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Spiegel der Gegenwart
Fritz Hochwälder: Das heilige Experiment

Autor: Árpád Miskolci

„Das heilige Experiment“ ist ein Geschichtsdrama von Hochwälder, welches - wie viele andere - heutzutage noch aktuell ist. „Das heilige Experiment“ ist eigentlich ein politisches Drama, aber der Autor hat die Geschichte auf eine seelische Ebene gehoben. Dieses Thema stand Hochwälder nah, da er Geschichte und Politik in einer Volkshochschule in Österreich studiert hatte. Sein eigenes Leben war im Übrigen auch spannend: Er widersetzte sich den Nationalsozialisten und flüchtete nach dem Anschluss Österreichs durch den Rhein in die Schweiz.
Im Zentrum seines Dramas steht ein so genannter „Fürsorgestaat“ in Süd-Amerika, den die Jesuiten-Missionare in Paraguay gegründet haben. Das Grundprinzip dieses Staates basierte nicht auf Zwang – die indigenen Stämme konnten freiwillig eintreten, sich taufen lassen, mit den anderen zusammenarbeiten und alle Produkte und das Geld untereinander gerecht verteilen. Dieser Jesuitenstaat war eigentlich ein „Paradies“, weit weg von Europa, weit weg von der damaligen Kirche.
Don Miura, ein Abgesandter aus dem spanischen Mutterland, hatte die Aufgabe, den Vorwurf des Königs dem Provinzial des Jesuitenstaates auszurichten. Aus Neid bezichtigte der spanische König die Jesuiten verschiedener Sünden: Sie würden die indigenen Stämme unterdrücken, die Naturschätze ausbeuten und Wucher treiben. Diese Anklagen waren aber absolut grundlos.
Die Urbewohner wollten ihren Staat nicht aufgeben und kämpften gegen die fremde Macht, die ihr Paradies wegnehmen wollte. So kommt in der Geschichte eine Schießerei vor, bei der der Provinzial verletzt wurde und an deren Folgen er später auch starb.
Diese Tragödie ist auch im 20. und 21 Jahrhundert noch aktuell. Die verschiedenen Interessengruppen kämpfen miteinander und wer die wirkliche Macht und das Geld hat, erträgt Versuche einer besseren neuen Welt nicht. Das hat auch Fritz Hochwälder damals erlebt, als er aus seiner Heimat fliehen musste und heute läuft es auch nicht anders, egal ob wir zum Beispiel an die Nationalsozialisten oder an die Kommunisten denken. Die Großmächte wollen die Kleineren immer versklaven und ausbeuten.
Ich kann jedem empfehlen, Geschichtsdramen zu lesen, weil sie immer ein Spiegel der heutigen Welt sind. Robert Menasse, ein zeitgenössischer österreichischer Schriftsteller, der 2008 auch eine Lesung im Grand Café in Szeged gab (vgl. GeMa 2/2008: Robert Menasse in Szeged), sagte einmal, dass Geschichtsdramen ein solcher alter Spiegel sind, der uns immer das aktuellste Bild zeigt. Wenn man vor diesem antiken Spiegel steht, sieht man immer die Gegenwart, obwohl der Spiegel so alt ist!