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Zeitung << 2/2009 << Künstlerischer und gastronomischer Genuss
Künstlerischer und gastronomischer Genuss
Ein erneuter GeMa-Besuch auf der Gerescher-Tanya
Autoren: Anna Angyalka Lukács, Zoltán Tóth
Unsere wiederholte Reise nahm ihren Anfang am Mars Platz in Szeged, wo sich das GeMa-Team am 26. September 2009 in aller Frühe traf. Einige von uns waren noch etwas müde, weil sie schon eine Anreise hinter sich hatten, aber die Vorfreude auf einen schönen gemeinsamen Tag machte doch alle munter. Nach einer angenehmen Busfahrt wartete schon der immer lächelnde Konrad Gerescher auf uns.
Er und sein Sohn waren so nett, dass wir nicht zu Fuß die Reise zur Gerescher Tanya1 antreten mussten. Sie fuhren uns mit ihren Autos hin. Mit dem Ko-Ma Hof hat sich das Gerescher-Ehepaar den Traum vom eigenen Zuhause erfüllt, wo sie beide in Ruhe ihren künstlerischen Ambitionen freien Lauf lassen können. Er durch Sprache, sie durch Farben und Formen.
Der Volkskundler Konrad Gerescher
Konrad Gerescher steht schon lange in Beziehung zum Institut für Germanistik der Universität Szeged. Ab Mitte der Neunziger hielt er Vorlesungen in dialektologischen Seminaren und ist ein bedeutender Unterstützer des GeMa. 2001 gründete er das Deutschforum, das auch im Internet erreichbar ist, und den Besuchern viele interessante Artikel und alte Bilder zu volkskundlichen Themen zu bieten hat (www.deutschforum.hu). Eines seiner letzten und wohl bemerkenswertesten Publikationen ist das Werk „So Gesehen. Schalkhaftes Lexikon politischer, gesellschaftlicher und ungarndeutscher Begriffe“, das er der Szegeder Germanistik widmete. Wer Ironie und Zynismus mag, kann in diesem Band in ein Paradies eintauchen. Von „Abgabeordnung“ über „Geiselnahme“ bis „Zollunion“ reiht Herr Gerescher alles – mehr oder weniger – Verhöhnbare auf und beschreibt es in mal bitterem, mal humorvollem Ton. Zwischen den Zeilen ist die ganze Lebenserfahrung eines Mannes lesbar, der viel erlebt hat (siehe unseren Rahmentext).
Schon an der Straße gibt es einen Wegweiser auf einem Stamm, welcher Weg zur Tanya führt. Für einige von uns war es das erste Mal, aber es gab auch Gruppenmitglieder die schon an einem Besuch im April 2007 teilgenommen haben (vgl. GeMa 1/2007: Wo befindet sich Csólyospálos?). Sie berichteten uns im Vorfeld, welche Kunstwerke Maria Gerescher erschuf, die wir auch später auf ihrem Grundstück besichtigen konnten. Beim Eingangstor sammeln sich die ersten Statuen, die sich entlang des Weges aneinander reihen. Es gibt zahlreiche historisch und politisch veranlagte Kunstwerke, die uns aber erst nach dem Mittagessen gezeigt und erklärt wurden. Es ist schon faszinierend, wie viel Wissen, Erfahrung und Kultur sich in einem so eher abgelegenen Hof sammelt!
Nachdem wir von unserer Gastgeberin begrüßt wurden, führte sie uns zu dem im Garten gedeckten Tisch, was eine sehr gute Idee war, denn so konnten wir uns neben dem fabelhaften Mittagessen auch an der Natur erfreuen, und vielleicht einen der letzten Sommertage zusammen genießen. Herr Gerescher hat uns vor der Suppe noch aus eigenen Früchten gemachten Pálinka2 angeboten, den wir ohne zu zögern mit Freude annahmen. Und wieder hat sich herausgestellt, dass doch nichts über den guten Pálinka des Hauses geht! Eine praktische Seite hatte diese Geste auch, unsere Redakteure wurden nämlich auf einmal viel gesprächiger! Das Mittagessen bestand aus mehreren Gängen, an dem selbst unser treuer Vegetarianer Sándor Török seine Freude fand. Er konnte auch aus einem Drei-Gänge-Menü wählen. Der Hauptgang wurde sogar auf der Tanya großgezogen, bevor er zu Birkapörkölt3 wurde. Als Dessert gab es mehrere verschiedene Torten, aber den größten Erfolg hatten die Hókiflis4.
