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Zeitung << 2/2009 << Mein zweites Zuhause


Mein zweites Zuhause
Szent Imre Studentenwohnheim in Szeged

Autorin: Zsuzsanna Majoros

Ich hatte mir vorher nie vorstellen können, dass ich einmal in einem katholischen Wohnheim leben könnte. Dass ich daran sogar Gefallen finde, fand ich damals völlig ausgeschlossen. Ich könnte die ersten negativen Assoziationen ohne Ende aufzählen: konservativ, engstirnig, streng, lustlose und verschlossene Leute. Aber seitdem ich im Szent Imre Wohnheim wohne, sind alle meine Vorstellungen von dem langweiligen christlichen Leben ins Wasser gefallen.

Die ersten Eindrücke
Bei der „Aufnahmeprüfung“ war ich völlig überrascht. Schon hier zeigte es sich, dass es nicht um ein durchschnittliches Wohnheim geht. Sie besteht nämlich nicht nur darin, dass man die nötigen Unterlagen einreicht, sondern auch aus einem gemeinsamen Wochenende. Ich musste noch vor der eigentlichen Aufnahme einen teilweise ernsten, teilweise lustigen Fragebogen mit verschiedenen Fragen und Aufgaben ausfüllen. Nachdem ich sogar erfolgreich beweisen konnte, dass das Krokodil länger als grün ist, was die letzte Aufgabe war, blieb nichts übrig, als die Einladung anzunehmen und für ein Wochenende in das Wohnheim einzuziehen.
Diese Tage haben mich schon besonders positiv beeindruckt. Ich war ständig in Verlegenheit, weil ich nicht unterscheiden konnte, wer schon Bewohner und wer potenzieller zukünftiger Bewohner sei, was eigentlich nur ein Beweis dafür ist, dass alle sich als Teilnehmer und nicht wie eine Aufnahmekommission verhalten haben. Einerseits hat dieser Einblick in das Leben des Wohnheims mir geholfen, ein Bild zu bekommen von dem, was hier von mir erwartet wird, und ebenso ist mir klar geworden, wie mein Alltag hier aussehen könnte. Anderseits hat die „Führung“ auch ihr Ziel erreicht, von mir ein komplexeres, persönliches Bild zu bekommen, und dementsprechend konnten sie sich entscheiden, ob ich hierher, in diese Gemeinschaft passe oder nicht. Ich finde diese Art „Aufnahmesystem“ sehr vielfältig und dadurch auch sehr zweckdienlich.

Einblick in das Leben im Studentenheim
Ich finde besonders interessant, dass wir, die Bewohner, prinzipiell aufgrund unserer christlichen Werte und ähnlicher Weltanschauung viele Gemeinsamkeiten haben, und trotzdem so unterschiedlich sind. Und eben durch diese breite Palette der Persönlichkeiten und durch unsere Vielseitigkeit bilden wir solch eine bunte Gemeinschaft. Was ich für wichtig halte, dass wir auch etwas für diese Einheit tun, und dass die „Verschiedenheiten“ uns nicht auseinander-, sonder umgekehrt näher zueinander führen. Die familiäre Atmosphäre, die persönlichen Beziehungen, die Sicherheit, die Offenheit, die ich hier erfahre, geben mir die Möglichkeit, mich wohl zu fühlen und mich entfalten zu können, und einfach meinen Alltag in einer ruhigen und ausgeglichenen Umgebung zu verbringen.
Ich habe nie das Gefühl aus etwas ausgeschlossen zu sein, verlassen zu sein, ich kann mich immer, egal, ob es um eine Schwierigkeit oder um einen Kummer geht, an jemanden wenden, Trost oder Ermutigung finden. Anderseits kann ich meine Freude teilen, und wenn ich jemanden anlache, wird es bestimmt mit einem freundlichen Lachen beantwortet. Von einer anderen Seite betrachtet ist es für mich auch ein großer Vorteil, dass wir hier eine größere Privatsphäre haben. Erstens werden wir nicht kontrolliert, wie man es von einer religiösen Einrichtung erwarten würde. Im Gegenteil, wir erfahren hier mehr Vertrauen. Zweitens haben wir mehr Lebensraum, im Vergleich zu einem durchschnittlichen Wohnheim. Ich mag zum Beispiel sehr, dass wir nicht in mehrere winzige Küchen „eingepresst“ sind, sondern eine riesige, trotzdem gemütliche und vor allem saubere Küche für alle haben. Diese Küche dient nicht nur dem gemeinsamen Kochen und Backen, sondern ist auch der Ort für mal tiefe, mal lockere Gespräche. Selbstverständlich trägt es dazu bei und vereinfacht die Lage, dass wir im Wohnheim insgesamt nur zu 90 sind.

