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Zeitung << 2/2010 << Wir haben einen Schlüssel aus Göttingen
Wir haben einen Schlüssel aus Göttingen
Die Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek (SUB)
Autorinnen: Zsanett Kovács, Anita Nyári
Wir hatten im Wintersemester 2009/10 das Glück, dass wir einige Monate an der Universität Göttingen im Rahmen des Erasmus-Stipendiums verbringen konnten. Im Rückblick war dies bisher das Beste in unseren Universitätsjahren. Und obwohl es seltsam klingt, war in der Gesamtheit die Bibliothek das Beste.
Die Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek (SUB) wurde 1734 gegründet – gleichzeitig mit der Universität. Schnell breitete sie sich aus, sie startete mit ca. 12.000 Bänden, im Jahr 1810 hatte sie schon ca. 153.500 Bände. 1949 bekam sie den Titel Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek wegen ihrer Leistungen im Leihverkehr mit überregionalen Funktionen in der Nachkriegszeit. Die SUB Göttingen wurde mit dem Titel „Bibliothek des Jahres 2002“ ausgezeichnet.
Warum ist das so besonders, dass wir einen vollen Artikel über eine Bibliothek schreiben? Um alles klar sehen zu können, sollten wir die SUB mit dem Attila József Wissenschafts- und Informationszentrum (TIK), d.h. der Universitätsbibliothek an der Universität Szeged, kurz vergleichen. Die SUB ist viel größer als das TIK, obwohl Göttingen selbst bezüglich der Fläche und der Bevölkerung kleiner als Szeged ist. Im TIK befinden sich knapp 2 Millionen Bände, während in der SUB fast 4,5 Millionen Exemplare stehen. Und wenn man die entsprechende Literatur doch nicht finden kann, stehen die Fachbibliotheken zur Verfügung, denn jedes Institut hat seine eigene Bibliothek. Die deutsche ist zum Beispiel dreistöckig, wobei mindestens 130.000 Bücher und 300 Zeitschriften zur Auswahl stehen. Aber dies sind nur trockene Fakten. Das Beste von allem: dort zu sein, ein Teil des dortigen Studentenlebens zu werden.
Das Herzerweichendste am ganzen Bibliotheks-Thema sind die Öffnungszeiten. Die SUB ist von Montag bis Freitag von sieben Uhr morgens bis ein Uhr nachts geöffnet, am Samstag und Sonntag von neun Uhr morgens bis zehn Uhr abends. Unmenschlich. Es kann nie zu spät sein, um herauszufinden, dass man für morgen noch etwas zu lesen braucht. Und dort, in Göttingen verschärft sich diese Besonderheit der Öffnungszeiten noch mehr, da selbst die Stadt am Sonntag – sozusagen – geschlossen ist. Die Geschäfte sind nicht geöffnet, nur die Cafés, aber auch kürzer als an Wochentagen. Aber die Bibliothek ist selbst am Wochenende voll mit wissenshungrigen Studierenden.
Wenn du das erste Mal die SUB betrittst, denkst du, dass du den ersten schwarzen Punkt gefunden hast: Computer. Im Erdgeschoss sind wohl einige PCs zu finden, aber es gibt wirklich nicht mehr als 50. Danach klärt sich das Bild schnell auf, wenn du realisierst, dass 1) jede_r mit Laptops unter dem Arm herumbummelt, und 2) es in den Gebäuden der Uni WiFi gibt, was nicht nur für die SUB-Gebäude gilt, sondern in der ganzen Universität benutzt werden kann. Abgesehen davon ist der Raum groß genug, und die Stimmung ist sehr locker. Beginnend damit, dass jede_r die Tore der SUB durchschreiten kann, ohne einen Pieps und ohne Anmeldung. Man kann ruhig gucken, suchen und relativ einfach das angeforderte Material erwerben, auf jeder Ebene stehen Kopiergeräte. Sie funktionieren mit Münzen, und vor ihrer Verwendung muss man weder ein Konto, noch eine Karte aufladen. Wenn man etwas ausleihen will, muss man sich natürlich in der Bibliothek anmelden, aber das ist unnötig. Rund um die Computer kann gegessen und getrunken werden (na ja, in einem gewissen Rahmen) und was wirklich erstaunlich ist: Einige machen Yoga in der Mitte des Saals, ohne dass es Beschwerden gibt oder sie jemand für Narren hält.
Und jetzt gehen wir hinauf. Auf der ersten Ebene finden wir rechts den Monografienlesesaal, links Hörsäle. Eine Etage höher gilt die gleiche Verteilung, rechts Zeitschriftenlesesaal, links ein Druckerzimmer. Diese „Druckerei“ ist ein bisschen komisch, man muss das System aber nur einmal kennen lernen, dann geht’s ganz easy. In diesem Raum kann man wahrscheinlich alles erledigen, was mit der Arbeit, der Forschung und dem Lernen zusammenhängt. Hier gibt es Drucker, Scanner, Grafikbearbeitungssysteme, Videokonferenzsysteme. Die Bedienung der Maschinen muss man aber lernen, weil es keine echte Druckerei ist, und niemand macht die Arbeit an unserer Stelle. Unser Weg kann nicht nur nach oben, sondern auch nach unten führen. Im ersten Untergeschoss kann man Zeitschriften finden, im zweiten liegt das Freihandmagazin. Dort liegen Zeitschriften und Serien ab dem Jahre 1945 und Bücher ab 1998 vor.
Hier lohnt es sich ein im Jahre 2007 eingeführtes Programm zu erwähnen. Es geht um eine Titelsammlung, die der Georg Olms Verlag mit der SUB verwirklichte. Diese enthält über 16.000 digitalisierte Bücher und Publikationen, unter denen Nachdrucke aus dem 16. bis 20. Jahrhundert zu finden sind. Sie steht Bibliotheken und wissenschaftlichen Institutionen zur Verfügung. Diese digitalisierten Dokumente können die Studierenden der Uni Göttingen nur von den PCs der SUB erreichen.
Wenn die Studierenden sich ein wenig entspannen wollen, können sie das Café der SUB besuchen. Es liegt auch auf der dritten Etage, eine Wendeltreppe führt nach oben. In ihrem Angebot befindet sich natürlich der echte, deutsche, wässerige Kaffee, aber man kann auch einen guten Espresso trinken. Dazu kommen leckere Kuchen, zum Beispiel Schokomuffins, die nicht nur in ihrem Namen Schokolade enthalten. Es gibt auch Bier aus dem Kühlschrank. Die dortigen Studierenden verstoßen nicht gegen das „Gesetz“, wenn sie zum Mittagessen ein Bier trinken. Und wenn wir bei der Forschung, beim Lernen Hunger bekämen, könnten wir aus vielen Sorten Sandwichs wählen, die auf eine gesunde Ernährung achtend mit viel Gemüse und Vollkornbrötchen gemacht sind.
Damit wir nicht beschuldigt werden, voreingenommen zu sein, erwähnen wir einen – nicht zu vernachlässigenden – Nachteil. Die Schränke. Es gibt sehr wenige, und sie funktionieren mit Schlüsseln. Das ist schlecht, weil die Studierenden die Schlüssel bei sich tragen, so dass der Großteil der Schränke besetzt ist. Also muss man großes Glück haben, um einen leeren Schrank mit Schlüssel zu finden. Uns ist es mittlerweile egal, weil wir daraus gelernt haben und jetzt selbst einen Schlüssel haben. Um sicher zu gehen, falls wir noch mal nach Göttingen gehen sollten.
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