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Zeitung << 2/2009 << Gedichtsschreiben auf eigene Faust
Gedichtsschreiben auf eigene Faust
Unterrichtserfahrungen im Petõfi-Sándor-Gymnasium in Mezõberény
Autor: András Horváth
Anlässlich unseres Besuchs im Petõfi-Sándor-Gymnasium (PSG) in Mezõberény haben wir uns nicht nur mit Lehrern und Schülern unterhalten, sondern wir konnten auch einige Stunden besuchen und beobachten. Unser Tagesprogramm hat Szilvia Lajkóné Hajdu, ehemalige Germanistikstudentin an der Uni Szeged und zur Zeit Lehrerin im PSG, schon im Voraus zusammengestellt. So erwarteten uns bereits einige Klassen. Das bedeutet aber nicht, dass der Unterricht wegen unseres Besuchs anders gestaltet wurde. Wir haben eine deutsche Zivilisationsstunde beim muttersprachlichen Lehrer Wolfgang Marek besucht.
Zivistunde in Mezõberény
Ankunft in einer zwölften Klasse des Petõfi-Sándor-Gymnasiums. Die Schüler blicken uns interessiert an, einige erkennen uns sogar wieder. Wir haben sie nämlich zufällig schon auf der Fahrt nach Mezõberény im Bus getroffen und ich habe aus reinem Zufall ausgerechnet sie nach dem Weg zur Schule gefragt. Wir nehmen Platz in den hinteren Reihen, und die Stunde beginnt. Diesmal geht es um Gedichte.
Als Auftakt zeigen zwei Schülerinnen Bilder, die sie selbst gezeichnet haben. Sie haben die Gedanken von der letzten Stunde zu Hause weitergeführt. Der nächste Schritt: Arbeit mit modernen Gedichten. Der Lehrer teilt die Schüler in drei Gruppen ein. Jede Gruppe soll sich ein Gedicht auswählen und bearbeiten. Das heißt, die Schüler sollen ihm einen Titel geben, die fehlenden Wörter nach eigenem Geschmack ergänzen oder die Zeilen ordnen. Ich bin sehr gespannt, ob sie diese Aufgabe überhaupt lösen wollen, und wenn ja, wie. Viele Schüler in diesem Alter sind ja gegen solche Herausforderungen, sogar in einer Fremdsprache.
Ich lausche während der Zeit und höre von den Gruppen vielversprechende Ideen. Die Zeit ist um, die Schüler präsentieren ihre Werke. Es sind Kriegsgedichte mit schweren Inhalten, motiviert von den grausamen Erfahrungen des zweiten Weltkrieges. Themen, die diese Schüler nur vom Geschichtsunterricht und aus Filmen oder Erzählungen kennen. Werden sie die Mitteilung der Autoren nachvollziehen können? Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten. Eine Person aus jeder Gruppe liest die bearbeitete Form vor. Das neue Gedicht, nach dem Geschmack der Schüler umformuliert, klingt sehr authentisch. Der Lehrer liest die Originalversion zum Vergleich vor, aber auch die eigenen Lösungen können die Stimmung der Gedichte treu wiedergeben. Herr Marek ermutigt die Schüler während der ganzen Stunde und lobt ihre Kreativität. Ich bin selbst sehr überrascht, dass achtzehnjährige Schüler so motiviert sind und sich gerne mit diesen Aufgaben beschäftigen.
Nicht jeder Gymnasialschüler hat die Möglichkeit, solchen Inhalten in einer Deutschstunde zu begegnen. Das ist eine besondere Art von Deutschunterricht, die das PSG seinen Schülern bietet. Diese Stunde heißt Zivilisation, kurz „Zivi“. Das Fach beinhaltet vor allem landeskundliche Kenntnisse. Dabei lernen die Schüler unter anderem die Geographie der deutschsprachigen Länder kennen, und lernen etwas über ihre Kunst, Geschichte und Literatur.
Dazu müssen sie schon über gute Deutschkenntnisse verfügen. So wird dieses Fach erst in der elften bis zur dreizehnten Klassen unterrichtet. Es bietet auch eine gute Möglichkeit, sich dreimal in der Woche vom Alltag der Schulfächer zu entfernen und außergewöhnlichere Schulerlebnisse zu bekommen. Unterrichtet wird Zivi in jeder Klasse von Wolfgang Marek, muttersprachlichem Lektor im PSG und gilt als nützliche Ergänzung zum zweisprachigen Lernen.
Wie die Schüler die Schule erleben
Am Ende der Stunde haben wir auch einige Schüler gefragt, wie sie sich in dieser Schule fühlen. Ihre Meinung war eindeutig positiv. Julcsi hebt hervor, dass die Lehrer sehr nett sind und viel helfen, wenn man Schwierigkeiten hat. Sie wohnt in dem Wohnheim, das gleich gegenüber dem Schulgebäude steht. So langweilt sie sich nie nachmittags, auch wenn sie nicht lernen muss. Sie nimmt an vielen Veranstaltungen und Aktivitäten teil, die außerhalb des Unterrichts im PSG stattfinden.
Alle Schüler sprechen in dieser Klasse hervorragend Deutsch. Zu meinem Lob hat Julcsi bemerkt, dass sie diese Sprachkenntnisse nicht nur durch die große Zahl von Deutschstunden erworben hat, sondern sie konnte noch dank der Austauchprogramme mehrmals nach Deutschland fahren. Auf die Frage, wer von ihnen später gerne Germanistik studieren will, antworteten die Schüler eher schüchtern. Eine Schülerin, Anikó, ist sich aber schon sicher, dass sie Deutschlehrerin werden möchte. Sie hat schon konkrete Pläne für die Zukunft: „Ich bewerbe mich wahrscheinlich an der Uni Szeged. Ich möchte aber während des Germanistikstudiums einige Semester in Deutschland studieren, zum Beispiel mit Hilfe von Stipendien wie Erasmus oder DAAD.“
Obwohl sie bereits nach dem ersten Jahr ein hohes Sprachniveau erreicht haben, haben die Schüler manchmal Schwierigkeiten mit dem deutschsprachigen Unterricht. Die beiden, Julcsi und Anikó, finden Geschichte am schwierigsten: „Es fällt uns manchmal sehr schwer, uns auf Deutsch auszudrücken. Deshalb ist es nützlich, dass wir das alles zuvor auch auf Ungarisch gelernt haben, bevor wir uns damit auf Deutsch beschäftigen.“
Das Unterrichtserlebnis im PSG gab mir wieder einen Beweis dafür, dass die Schüler von der Mehrsprachigkeit bezüglich ihrer Entwicklung nur profitieren können. Außerdem haben sie viel Spaß am Lernen und gehen gerne in diese Schule. Aber nicht nur sie, sondern auch die Lehrer unterrichten sehr begeistert hier. Die Atmosphäre in dieser Gemeinschaft in Mezõberény gleicht die Nachteile des Lehrerseins, v.a. die unzureichende materielle Anerkennung der Arbeit, aus. Ich könnte mir sowohl als Schüler als auch als Lehrer einige schöne Jahre in so einem Gymnasium vorstellen.
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