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Zeitung << 2/2010 << Ohne Krimi…..


Ohne Krimi…..
Ein germanistisches Krimiseminar an der Universität Szeged

Autorin: Judit Hevesi

An einem nicht so schönen Tag am Ende der Sommerferien versuchte ich meinen nächsten Semesterplan zusammenzustellen. Ich hatte mich zu meinen gewöhnlichen Vorlesungen und Seminaren angemeldet, aber mein Blick blieb an etwas haften: Gangster, Gauner und Ganoven. Es klang nicht schlecht, ganz und gar nicht schlecht für einen Krimifan. Wie Mimi gehe auch ich nicht ohne Krimi ins Bett, deshalb belegte ich den Kurs.

Mimi ist die Heldin eines Schlagers von Bill Ramsey. Das Lied hörten wir im Seminar, an den Refrain erinnere ich mich noch: „Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett, nie ins Bett, nie ins Bett, nie ins Bett, / Ohne Krimi tut’s die Mimi leider nicht, und es brennt die ganze Nacht das Licht“. Weil ich sehr viel Krimis gelesen habe, dachte ich mir, dass ich sehr viel über Krimis weiß. Aber dieses Seminar hat mir bewiesen, dass mein Wissen noch sehr lückenhaft war. Und so begann meine Geschichte.
Das Krimiseminar hatte 14 Teilnehmerinnen. Alle „Detektivinnen“ waren Frauen, sogar sehr kluge und kreative Frauen. Unsere Hauptdetektivin, namens Dorothea Böhme, lehrte uns Sherlock Holmes’ detailgenaue Beobachtung und analytisch-rationales Denken. Zuerst haben wir erfahren, dass es keine einheitliche Definition für den Kriminalroman gibt. Aber es existieren doch Kriterien, an denen man sich ganz gut und einfach orientieren kann. Wir kennen sie alle: Findet ein Verbrechen statt? Spielen Figuren wie Täter_innen, Opfer, Ermittler_innen eine Hauptrolle in der Geschichte? Welche Rolle spielt die Aufklärung des Verbrechens? Außerdem lernten wir die Unterschiede zwischen Whodunit, Hard-boiled, Noir, Thriller und Polizeiroman kennen, die ich bisher nicht so gut trennen konnte.
Vielleicht gehören Krimis nur selten zur „Hochliteratur“, aber ein le Carré Krimi oder eine Geschichte von Wolf Haas sind trotzdem spannend und machen nachdenklich! Und außerdem: Warum müssen wir immer nur Hochliteratur lesen? Ganz davon abgesehen, dass wir auch Autor_innen der Hochliteratur wie Dürrenmatt oder Dostojewski unter die Krimiautor_innen zählen können!
Wusstet ihr, dass zum Beispiel Bertolt Brechts Dreigroschenoper mit einer Moritat beginnt? Ich hatte keine Ahnung, was eine Moritat ist, aber inzwischen wissen alle Detektivinnen aus dem Seminar, dass eine Moritat ein balladenähnliches Bänkellied mit einer einfachen Melodie ist, das entsetzliche Ereignisse und schaurige Verbrechen schildert und mit moralisierenden Worten endet.
Es gibt aber noch etwas sehr Wichtiges, was ich zu diesem Seminar anmerken muss. Die Gruppe sollte ein Kapitel aus dem Kriminalroman Tannöd von Andrea Maria Schenkel lesen. Dieser Roman basiert auf einem bis heute ungeklärten Verbrechen. Am Abend des 31. März 1922 wurden sechs Leute (eine Familie mit drei Kindern und eine Dienstmagd) auf einem Einödhof in dem bayrischen Dorf Hinterkaifeck ermordet. Der Roman ist sehr spannend, aber ich musste einsehen, dass Krimis sehr unterhaltend sind bis zu dem Punkt, an dem sie noch Geschöpfe der Phantasie sind und nicht die Realität beschreiben. Es ist ganz schön schrecklich, wenn man in Bezug auf die Wirklichkeit darüber nachdenkt.
Aber sehr viele Rätsel warteten noch darauf, aufgedeckt zu werden! Die Aufgaben wurden nach der Anordnung der Hauptdetektivin zwischen uns aufgeteilt, das heißt, jede Woche haben ein bis zwei Detektivinnen ihre einzigartigen Fälle skizziert. So erfuhren wir, wie Roman Polanskis Rosemary vom Teufel vergewaltigt wurde und ihm ein Baby gebar, wie ein Vater seine Tochter, eine Prostituierte, in Budapest Noir von Vilmos Kondor tötet, wie ein Schäferhund durch seine untrügliche Nase Mordfälle klärt oder wie ein neugieriges, hartnäckiges und kluges Schaf, Miss Maple, in dem Werk Glennkill von Leonie Swann die Lösung eines kriminalistischen Falles findet, wie ein eifersüchtiger Kriminalbeamter in Friedrich Dürenmatts Der Richter und sein Henker seinen Vorgesetzten umbringt. Um es mit den Worten von Agatha Christie zu sagen: Und es gab keines mehr…
Ich muss sagen, dass dieses Seminar sehr spannend und unterhaltsam war. Ich hoffe, dass noch Fortsetzungen kommen! Die Detektivinnen-Gruppe ist sich einig, dass wir einiges gelernt haben. Wer wusste vorher schon, was ein Ganove ist?
Ich weiß schon: Wenn ich etwas behaupte, muss ich meine Worte immer mit Dokumenten beweisen. Anbei können Sie also unsere eigenen Kriminalgeschichten lesen, die wir im Seminar zusammen geschrieben haben.