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Zeitung << 1/2010 << Herren der Winde


Herren der Winde
Schandmaul – Deutscher Folkrock mit mittelalterlichen Instrumenten

Autorin: Anna Angyalka Lukács

Was fällt uns bei dem Wort Mittelalter – nach Pest und Inquisition – als erstes ein? Ich höre einige begeisterte Germanisten Till Eulenspiegel rufen… Nein, jetzt geht es nicht um ihn.

Vielleicht so etwas wie „Mit schmetterndem Getön, Fanfaren und Trompeten. Am Hof das Fest des Frühlings, im Wind die Fahnen wehten. Mit Speis‘ und Trank und viel Gesang, zur Freud‘ der Menschen all‘, ein Turnier im Lanzenstoß, der Preis war kolossal!”? (Der letzte Tanz). In den meisten lebt ein ganz eigenes, romantisches Bild des „dunklen Mittelalters”. Schöne Königinnen in Türmen, Männer in engen, bunten Stumpfhosen, Hofnarren mit klingelnder Mütze, blutige Kriege und Turniere. Man kann sich schon vorstellen, dass diese Traumwelt nur zum Teil mit der Wirklichkeit zu tun hat. Woher kommen diese Bilder? Märchen, Filme und… Genau! Musik!
Schandmaul ist neben In extremo, Corvus Corax und Saltatio Mortis eine der bedeutendsten mittelalterlichen Folkrock-Bands Deutschlands – mit dem weitaus romantischsten Mittelalterbild und vielfältiger Instrumentenauswahl. Bei so einer Band heißt das Erfolgsrezept: Man nehme einmal Schlagzeug, Bass- und akustische Gitarre, damit es so richtig rockt, und eine Prise Akkordeon, Drehleier, Mandoline und Dudelsack, damit es auch nach – dem von den Menschen erwarteten – Mittelalter klingt. Das Ergebnis ist ein riesiger Erfolg. Die Freunde, die 1998 als Coverband begannen, sind jetzt stolze Besitzer von neun Alben, dem Deutschen Folkförderpreis, dem Bayerischen Rockpreis und einer Nominierung für den Echo 2009. Was genau muss man für so eine Beliebtheit bieten?
Unterhaltung, Rhythmus zum Tanzbein schwingen, Texte, über die man bei einem Bier lachen kann, zärtliche Liebe und tiefe, glühende Leidenschaft. Eben Vielseitigkeit. Über ihre Songs kann man lachen, weinen, schaudern, philosophieren. Sie sind mal zart zum Träumen, mal kräftig und laut zum Toben.
Die Stücke von Schandmaul sind alle kleine Geschichten oder Balladen. Sie bilden eine in sich abgeschlossene Einheit, eine kleine ganze Welt, worüber man sich bei der folgenden „Ars Poetic” gar nicht wundern muss. „Ich bin ein Mensch der Worte, die Welt erscheint mir still, zu füllen allerorten, mit Text wie ich es will. Mein Leben ist ein Märchen, erzählt von mir da selbst. Ich bin ein Mensch der Worte - ein Poet.” (Der Poet)
Es handelt sich oft um Liebeslyrik, eine Art Schein-Minne (hohe und niedere) – natürlich ohne politische oder soziale Anspielungen. Nicht, dass noch etwas von der Romantik verloren geht! Oft gibt es einen Helden, der um die Liebe seiner Herzensdame kämpft, diese Geschichten gehen sowohl glücklich als auch tragisch aus. Rache, Mord, Intrigen, (Vogel)freiheit und Feldzüge sind wiederkehrende Themen. Es wird sichtbar, dass Motive der Minnelyrik oder alten Sagenstoffes – Das Nibelungenlied – aufgegriffen werden, aber eher nur der Form und der Stimmung wegen.
Sprachlich sind die Texte gemischt. Ich würde sie auf keinen Fall als mittelalterlich bezeichnen, obwohl sich die Textschreiber um die Bewahrung der Stimmung mit veralteten Wörtern (anbiedern, Knabe, Antlitz, Kleinod) und archaisch klingenden Formen (in gar zärtlicher Stund) bemühen.
Letztendlich würde ich Schandmaul mehr als unterhaltsam als authentisch bezeichnen, obwohl man zugeben muss, dass sie dem Publikum genau das bieten, was es hören will – und das ist auch gut so! Da man aber Musik nicht durch Buchstaben weitergeben sollte, bleibt nichts anderes übrig als reinzuhören und sich von den Bandmitgliedern – Thomas, Anna, Stefan, Martin, Birgit und Matthias – auf eine wundervolle Reise durch Raum und Zeit begleiten zu lassen!


Die goldene Kette

Hoch oben auf den Zinnen wartet die schöne Maid,
von fern hört man den Vater, es klappert das Stahlkleid.
Vom Kriege kommt er her, am Kamin sich auszuruhen,
der Winter zieht ins Land, die Zeit des Friedens wird gut tun. 

Willkommen, lieber Vater, erging es euch gut,
man hört schon die Spielleut besingen euern Mut,
ich hab stets brav gebetet und an euch gedacht,
habt ihr eurer Tochter denn was mitgebracht?

Die goldene Kette nimm dir,
ich gab meinem Feind den Tod dafür..
Als die Tochter das Schmuckstück gewahrt,
beginnt sie zu schluchzen, den Vater trifft´s hart,
anstatt sich zu freuen, schreit sie ihn an,
sie entreißt ihm das Kleinod und läuft von dannen.

Die goldene Kette vom Mädchen erkannt,
erst unlängst im Frühling gab sie´s aus der Hand...
Als Zeichen der Liebe tief am Waldesgrund,
gab sie´s ihrem Liebsten, in gar zärtlicher Stund...

Die goldene Kette nimm dir,
als Zeichen der Liebe ganz tief in mir!

Sie läuft in die Fremde, findet schließlich sein Grab,
da stand „Hier ruht ein Jüngling, der im Kampfe starb,
sie kniet sich nieder und erwartet den Tod, 
als er sie ereilt, gibt sie ihm das Kleinod...

Die goldene Kette nimm dir,
bring mich zu meinem Liebsten dafür...