Freizeitgestaltung
Unsere „Werkstätten“ bieten eine gute Möglichkeit, unsere Freizeit vernünftig zu gestalten. Letztes Jahr habe ich einen Ethikkurs besucht. Dieses Jahr verlegte ich mich auf etwas ganz anderes, auf den Tanzkurs. Dank unserer Werkstätten, gemeinsamer Veranstaltungen, Feiern und deren Vorbereitungen, der Meditationswochenenden, und unserer „Kleingruppen“, in der wir uns jede Woche treffen, sind wir nicht fremd füreinander. Ich kenne von allen den Namen, und in vielen Fällen noch deutlich mehr, weil wir uns nicht aus dem Weg gehen können und in erster Linie nicht wollen.


Die Mitbewohner erzählen

„Das Gebäude ist in einem guten Zustand. Wir haben sogar einen Garten, den wir selbst pflegen. Die kleine Gesamtzahl der Bewohner unterscheidet uns auch bestimmt von anderen Wohnheimen. Dadurch ist es hier so familiär, und deswegen haben wir tiefere Beziehungen zueinander. Und vielleicht weil wir ganz verschiedene Menschen sind, aber mit dem gleichen Ziel. Es ist auch auffällig, dass wir zum Beispiel den Direktor und alle Mitarbeiter duzen und einen unmittelbaren Kontakt zu ihnen haben. Es schadet auch nicht, dass es einen Pfarrer im Haus gibt.“ (Bogi)

„Wir sind nicht Fremde und haben einen breiteren Horizont. Unsere Gemeinschaft entsteht durch christliche Werte.“ (Bence)

„Wir haben eine Kapelle im Haus. Hier wird auch jede Woche eine Messe gehalten, und wir haben gemeinsame Meditationswochenenden. Man kann ruhig beten, ohne dass es jemandem auffällt.“ (Endre)

„Ich kann meinen Laptop ganz ruhig auf dem Flur lassen, ohne dass es gestohlen wird. Wir haben eine gemeinsame christliche Identität, die uns auch zu wertvollen Gesprächen und Freundschaften hilft. Wir haben mehr Anpassungsfähigkeit und können auf unser eigenes Interesse verzichten.“ (Dotti)

„Unser Ziel ist anders. In erster Linie wollen wir eine Gemeinschaft schaffen. Anderseits wollen wir daran arbeiten, dass die Bewohner des Wohnheims nach den hier verbrachten Jahren zu christlichen Intellektuellen gehören können. Deswegen sind unsere Schwerpunkte – neben Gemeinschaft – das aktive seelische Leben und die fachliche Entwicklung. Unsere Programme und eigentlich alles richtet sich in dem Wohnheim danach.“ (Paffy – Wohnheimdirektor Zoltán Pálfai)

„Wir haben keinen Pförtner. Man fühlt sich nicht überwacht. Die Führung vertraut uns, wir dürfen alle unsere Freunde zu Besuch einladen. Das zeigt Offenheit und Vertrauen. Für mich ist es besonders wichtig, dass wir die großen Feste auch gemeinsam feiern, und dass wir auch schon bei den Vorbereitungen mitmachen.“ (Bogi)