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Zeitung << 2/2010 << Soll ich ihr die Hand geben oder darf ich sie küssen?
Soll ich ihr die Hand geben oder darf ich sie küssen?
Problem der Interkulturellen Kommunikation mal anders
Autor: Zoltán Tóth
Wenn man sich mit der deutschen Sprache beschäftigt, dann ist es früher oder später unumgänglich einer Person mit genau jener Muttersprache zu begegnen. Aber was soll man in dieser Situation tun? Einfach versuchen zu lächeln und sich auf seine Sprachkenntnisse verlassen, schnell den nächstbesten Dolmetscher ausfindig machen oder einfach nur weglaufen? Wer tapfer genug ist, sich der Gefahr zu stellen, kann sich auf einiges gefasst machen, denn zwei Kulturen werden aufeinander prallen.
Manche Germanistikstudent_innen haben das Glück, Gäste aus Deutschland empfangen zu dürfen. Ich war einer der Auserwählten für diese Aufgabe. Ich dachte, das wird ganz easy, ich hatte ja ein Seminar mit dem Namen „Interkulturelle Kommunikation“ erfolgreich abgeschlossen. Aber schon die erste Kontaktaufnahme erwies sich als schwierig, denn ich hatte eine E-Mail-Adresse und ein paar Anweisungen von oben, was ich in etwa zu tun hätte. So stand ich da, vor meinem Notebook, und musste versuchen zwei fremden Frauen zu schreiben, was für einen Mann ja ohnehin nicht das Einfachste ist, und diese Aufgabe wurde noch versüßt durch die Interkulturalität. Als der Text fertig war, fiel mir ein Stein vom Herzen. Ich habe den Ort und die Zeit des ersten Aufeinandertreffens schriftlich vorgeschlagen. Als ich gerade auf „senden“ drücken wollte, stellte ich mir die Frage: Was ist, wenn etwas dazwischen kommt? Was kann ich in jener Situation bloß tun? Dann habe ich daran gedacht, dass ich um eine Telefonnummer bitte, aber auch hierbei kamen mir Zweifel auf, was, wenn das in Deutschland so nicht angebracht ist und ich damit eine Grenze überschreite? Nach 50 Folgen GZSZ (Gute Zeiten, schlechte Zeiten), wurde mir klar, Telefonnummern werden nicht so gern getauscht, also schickte ich den Brief ohne jene Bitte fort.
Wie sollte es auch anders sein, der Bus verspätete sich, und ich kam fünf Minuten zu spät. Vor meinem geistigen Augen sah ich Frau Tichy, wie sie uns hundert Mal im Seminar sagte: „Pünktlichkeit, das muss sein”. Ich stand also schweißgebadet im Bus, und als die Türen endlich aufgingen, bin ich losgesprintet, als würde es um die Medaille in der Olympiade gehen. Angekommen, kam über mich eine Art Erleichterung, denn ich konnte in zwei lächelnde Gesichter schauen, aber auf einmal kam mir der Gedanke, „Du sollst dich jetzt vorstellen.”. Nach reiflichem Überlegen, also nach 0,001 Sekunden, beschloss ich zu handeln und gab ihnen meine Hand, obwohl, unter uns gesagt, ich mich mehr über ein Küsschen auf die Wange gefreut hätte, aber ich wollte den „Kulturellen Bogen“ nicht allzuweit überspannen.
Nach diesen Ereignissen verlief der ganze Tag locker, und ich konnte sehr interessante Gespräche mit den beiden Tutorinnen führen, bis zu diesem einen Augenblick. Eine der Damen wollte, ohne sich umzuschauen, über den Zebrastreifen gehen, was in Szeged, eine ziemlich heikle Angelegenheit ist. Ich sah ein herannahendes Fahrzeug kommen, und griff nach ihrem Arm, damit es zu keinem Unglück kommt. Nach diesem Stunt fielen mir wieder Mal die Worte von Frau Tichy ein, dass Deutsche auf Berührungen von Fremden nicht allzu gut zu sprechen sind. Ich sah mich schon hinter schwedischen Gardinen wegen sexueller Belästigung, aber ich machte mir wieder mal zu viele Sorgen, wie mir bei späteren Gesprächen klar wurde.
Ich kann allen nur raten, die in eine solche Situation geraten: Genießt sie, denn es ist eine Möglichkeit, dass ihr Menschen aus anderen Kulturen kennenlernt, und so auch euch selbst.
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