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Zeitung << 2/2009 << Liebesgeschichte und das Dritte Reich
Liebesgeschichte und das Dritte Reich
Der Vorleser
Autor: Zoltán Tóth
Der Film aus dem Jahre 2008 basiert auf dem Roman von Bernhard Schlink, in dem sich unter anderem die Frage aufwirft, wie man mit den Tätern des Dritten Reiches umgehen sollte. Eine andere Frage ist, welche Wirkung ein einziger Sommer mit einer Frau auf das ganze Leben eines Mannes haben kann.
Ich habe viel von dieser Verfilmung erwartet, aber am Anfang wurde ich leicht enttäuscht. Der Film beginnt mit einem kranken jungen Mann. Er trifft auf eine Frau mittleren Alters, und schon bei ihrer ersten Begegnung verliebt der Junge sich in die Frau, die ihn wieder nach Hause zu seinen Eltern bringt. Dieser Film hat mein Interesse geweckt, weil er einen historischen Hintergrund hat. Ich habe kein Werk auf dem Niveau von Schindlers Liste erwartet, aber bis zu diesem Punkt schien der Film wie eine plumpe Liebesgeschichte. Diese Annahme wird auch bestätigt, es kommt zu einer innigen Beziehung zwischen den Beiden. Ein Ritual, dessen Wichtigkeit dem Zuschauer erst später klar wird, ist, dass der Junge der Frau immer aus seinen Büchern vorliest. Das Interesse des 15jährigen Michael Berg schwankt an der 36 Jahre alten Schaffnerin Hanna Schmitz, als eine neue Mitschülerin sich in ihn verliebt. Zuerst möchte Michael diese Liebe erwidern. Als ihm aber klar wird, dass er dadurch Hanna verlieren würde, läuft er zu ihrer Wohnung. Die Wohnung ist aber schon leer. Sie hat Angst, dass ihre Vergangenheit aufgedeckt wird, deshalb verlässt sie alle paar Jahre ihre Wohnung und ihren Job, um neu anzufangen. Aber sie sah auch ihren kleinen Verehrer mit seiner Mitschülerin rumturteln. Nach dem Verlust seiner großen Liebe versucht Michael, sie so gut es geht zu vergessen. Er schließt die Schule ab und beginnt Jura zu studieren.
An diesem Punkt wurde mir klar, wie komplex dieser Film doch ist und dass meine voreiligen Annahmen bezüglich der Story ganz und gar falsch waren. Als Mitglied einer Spezialklasse fahren er und seine Mitstudierenden zu einem Prozess. Dabei geht es darum, dass sechs Wärterinnen nach einem Todesmarsch 300 Juden in einer Kirche eingeschlossen haben, und als diese anfing zu brennen, die Türen verschlossen haben. Alle außer einer Frau und ihrer Tochter sterben. Hier wird die Frage gestellt, wie sich die nächste Generation zu den Verbrechern des Nationalsozialismus zu verhalten hat. Die Studenten setzen sich damit auseinander, als Michael die Frau erblickt, die sein Leben dermaßen bestimmt hat. Die Geschichte nimmt ab hier einen Verlauf, den ich nicht vermag niederzuschreiben. Jeder sollte es mit seinen eigenen Augen sehen. Selbst das Ende ist ein Beispiel dafür, wie ein Film beim Zuschauer das Gefühl hervorrufen kann, selbst nachdem er aus dem Kino gegangen ist oder den Fernseher ausgeschaltet hat, weiter über die Problematik des Filmes nachdenken zu wollen.
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