Die Künstlerin Maria Gerescher
Nachdem wir das großzügige Mahl beendet hatten, zeigte uns Frau Gerescher ihre Kunstwerke, die fast alle eine interessante Geschichte zu erzählen hatten. Eines ihrer neusten Meisterwerke ist „Die Mauer des 20. Jahrhunderts“. Sie beinhaltet alle wichtigen Ereignisse dieses historisch gesehen wohl sehr bedeutenden Zeitalters aus der ungarischen Geschichte. Ich möchte hier nur ein paar Namen aufzählen wie zum Beispiel Béla Kun oder Miklós Horthy, aber auch einen kleinen Jungen der von seinem Direktor in den Selbstmord getrieben wurde und den seine Kameraden wegen seiner „schändlichen“ Tat einfach vergessen sollten. Nicht einmal eine Blume durften sie auf sein Grab legen. Die Künstlerin stellte auch ihm ein Andenken.
In einem Ausstellungsraum gibt es ein Bild, das sich für mich von den anderen hervorhob. Dieses war eine Nonne mit einer Kalaschnikow. Sie musste das tragische Schicksal erleiden, von einem russischen Soldaten ermordet zu werden. Das Bild hat eine sehr lange und interessante Geschichte, es reiste schon mehrmals von Museum zu Museum. Es gab noch Bilder von dem für diese Gegend berüchtigten Betyáren5 Sándor Rózsa, beziehungsweise Zeitungsausschnitte über seine Nachfahren, aber auch die Anzeige über sein Kopfgeld.
Nach der Führung, hat uns Herr Gerescher über drei seiner Werke berichtet. „Das Schalkhafte Lexikon“ und „Der Batschkaer Ahnenspiegel“ sind schon erschienen. Es war eine große Ehre, dass er ein Paar Exemplare an uns verschenkt hat und diese auch signiert hat. Er hat uns auch von seinem neusten Werk, „Die Katze von Links“ erzählt. Darin geht es um die Aberglauben, die die Menschen und besonders die Ungarn schon seit langem beherrschen. Auf unsere Frage hin, welche für ihn der interessanteste Aberglaube in Ungarn sei, antwortete er: die Hexen. In Ungarn gab es die letzten Hexenverbrennungen in ganz Europa, bis zur Zeit Maria Theresias.
Unvergesslich während unseres Besuches bei den Gereschern war noch ein Predigtbuch für Frauen aus 1617, das Frau Gerescher aufbewahrte und uns auch zeigte. Wir hätten uns nicht erhofft so einen Schatz zu sehen. Unsere Redakteurinnen wollten das wertvolle Buch gar nicht mehr aus den Händen geben.
Wir wurden in Csólyospálos nicht nur herzlich empfangen, wir konnten sowohl physische als auch geistige Nahrung zu uns nehmen, dank der Familie Gerescher. Die ganze Gruppe freut sich schon auf das nächste Wiedersehen auf der Ko-Ma Tanya (von Konrad und Maria Gerescher).
1Tanya: Hof abseits der Stadt
2Pálinka: hochprozentiges Alkoholgetränk aus gegärten Früchten.
3Birkapörkölt: aus Schaf zubereitetes, dem Gulasch ähnliches Gericht, das mit Paprika stark gewürzt und meist in einem Kessel zubereitet wird.
4Hókifli: kleines, hufenförmiges Gebäck mit Nuss- oder Marmeladenfüllung, dick mit Puderzucker bestreut
5Betyár: im 18. und 19. Jh. Räuber, die mit Pferden durch die Region zogen und zuerst negativ bewertet, dann aber zu Nationalhelden erdichtet wurden
Auszug aus: Konrad Gerescher: So gesehen. Schalkhaftes Lexikon politischer, gesellschaftlicher und ungarndeutscher Begriffe. Szeged 2009. 155 Seiten.
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Beliebter Babysitter, der den Vorteil hat, dass er seinen Schützling wegen schlechten Benehmens nicht bestraft.
Neueste C. sind auch von Analphabeten und Kindern im Vorschulalter leicht zu bedienen, was allemal eine große Erleichterung den Erziehern beschert, überhaupt, wenn es sich um hyperaktiven Nachwuchs handelt.
DEMOKRATIE
Gesellschaftsform, die von sich behauptet, dass sie die beste ist und die sich vorgenommen hat, das auch jenen zu beweisen, die sich für noch besser halten.
Nur im Idealfalle ist eine D. als Gesellschaftsform beispielhaft. Und weil dieser Zustand nur selten zu erreichen ist, hat z.B. auch unsere westliche Art in manchen Erdteilen wenige Nachahmer.
GERMANISTIK
Sammlung von Schutzmitteln gegen Fledderer an der deutschen Sprache.
Eines der Schutzschilder, mit dem sich manche Professoren der G. die eigenwilligsten sprachlichen Auslegungen erlauben, ist ihr Ruf, bereits eine germanistische Veröffentlichung vollbracht zu haben. Das ist, als ob man sich einem Bergführer in ein unwegsames Gebirge lieber wegen seines Rufes als wegen seiner Ortskenntnis anvertrauen würde.
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