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Zeitung << 1/2010 << Die volkskundliche Diplomarbeit
Die volkskundliche Diplomarbeit
Wie sie den Einstieg in das Berufsleben erleichtert
Autorin: Maria G. Molnar
Anders als die Diplomarbeit der klassischen Germanistik, wo hauptsächlich durch Erforschung wissenschaftlicher Tatsachen mit Hilfe des forschenden Diplomanden sozusagen eine neue interessante Erkenntnis geschaffen wird, steht die volkskundliche Arbeit viel näher zum alltäglichen Leben. Wie sich diese letztere Tatsache positiv auf die Berufschancen des arbeitssuchenden Absolventen auswirken kann, soll an zwei Beispielen aus persönlicher Erfahrung verdeutlicht werden, die sich beide am Batschkaer Ahnenspiegel (Konrad Gerescher: Batschkaer Ahnenspiegel. Vermögensform – Arbeitsweise – Lebensart. [Mit einem Anhang: 200 körperliche Ahnenberufe mit Arbeitsmerkmalen]. Szeged: Verlag für Hochschulausbildung Gyula Juhász 2004. 427 Seiten) orientierten.
Im ersten Fall geht es um die Arbeit einer Germanistik-Studentin der Bajaer Hochschule, welche sich dem Thema der „ländlichen Gartenkultur“ widmete, aber durchaus Originelles aus der Selbstbefragung einiger alter Frauen aus dem Herkunftsort der Verfasserin zu Papier brachte. Weil im guten Bekanntenverhältnis vom Anbeginn der Diplomarbeit bis zum gelungenen Ende der Arbeitssuche in den Vorgang Einsicht bestand, kann aus erster Hand der positive Zusammenhang bezeugt werden. Die Diplomandin wusste allerdings von Anfang an, wohin sich ihre Berufswünsche orientierten: An einer ländlichen zweisprachigen Grundschule. Das Ländliche ist hier in dem direkten Zusammengang mit der Gartenkultur zu betrachten. Schon der Aufbau so einer landbezogenen Diplomarbeit bezeugt den Wunsch der Haltsuche und Nähe zum Alltag einer ländlichen Gemeinschaft und seiner Schulkinder. Obzwar der Aufbau der Diplomarbeiten meistens vorgegeben ist, kann sowohl ein Prüfer wie der Bewerbungsempfänger leicht erkennen, ob außer dem Rahmentext noch einiges mehr irgendwo abgeschrieben ist. In unserem Falle wurde das leichtere Abschreiben mit der vagen Hoffnung, dass es nicht durchschaut wird, gar nicht erst versucht. Einige Beispiele der ortsbedingten Gartenbebauung und traditionellen Kultivierung von Nutzpflanzen aus erster Hand machten die Diplomarbeit zu einer so interessanten, ja originellen Lektüre, dass sich in der angeschriebenen Schule vom Direktor bis zum Lehrerkollegium niemand fand, der nicht mit der Lehramts-Anfängerin nähere Bekanntschaft machen wollte. Als bei der persönlichen Vorstellung auch noch die Deutschkenntnisse stimmten, war die Anstellung perfekt.
Dem zweiten Fall liegt eine Diplomarbeit aus Szeged zugrunde, die nicht ziel-, dafür aber neigungsorientiert angegangen wurde. Der junge Mann hatte die Grundausbildung zum Deutschlehrer eigentlich nur aus Mangel an anderen Studienmöglichkeiten gemacht. Ohne auf die bekannten Gründe zu dieser Studienwahl näher einzugehen, kann bei ihm als positiver Begleiteffekt die allgemeine bleibende Neigung zu technischen Themen vorausgesetzt werden. Dieses bei fast allen Studenten vorkommende Interesse an Autos und technischen Hobbys spielte bei der Entscheidung für ein technisches Thema bei der Diplomarbeit die entscheidende Rolle. Technik und Volkskunde im Deutschstudium mit Zusatzqualifikation, klingt fast als zuviel und zu speziell, als dass es irgendwo im Berufsleben gebraucht werden könnte. Doch bei unserem Studien-Absolventen half es tupfengenau beim Einstieg in einen gutbezahlten Job (Mercedes Hungary, Hauptwerk Kecskemét, Aufnahme der Produktion: ca. 2012, Beschäftigung von ca. 2.500-3.000 Angestellten, der Bedarf an geeignetem Personal mit Deutsch- u. Technikkenntnissen ist sehr groß.). Etwas näher besehen sah seine technische Diplomarbeit so aus, dass sie einer Bewerbung in einem metallverarbeitenden Betrieb sehr förderlich war. Sie hatte die Entwicklung von Werkzeugen und von Anwendungsmethoden im Karpatenraum zum Inhalt. Das Thema konnte der Diplomand unschwer anhand des Grundgerüstes aus dem genannten Ahnenspiegel entwickeln, wo im Quellenmaterial aus dem Wiener Technischen Museum die Altmütter-Sammlung des Politechnischen Institutes von 1847 aufgezeigt wird. Der Vergleich einiger alter Werkzeuge, die im Ahnenspiegel in 200 kurz beschriebenen Ahnenberufen vorkommen, mit den heutigen automatischen Hilfsgeräten, wird jeden Leser der Diplomarbeit von den technischen Neigungen des Diplom-Verfassers überzeugen. Da es einen Mangel an Studienabgängern mit guten Deutschkenntnissen plus technischen Diplomarbeiten gibt, ist im Augenblick eine Anstellung in der Industrie wahrscheinlicher, als bei Nachweis von Spezialkenntnissen in nur einem Arbeitsbereich.
Schön und nützlich sind die komplexen volkskundlichen Arbeiten als Ergebnisse der gründlichen Erforschung eines Berufszweiges, wie z.B. des der Blaufärber, Kunstdrucker, Glasbläser, Korbflechter usw., sie haben jedoch allesamt den Mangel der Einseitigkeit, der unzeitgemäßen Spezifizierung und sind damit nicht geeignet als Bewerbungsunterlagen in einem modernen Betrieb. Dagegen können solche Diplomprojekte, die ein breites Interesse an allgemeinen technischen Vorgängen und die offene Lernbereitschaft, sich in globaler Entwicklung weiterzubilden, als äußerst positiv gewertet werden.
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