|
Zeitung << 1/2010 << Es ist besonders nützlich, wenn man mehrere Sprachen kennt
Es ist besonders nützlich, wenn man mehrere Sprachen kennt
Interview mit Frau Prof. Dr. Gisela Zifonun
Autor: Kornél Kovács
Liebe Frau Zifonun, Sie haben einen fachlich sehr reichen Lebenslauf. Sie haben auch Germanistik und Latein studiert wie andere große Sprachwissenschaftler, wie z.B. Herr Bassola. Warum haben Sie gerade diese Kombination gewählt?
Deutsch wollte ich schon immer studieren, weil ich damals wie auch heute noch sehr interessiert an Literatur bin und weil es auch mein bestes Schulfach war. Zu Latein bin ich eigentlich auf Umwegen gekommen: Ich habe ein Semester Geschichte studiert. Das hat mir aber gar nicht zugesagt, und an der Universität habe ich gemerkt, dass das nicht mein Fach ist, und dann bin ich zu Latein zurückgekommen, das ich auch immer sehr gerne gemacht habe. Aber mein Herz war eigentlich immer mehr bei der Germanistik und bei der Sprachwissenschaft.
Dann wissen Sie sicherlich was „Sic itur ad astra“ bedeutet.
Ja, so kommen wir zu den Sternen.
Das sagt Herr Bassola oft.
Ich kenne einen ähnlichen Spruch: „Per aspera ad astra.“ So sagt man das bei uns.
Wenn wir schon beim Studium sind, würden Sie auch anderen Studierenden vorschlagen diese Variation zu nehmen?
Nicht unbedingt. Ich bin zwar ein Anhänger der These, dass man über das Lateinische sehr viel über die grammatische Struktur und über die Sprache erlernt, aber es gibt viele Wege zu einer guten Ausbildung auch auf sprachwissenschaftlichem Gebiet. Ich glaube, dass es besonders nützlich ist, wenn man mehrere Sprachen kennt, und zwar aus verschiedenen Sprachgruppen, und insofern könnte ich mir durchaus vorstellen, dass es zum Beispiel sehr nützlich ist Russisch und auch Ungarisch zu lernen, aber das sind keine Schulsprachen in Deutschland.
In Ihrem Vortrag an der Universität Szeged ging es um Typologie. Dabei ist es gut, wenn man mehrere Sprachen spricht. Wie viele Sprachen beherrschen Sie persönlich?
Das kommt darauf an, was man unter Beherrschung versteht. Ich kann gut Englisch, mittelmäßig gut Französisch, ich kann natürlich sehr gut Latein, ein wenig Polnisch, und ich kann durch die Kenntnisse des Lateinischen mich etwas in Italienisch verständigen. Ich habe einmal recht gut auch Persisch gekonnt, weil ich mit einem Iraner verheiratet war und zwei Jahre im Iran gelebt habe. Aber wirklich gut kann ich eigentlich nur Deutsch. Und Altgriechisch habe ich auch ein bisschen gelernt.
Wie wäre es zum Beispiel mit „Gnoti seauton“?
Ja, ich kenne mich selbst.
Wie haben Sie die Idee bekommen, sich nach dem Studium mit Linguistik zu beschäftigen?
Ich habe mich schon während des Studiums stark auf die deutsche Sprachwissenschaft konzentriert, und meine Dissertation war auch einem sprachwissenschaftlichen Thema gewidmet. Es war eigentlich relativ klar, was meine zukünftige Berufstätigkeit sein wird: Wenn es sich als möglich erweist, an der Universität arbeiten. Aber ich bin unmittelbar nach dem Studium erst zwei Jahre in den Iran gegangen. Danach bin ich sofort im Institut für deutsche Sprache angestellt worden. Damals waren Gott sei Dank die beruflichen Möglichkeiten so, dass man in der Tat nach einem Anruf am Institut für deutsche Sprache dort eine Stelle bekommen konnte, was heute fast unmöglich erscheint.
Wir kennen das IDS heute. Wie sah das IDS damals aus? Was war zu dieser Zeit anders? War es auch damals so groß, anerkannt und bekannt?
Das IDS war sehr viel kleiner: Wir hatten ein kleines und sehr verwinkeltes Gebäude, und es war keineswegs schon so gesichert und anerkannt wie heute. Ich bin gerade in einer relativ schwierigen Phase des IDS hineingeraten, und sogar das Bestehen des IDS war gefährdet. Gott sei Dank konnte dann durch führende Persönlichkeiten das IDS „gerettet werden”. Es war damals auch längst nicht so breit wie heute, sondern im Vordergrund stand vor allem Grammatik – und auch die kontrastiven Grammatiken –, und später haben sich die anderen Arbeitsbereiche voll entwickelt.
Eigentlich wissen alle Studierenden und Lehrenden, was das IDS ist. Aber jetzt könnten wir es mit den Augen der Leiterin sehen. Was würden Sie sagen: Was ist das IDS?
