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Zeitung << 1/2010 << Die ungarischen Germanistikstudierenden in jungen deutschen Augen
Die ungarischen Germanistikstudierenden in jungen deutschen Augen
Deutsche Praktikantinnen in Szeged im Gespräch
Autor: András Horváth
Im Sommersemester 2010 empfing die Germanistik in Szeged zwei Studentinnen von der Universität Göttingen. Unter der Betreuung von Dozent/innen des Lehrstuhls für Germanistische Linguistik haben sie ein vier- bzw. fünfwöchiges Praktikum gemacht. Irina Wehmeier war an der Uni tätig, hier hat sie Seminare gehalten. Annika May absolvierte ihr Unterrichtspraktikum an einer Schule. Anlässlich ihres Aufenthaltes bei uns habe ich sie aufgesucht und mit ihnen ein Interview über ihre Erfahrungen geführt.
Irina und Annika, schön dass ihr in Szeged seid! Jedes Jahr fahren mehrere Studierende im Rahmen der Mobilitätsmöglichkeiten zwischen den Germanistischen Instituten von Szeged nach Göttingen. Diesmal ist es umgekehrt passiert. Ihr studiert nämlich beide Germanistik an der Universität Göttingen. Wie schließt sich dieses Praktikum eurem Studium an?
I: Ich studiere Germanistik und Geschichte im alten Studiengang auf Magister. Die Germanistik in Göttingen besitzt auch eine Abteilung für Interkulturelle Germanistik, die wiederum eine Zusatzqualifikation für Deutsch als Fremdsprache anbietet. Zwei Semester lang habe ich dazu Seminare belegt und schließe das ganze nun mit diesem Praktikum ab.
A: Ich studiere in Göttingen Germanistik und Philosophie auf Lehramt und brauche dieses Praktikum für meinen Studiengang. Normalerweise hätte ich das Praktikum an einer deutschen Schule machen müssen. Aber ich habe netterweise eine Sondererlaubnis bekommen, weil ich gerne im Master Interkulturelle Germanistik studieren möchte und darum hat ein Auslandspraktikum mehr Sinn.
Ihr habt erwähnt, dass ihr dieses Praktikum auch zu Hause hättet absolvieren können. Wie kam die Idee nach Szeged zu kommen?
I: Ich lerne schon seit drei Semestern Ungarisch und deswegen dachte ich, ich möchte dieses Praktikum in Ungarn machen. Auf diese Möglichkeit in Szeged sind wir durch Tamás Kispál aufmerksam geworden. Er war vor einigen Monaten in Göttingen und hat für die Uni Szeged Werbung gemacht.
A: Ich wollte eigentlich mit Erasmus weggehen. Es war bei mir aber etwas unsicher, weil ich im nächsten Jahr meinen Master mache und noch nicht weiß, an welcher Uni. Dieses Praktikum in Ungarn kam ganz spontan. Horst Liedtke, der an der Uni Göttingen für Erasmus-Angelegenheiten mit der Szegeder Germanistik zuständig ist, hat gesagt, dass es in Ungarn möglich ist. Und so bin ich in Szeged gelandet.
Im Rahmen des Lehrpraktikums wart ihr zum einen an der Uni, zum anderen im Deák-Ferenc-Gymnasium in Szeged tätig. Welche Aufgaben habt ihr gehabt?
I.: Ich war hier am Lehrstuhl für Germanistische Linguistik. Ich habe mir verschiedene Seminare angesehen. Dann habe ich eine Stunde bei Marco Winkler in seinem Musikseminar und eine Stunde bei Orsolya Rauzs gehalten. Herr Kispál war unser Ansprechpartner hier an der Uni, wenn wir Fragen hatten, haben wir uns zuerst an ihn gewendet. Von der pädagogischen Seite haben wir von Katalin Petneki viel Hilfe bekommen.
A: Ich habe Deutschstunden im Deák-Ferenc-Gymnasium gehalten, an der Uni habe ich nur hospitiert. Ich musste dabei aufpassen, dass die Seminare möglichst gut in mein Praktikum passen. Zum Beispiel, dass DaF für mich als angehenden Deutschlehrerin nicht zu linguistisch wird, sonst wird das mir dann zu Hause nicht anerkannt. In der Schule hatte ich eine Mentorin, Frau Ildikó Sóti. Mit ihr habe ich zusammengearbeitet. Ich habe Stunden in der neunten und zwölften Klasse beobachtet. Die Schüler in der zwölften bereiten sich gerade auf die Sprachprüfung B2 vor. Bei ihnen habe ich einmal in der Woche unterrichtet.
Ihr habt in diesen paar Wochen bestimmt viele Erfahrungen gesammelt, und ihr konntet auch zwei Altersklassen bzw. Bildungstypen vergleichen. Wie war die Einstellung und die Mitarbeit der Studierenden und der Schüler/innen?
