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Zeitung << 2/2009 << Von Rezeption zu Redewiedergabe


Von Rezeption zu Redewiedergabe
Eine zweitägige Vortragsreihe von Cathrine Fabricius-Hansen in Szeged

Autoren: Róbert Lessmeister, Zoltán Tóth

Cathrine Fabricius-Hansen, mit der für dieses Heft ein Extrainterview geführt wurde, hat sich schon vor zwei Jahren dem linguistisch interessierten Publikum in Szeged vorgestellt. Anlass war damals die Tagung des internationalen Forschungsprojekts EuroGr@mm. Auf Einladung des Lehrstuhls für Germanistische Linguistik machte Frau Fabricius-Hansen im Oktober 2009 wieder einen fünftägigen Besuch nach Szeged, um hier zwei interessante Vorträge zu halten. Diesmal konnten wir leider nur einen sehr kurzen Auszug aus ihren umfangreichen Forschungsergebnissen hören. Beide Vorträge wurden von Péter Bassola eröffnet, der die Laufbahn und die Verdienste der Eingeladenen schilderte.

Deutsch als Fremdsprache rezeptiv: Zum Leseverstehen aus kontrastiver Sicht
Der erste Vortrag fand am 7. Oktober 2009 im Gebäude der ungarischen Akademie der Wissenschaften in Szeged statt. Zahlreiche Angehörige des Instituts für Germanistik, sowie einige Studierende, die an diesem faszinierenden Vortrag Interesse hatten, waren erschienen.
Den Zuhörern wurden an Hand mehrerer Beispiele dargestellt, welche Verständnisprobleme man beim Lesen eines fremdsprachigen Textes haben kann. Das Norwegische wurde mit dem Deutschen auf der Satzebene verglichen. Da stellten sich schon die ersten Unterschiede heraus. Während das Norwegische, (wie auch das Englische) eine feste Position für das Subjekt hat, kann es dagegen im Deutschen variabel sein. Aus der weniger strengen Satzordnung im Deutschen resultieren manchmal auch Missverständnisse, wie z. B. im Satz: „Peter schenkte Sandra ein Buch“, wenn durch den Textkontext nicht eindeutig gemacht wird, wem das Buch geschenkt wird. Auf der anderen Seite aber wird das Gesagte im Deutschen durch die obligatorische Interpunktion oft eindeutiger als in der verglichenen Sprache zum Ausdruck gebracht. Es wurde auch die Problematik der literarischen Übersetzung angesprochen. Oft neigen deutsche Autoren zu extrem langen Sätzen, was aber die syntaktischen Regeln der Zielsprache nicht immer erlauben. Dabei müssen natürlich Kompromisse geschlossen werden.

Redewiedergabe im Deutschen (und anderswo)
Der Vortrag am 8. Oktober 2009 wurde ebenfalls im Sinne der kontrastiven Betrachtungsweise fortgeführt. Dieses Ereignis fand im Rahmen einer Lehrveranstaltung statt, so dass auch viele Studierende diesen Vortrag verfolgen konnten. Die Professorin machte hier allerdings einen großen Sprung vom Bereich der sprachlichen Rezeption gerade zu dem entgegengesetzten Prozess, nämlich der Sprachproduktion.
Sie wies unter anderem darauf hin, wie sehr die deutsche Schriftsprache an Konjunktivformen gebunden ist. Während das Norwegische und selbst das Englische nach der Wortwahl der Professorin „konjunktivlose“ Sprachen sind, ist das Deutsche an Formen reich, etwas in der Vergangenheit Geschehenes wiederzugeben. Kleine Nuancen hinsichtlich der Einstellung der zitierenden Person sind in den Kontrastsprachen nur durch Umschreibungen bzw. nicht-verbalen Partikeln wiederzugeben.
Es wurde an vielen Beispielen gezeigt, dass in den Kontrastsprachen Englisch und Norwegisch keine eindeutige Markierungsstrategie vorhanden ist. Während in letzteren Sprachen eine Kongruierung in beiden Satzteilen obligatorisch ist, ist es im Deutschen erlaubt, ja sogar vorgeschrieben, im Nebensatz Präsens zu gebrauchen, z.B. „Er hat mir gestern gesagt, dass er kein Geld hat“. Dies impliziert das Gefühl des gegenwärtig Erlebten. Ungarischen Deutschlernen ist das durchaus von Vorteil, im Gegensatz zum englischen Satz: „He said that he had no money“. Nach den vielen Formen des Zitierens, angefangen von der wortwörtlichen Redewiedergabe in Anführungszeichen bis hin zum stärksten, am meisten Distanz haltenden Konjunktiv II, wurde die Frage gestellt, durch welche Mittel, wenn überhaupt, eine Kompensation dafür in anderen Sprachen geleistet werden kann.
Kontrastive Untersuchungen haben auch den Sinn, unsere Einstellung gegenüber unserer Muttersprache zu ändern. Wenn man nicht in der Lage ist, seine eigene Sprache von der Perspektive einer Kontrastsprache zu betrachten, wird man ihrer Strukturen auch nicht vollständig bewusst.
Am Schluss wurden als Forschungsdesiderate formuliert, dass die oben gestellten Fragen in Zukunft noch durch mehr empirische Untersuchungen belegt werden sollten. Beiden Vorträgen war es gemeinsam, dass die Ausführungen der Professorin durch die vielen Beispiele selbst für einen Laien gut nachvollziehbar waren. Wir wünschen, dass Frau Fabricius-Hansen noch lange mit ihrem Dynamismus ihren Forschungen nachgehen wird.