Das IDS ist der Ort für die deutsche Sprache, und es ist das zentrale Institut, in dem das Deutsche erforscht wird und in dem sich alle die Leute treffen, die sich mit dem Deutschen professionell beschäftigen. Ich denke, das ist eine wirklich einmalige Sache in Deutschland. Auch in anderen Ländern gibt es nicht überall eine vergleichbare zentrale Einrichtung für die Erforschung und die Dokumentation der Landessprache. Das halte ich für eine ganz einmalige, wichtige und begrüßenswerte Sache.
Sie haben gesagt: „Leute, die sich mit dem Deutschen professionell beschäftigen“. Aber es gibt auch Germanistikstudierende, die noch nicht so professionell sind. Was bietet das IDS für Studierende an?
Das IDS bietet für Studierende vor allen Dingen einen sehr angenehmen Arbeitsplatz an, um sich dort weiterzubilden, sich auf eine Abschlussarbeit vorzubereiten, und das durch direkte Recherche in den Corpora des IDS, durch Beratung mit den dort ansässigen Wissenschaftlern, durch die Nutzung der riesigen, sehr gut ausgestatteten Bibliothek, durch die Möglichkeit anderen, auch dort anwesenden Gästen zu begegnen.
Wäre es möglich, dass ein/e ungarische/r Germanistikstudent/in dort ein Praktikum absolviert?
Möglich ist es schon, das ist nur eine Finanzierungsfrage, diese Praktika sind nämlich nicht bezahlt. Wenn man sich selbst Finanzierungsmöglichkeiten verschafft, dann ja. Aber die Möglichkeit wird sehr gerne angeboten.
Sie haben eine lange Karriere hinter sich und arbeiten jetzt im IDS. Was sollte man machen, wenn man auch im IDS arbeiten will?
Man sollte zunächst einmal natürlich einen sehr guten Studienabschluss vorweisen und man sollte vor allem ein wirklich ausgeprägtes Interesse an sprachlichen Fragen haben. Man sollte dann die Stellenausschreibungen, die das IDS immer veröffentlicht – und die auch gar nicht so selten sind – verfolgen, und sich dann möglichst aussagekräftig bewerben. Nützlich ist es auch, wenn man von vornherein gute Kontakte zu Mitarbeitern des IDS pflegt, dass sie einen schon kennen und so die Kompetenz besser beurteilen können.
Wofür halten Sie sich selber: Sind Sie Germanistin oder Linguistin?
Ich bin eine germanistische Linguistin, aber in erster Linie bin ich ja doch Germanistin.
In Szeged halten Sie jetzt zwei Vorträge. Während sich der eine an Studierende richtet, ist die Zielgruppe des anderen unsere Lehrenden. Was ist der grundsätzliche Unterschied bei der Konzeption von zwei so unterschiedlichen Vorträgen?
Der Vortrag, der sich an die Dozent/innen wendet, hat jetzt eher Versuchscharakter, es ist ein Gebiet, das weniger erforscht und auch weniger sichere Erkenntnisse zur Diskussion stellt. Ich betrete dabei ein wenig Neuland, und ich bin dabei nicht absolut davon überzeugt, dass ich hier wirklich schon zu einer Lösung gekommen bin. Deshalb würde ich das gerne mit Kollegen und Kolleginnen diskutieren, aber ich würde es jetzt nicht als verbindliches Wissen Studierenden anbieten. Das ist auch stärkerer mit Fachtermini belastet – noch stärker als der Vortag, den ich auch für Studierende halte, wo ich mich darum bemühe, die Terminologie verständlich zu beschreiben und durch Beispiele verständlich zu machen.
In der Grammatik des IDS kann man an anderen Stellen unauffindbare Termini finden. Wer erfindet diese Termini?
Zum Teil übernehmen wir die Termini, die in der germanistischen Tradition nicht vorhanden sind, aber z.B. in der theoretischen Linguistik schon da sind, oder in der Sprachtypologie. In anderen Fällen gebe ich zu, dass wir einige Termini erfunden haben, weil wir der Meinung waren, dass sie treffender sind als die bereits vorhandenen, aber das ist eher selten der Fall.
Das ist nicht das erste Mal, dass Sie in Ungarn sind. Wie finden Sie das Land und die Leute? – Etwas Positives und auch etwas Negatives ist erwartet, weil wir Selbstkritik üben wollen.
Ich habe natürlich einen sehr beschränkten Einblick in Land und Leute. Mir gefällt es in Szeged sehr gut, weil auch die Atmosphäre dieser Stadt sehr angenehm ist, und finde, sie hat baulich sehr vieles zu bieten, und sie hat eine sehr ruhige, südlich heitere Atmosphäre, die mir sehr gut gefällt. Wenn ich etwas Negatives sagen soll, eigentlich wollte ich mir gerne etwas Schönes zum Anziehen kaufen, aber ich habe nichts Gutes gefunden. Das heißt also, was weibliche Mode angeht, besteht hier noch ein gewisser Nachholbedarf.
Frau Zifonun, ich bedanke mich für das Interview und wünsche Ihnen noch einen schönen Aufenthalt in Szeged.
|
|