eine Textsorte hat man nicht um der Textsorte willen. Aber was man sieht, ist, dass die Studenten sehr viel erzählen und wenig kommentieren. Darf man zurückfragen? Sehen Sie das auch so?
Ich fände Glossen schön. Es wäre aufregend zu zeigen, dass wir auch kritisch denken können.
Genau, bitte auch ein paar andere Textsorten! Eine Glosse zu schreiben wäre wunderbar, aber dazu müssten die Studenten viel mehr über kommentierende Textsorten wissen, dazu muss man ein sehr kompetenter studentischer Redakteur sein. Verdeckte Argumentation ist sehr schwierig. Zuerst mal das Kommentarschreiben üben.
Insgesamt ist es ein sehr gutes Magazin. Vor allem das Engagement ist das, was an diesem Magazin imponiert, aber ohne das riesige Engagement von Herrn Kispál würde das nicht reichen.
In Ihren Lehrveranstaltungen empfehlen Sie uns oft mehr auf Deutsch zu lesen. Warum meinen Sie, dass es für Studierende wichtig ist, deutsche Zeitungen in die Hand zu nehmen?
Es ist genauso wichtig wie Literatur zu lesen. In den Zeitungen, die ich empfehle, gibt es alles, von Politik bis zu den aktuellsten Kulturangeboten. Durch die Lektüre guter Zeitungstexte lernt man sprachlich sehr viel und entwickelt außerdem kritisches Denken. Nach dem Studium wird man schließlich zu einem Akademiker, und regelmäßige Zeitungslektüre ist eine wichtige Komponente auf diesem Entwicklungsweg. Im Internet ist zwar viel zugänglich, aber Kontakt mit den Printausgaben ist wichtig, weil man da das Ganze in der Hand hat. Man soll auch Ansprüche Zeitungen gegenüber entwickeln.
Welche ist Ihre Lieblingszeitung?
Ich bin sehr für Die Zeit als Wochenzeitung. Eine Lieblingstageszeitung habe ich nicht.
Sie sind jetzt seit anderthalb Jahren Leiterin des Lehrstuhls für Germanistische Linguistik. Seitdem hat sich hier einiges verändert. Die Büros wurden umgebaut und wir haben eine neue Erasmus Partnerschaft mit der polnischen Universität Rzeszów. Wie bewerten Sie Ihre Arbeit in Ihrem ersten Jahr als Lehrstuhlleiterin?
Es war ganz sicher ein sehr erfolgreiches Jahr. Ich hätte nie gedacht, dass es so schwer sein wird, den infrastrukturellen Umbau auszuführen. Das viele bürokratische Zeug, das ständige Packen selbst bis in die Nacht … Das wäre nicht möglich gewesen ohne das Engagement von Herrn Professor Bernáth, von meinen Kolleg(inn)en und der Hilfe von Henriett Belák. Ich freue mich sehr, dass ich nicht wusste, wie schwierig es sein wird, denn sonst hätte ich vielleicht gar nicht angefangen. Sie können es sich denken… (lacht) Aber ich hatte einen großen Willen.
Haben Sie noch weitere Umbaupläne?
Ich möchte noch einen Zeitschriftenleseraum, vor allem für linguistische Fachzeitschriften. Das ist meine Botschaft an alle Studenten! Linguistische Fachzeitschriften stehen schon im Schrank und können gerne benutzt werden! Ich träume von einem Raum, wo man Zeitungen und Zeitschriften gemütlich bei einer Tasse Kaffee lesen oder sich mit den Studierenden unterhalten (und natürlich auch kopieren) kann.
Das hört sich sehr verlockend an und würde der Atmosphäre bestimmt gut tun. Aber wie steht es mit wissenschaftlichen Plänen?
Sie kennen Eurogr@mm, an dem mehrere Dozenten arbeiten. Die Laufzeit des Programms scheint 2012 zu Ende zu sein. Ich habe weitere Projekte in Sicht, unter anderem möchte ich, dass wir an einem internationalen Projekt zur Pressesprache teilnehmen. Dieses Projekt soll in der nächsten Zukunft beantragt werden, dafür fahre ich bald nach Helsinki. Ich möchte Projekte, in die ich Studierende einbeziehen kann, damit unser wissenschaftlicher Nachwuchs gefördert wird. Wir haben auch eine größere linguistische Konferenz Ende 2012 in Sicht. Der Titel lautet Schnittstelle Text.
Wenn wir schon beim Nachwuchs sind: Welche Probleme sehen Sie am Lehrstuhl?
Allgemeine Probleme wie das Geldproblem. Die Frage der Drittmittelprojekte. Das muss man einfach wahrhaben.
Was halten Sie von der Aktivität der Studierenden?
Die Studierenden möchte ich viel mehr dabei haben. Das halte ich für sehr wichtig, damit sie auf den Geschmack der Sache kommen. Wenn sie Germanistik studieren wollen, sollen sie auch gerne lesen, auch als Zeitgestaltung. Man bräuchte mehr Engagement am Fach. Aber ich möchte nicht viel jammern. Die Frage ist, was wir tun können, um diese Sachen zu ändern. Vielleicht müsste man sich neue Dinge ausdenken, weil viele Formen schon veraltet sind. Vielleicht bräuchte man neue Kommunikationsformen mit der neuen Generation der Studenten.
Wie ist es als Frau Lehrstuhlleiterin zu sein? Sehen Sie Unterschiede zu Polen oder Deutschland?
Es ist grundsätzlich anders als ein Mann, ein Lehrstuhlleiter zu sein. In Ungarn ist das immer noch ungewohnt. Damals, als ich nach Ungarn kam, waren das Wahrnehmen von Frauen, Erwartungen oder gar Ansprüche, die man an sie stellt(e) für mich ein Kulturschock. Ich habe das Gefühl, dass ich einige Sachen leichter erreicht hätte, wenn ich ein Mann wäre. Diese Sachen kann man natürlich nicht messen oder nachweisen, sie sind nur meine subjektive Einschätzung. Ich bin mir dessen sicher, dass in zehn Jahren eine Frau in leitender Position auch in Ungarn kein Problem mehr ist.
Was ist Ihre Lieblingsliteratur?
Ich lese alles. Das ist schlimm, aber aufrichtig. Das stimmt doch nicht ganz. Ich lese selten Krimis. Ich habe Perioden, wo ich einen Schriftsteller „entdecke“, wie Bernhard Schlink oder Isabel Allende und viele polnische Schriftsteller und Schriftstellerinnen. Ich habe in der letzten Zeit keinen Schriftsteller auf der ungarischen Seite, den ich gerne lesen würde. Für sehr lange Zeit war György Moldova mein Lieblingsschriftsteller, ich habe wirklich mit seinen Novellen Ungarisch verstehen gelernt.
Und was machen Sie noch gerne in Ihrer Freizeit?
Radfahren und schwimmen. Ich bin eine wirkliche Wasserratte, (lacht) und ich habe Hunde sehr gerne, habe auch zwei Hunde. So viel kann ich preisgeben.
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