I: In den Seminaren ist mir aufgefallen, dass die Studenten nicht so viel diskutieren. Das ist auch für den Dozenten eine blöde Situation, wenn er keine Antwort bekommt. Wir haben jetzt sowohl die Sicht als Student als auch als Dozent. Daher denken wir selbst im Seminar, ich sage eher etwas, weil ich die Lage des Dozenten schon nachvollziehen kann. Davon abgesehen waren die Studenten sehr nett zu uns und es hat alles gut geklappt.
A: Im Vergleich mit der Schule sind die Studenten echt unmotiviert. Ich denke, die Schüler kann man leichter zum Reden bringen und es scheint ihnen auch Spaß zu machen. Ich gehe davon aus, wenn man Germanistik studiert, muss man sich dafür interessieren. In den Seminaren hatte ich oft das Gefühl, dass es gar nicht der Fall ist. Auch wenn eine ganz einfache Frage gestellt wurde, saßen alle da und keiner sagte etwas. Erst musste sie der Lehrer darauf aufmerksam machen, dass in der Note auch die Aktivität mit einbezogen ist, und dann erbarmte sich irgendwer. Es gilt aber nicht für alle Kurse, es gab einige, wo die Studenten ganz motiviert waren.
Kann man mit den Schülern in dieser Hinsicht besser zusammenarbeiten?
A: Das Prinzip scheint auch in der Schule nicht anders zu sein. Es gibt da nämlich sehr wenig mündliche Noten, deshalb haben die Schüler Probleme mit dem freien Sprechen. Zu einem bestimmten Thema können sie viel sagen, aber eine spontane freie Diskussion ist nur schwer realisierbar. Das kann auch der Grund dafür sein, dass man sich als Student nicht so viel meldet, da man das von der Schule nicht kennt.
Ihr hattet in Szeged die Möglichkeit, das Germanistikstudium und das Deutschlernen im Ausland kennen zu lernen. Könnt ihr einige Elemente hervorheben?
I: Ich habe hier viele Erfahrungen gesammelt. Bei uns enthält zum Beispiel das Germanistikstudium keinen exakten Grammatikunterricht oder keine Sprachübung, weil man das bei Muttersprachlern nicht braucht.
A: Ich fand vor allem den Unterschied zwischen dem Unterricht an der Uni und in der Schule interessant. Ich freue mich, dass ich auch erfahren konnte, was für Schwierigkeiten Nichtmuttersprachler mit der deutschen Sprache haben.
Könnt ihr euch die Zukunft nach dem Studium im Ausland vorstellen?
I: Ich kann mir sehr gut vorstellen ins Ausland zu gehen, und deswegen habe ich auch mit dieser DaF-Qualifikation angefangen. Mit Germanistik und Geschichte hat man ja eher bescheidene Möglichkeiten, und davon erwarte ich mehr Chancen in der Zukunft.
A: Ich war schon ein Jahr lang in Australien und es hat sich herausgestellt, dass ich mit meinen Studienfächern im Ausland nur schwierig zurechtkommen kann. Ich wollte aber nicht wechseln, weil ich das gerne mache. Das DaF-Studium ist eine gute Möglichkeit, später woanders zu arbeiten.
Wie schon erwähnt, habt ihr gerade einerseits die Rolle der Lehrerin kennen gelernt, andererseits seid ihr selbst noch Studentinnen. Habt ihr hier Kontakte auf beiden Seiten aufgebaut?
I: Mit den Studenten leider eher wenig. Ich wundere mich, dass sich die Studenten nicht einmal dann gerne mit einem unterhalten, wenn sie das nicht im Seminarrahmen tun müssen. Wir haben uns aber sehr gefreut, dass es eine Studentin gab, die sich in dieser Zeit um uns gekümmert hat. Sie hat uns hier alles gezeigt und erklärt, und das war wirklich sehr nett von ihr.
A: Ich finde eigentlich schade, dass wir zu den Studenten sehr wenig Kontakt gefunden haben. Es ging nur, wenn man sie direkt angesprochen hat. Nur einige sind auf uns zugekommen und haben gefragt, was wir hier machen und warum wir hier sind. Sie waren wirklich nett, aber es waren eher Ausnahmefälle. Ganz anders war es aber seitens der Dozenten, die alle sehr nett zu uns waren.
Habt ihr selbst Kontakte initiiert und Anregungen gegeben?
A: Wir haben zum Beispiel einen Filmabend organisiert, der aber bei den Studenten gar kein Interesse gefunden hat. Es ist keiner zu der Veranstaltung gekommen, was ich sehr schade finde. Wir dachten, dass es eine gute Möglichkeit ist, sich außerhalb der Uni näher kennen zu lernen, aber dann haben wir das gelassen.
Wie würdet ihr kurz euren Aufenthalt in Szeged beurteilen?
I: Abgesehen vom Wetter und unserer abenteuerlichen Ankunft in Szeged hat es uns im Großen und Ganzen Spaß gemacht. Die Stadt ist wunderschön, und nach ein paar Tagen kamen wir hier schon gut klar.
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