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Zeitung << 2/2010 << Legenden existieren
Legenden existieren
Kraftwerk in Ungarn
Autorin: Anita Nyári
Wenn die Rede von elektronischer Musik ist, wissen die meisten nicht, was das eigentlich ist. Ich bin mehrmals gebeten worden ein Beispiel zu nennen. Man denkt zwar, dass dieses Genre die Musik der Maschinen ist, dass es zu künstlich und nicht originell ist. Trifft diese Behauptung aber auch dann zu, wenn wir nun die Großväter der elektronischen Musik, die das Techno-Pop-Musikgenre geschaffen und inspiriert haben, die deutsche Band Kraftwerk hören?
Kurze Geschichte der Band
Kraftwerk wird 1970 von Florian Schneider und Ralf Hütter in Düsseldorf gegründet. Damals schon wird Rock mit elektronischer Musik vermischt, aber mancherorts noch instrumental. Ab dem 1974 erschienenen Album „Autobahn“ sind sie schon zu viert und arbeiten vollkommen elektronisch. Das Mechanisieren von Kraftwerk wird ab dem Album „Trans Europe Express“ gezählt, weil sie sich hier selbst als Schaufensterpuppen bezeichnen. Im Album „Die Mensch-Maschine“ stellen sie sich als Roboter dar. In ihrem 1981 erschienenen Album „Computerwelt“ sind die Songs bereits einfach, vergleichbar mit den Klängen eines Computerspiels. Auf der Platte „Electric Café“ (1986) verwenden sie den Begriff Techno-Pop zum ersten Mal.
Im Laufe der Jahre treten viele Veränderungen in der Band auf, da nur einer der Gründer, Ralf Hütter geblieben ist. Derzeit besteht die weltbekannte Band aus Fritz Hilpert, Henning Schmitz, Stefan Pfaffe und Ralf Hütter.
Kraftwerk-Konzert in Ungarn
2009 kamen sie im Sommer nach Ungarn. Ihr Auftritt wurde im Rahmen des Balaton Sound Festivals in Zamárdi organisiert. Dieses Großbühnen-Konzert war vollständig ausverkauft. Nach fast 40 Jahren zog die Band noch immer eine riesige Menge von Menschen an.
Ich bewunderte die Band aus der Mitte heraus während dieses Konzertes irgendwo in der Masse. Oder vielmehr stand ich nur da und starrte sie an. Weil das ganze Konzert mich mitriss. Es war wie ein Theaterstück, als ob ein unsichtbarer Vorhang am Beginn des Konzerts entrollt wurde. Es galt keinen Moment zu verpassen, also musste man ruhig bleiben. Kraftwerk ist eigentlich keine Tanzmusik. Man „springt“ nur, aber auch das tut man selten, um nichts zu versäumen.
Alle vier von ihnen bewegten sich gleichzeitig, aber meistens waren sie bewegungslos wie Roboter. Die Musik, die Lichter spielten im perfekten Einklang mit den Texten. Es war roboterhaft und meisterhaft organisiert.
Die ehemaligen elektrischen Synthesizer und Trommeln der Mitglieder wurden jetzt von Laptops ersetzt, mit derer Hilfe sie fast alle bekannten Melodien spielten. Denn trotz der Tatsache, dass die Leute, die diese Art von Musik lieben, die Titel der Lieder kennen, können auch durchschnittliche Hörer_innen Melodien wiedererkennen, z.B. Coldplays Song „Talk“ (Computerliebe) oder Jay-Zs „Sunshine“ (Mensch-Maschine), in denen einige musikalische Elemente von Kraftwerk gefunden werden können. Aber die bekannteste Verarbeitung ist „Das Model“ von Rammstein.
Selbstverständlich dürfen die Visions-Technologien nicht vernachlässigt werden. Was mir am besten gefallen hat, war die spezielle Kleidung. Einmal erschienen die Kraftwerk-Mitglieder in neonfarbigen Overalls mit Quadratnetz, ein anderes Mal glühten sie in voller roter Farbe auf der Bühne.
Der Hintergrund bestand aus einem großen Projektionsschirm, der so breit war, dass man nicht den ganzen gleichzeitig sehen konnte. Darauf wurden verschiedene Szenen (z.B. aus dem Film Metropolis) oder Worte, Zahlen (bei Computerwelt) projiziert. Es gab Lieder, bei denen nur Bilder und Symbole gezeigt wurden, z.B. bei der Nummer „Autobahn“ Verkehrsschilder oder bei „Vitamin“ Kapseln. Dieser Projektionsschirm wurde auch benutzt, um die Band als Schatten zu beleuchten, wodurch ihre roboterhafte Existenz symbolisiert wurde. Die Nummer „Roboter“ war in der Anwesenheit von vier realen Robotern auf der Bühne zu hören. Diese Tatsache wurde mir später erzählt, ich habe es nicht bemerkt, da die Roboter so wahrheitsgetreu waren.
Die Mitglieder von Kraftwerk sind frei austauschbare Roboter. Die Persönlichkeiten zählen nicht, es ist egal, wer „die Rolle spielt“, Hauptsache der Name Kraftwerk bleibt.
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