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Zeitung << 2/2008 << Willkommen im Fassbinder-Universum
Willkommen im Fassbinder-Universum
Kino und Symposium im Grand Café
Autor: Sándor Török
Im Szegeder Grand Café, das seit mehr als zehn Jahren sein Publikum mit den verschiedensten Programmen beglückt, wurde auch diesmal eine lang ersehnte Veranstaltung aus der Zusammenarbeit des Cafés und des Budapester Goethe-Instituts ins Leben gerufen. Die Besucher hatten die Freude und vor allem die Möglichkeit vom 29.09.2008 an eine ganze Woche lang eine überraschende, manchmal schockierende, aber auf alle Fälle eine geistig weiterführende Reise ins Fassbindersche Lebenswerk zu unternehmen.
Das Ziel dieser filmischen Fahrt und des Symposions war, für das Lebenswerk und für diese außergewöhnliche schöpferische Tätigkeit erneut ein Publikum zu schaffen und es aus einer Perspektive des zeitgenössischen Kunstdiskurses zu betrachten. Und für die jüngere Generation ergab sich hier die Möglichkeit, die ersten ängstlichen Bekanntschaften mit den Fassbinder-Filmen zu machen.
Im Programm standen die bekanntesten und auch die bedeutendsten Filme seines Schaffens, wie der Katzelmacher, die Effi Briest-Verfilmung, Angst essen Seele auf, und das schwere Schicksal des Franz Biberkopfes in einer auch nicht leichten 14-teiligen Form mit dem Titel Berlin Alexanderplatz von Döblin.
Aber wo bliebe der Wert dieser Filme ohne eine autoritäre Interpretation? Die Komplexität seiner Werke, sein oft widersprüchliches Leben und die kunstgeschichtlichen Hintergründe mussten also erläutert werden. Dazu hat auch der Filmhistoriker Balázs Varga von der Budapester Eötvös-Loránd-Universität mit seinem Vortrag über den „Neuen Deutschen Film“ sehr viel beigetragen. Nach dieser interessanten Einleitung wurde die „Reise“ mit einem Dokumentarfilm über Fassbinder fortgesetzt: Ich will doch nur, dass ihr mich liebt. Und wenn dies alles jemandem nicht gereicht hat, oder wenn jemand noch offene Fragen hatte, konnte man seinen Wissensdurst bei einem abendlichen Podiumsgespräch befriedigen.
Aber warum und in welchem Zusammenhang sind die Fassbinder-Filme in der jetzigen Zeit in Ungarn aktuell? Einmal deshalb, weil diese Werke hierzulande überhaupt nicht bekannt sind und zum anderen, grob gesagt, weil Ungarn heute in mentaler, und beinah auch in historischer Hinsicht auf dem Niveau von Deutschland in den 70er Jahren steht. Das gemeinsame in den beiden Staaten und in den beiden Zeitperioden ist die so genannte Vergangenheitsbewältigung. Wir sprechen natürlich über verschiedene Vergangenheiten, aber die Aufarbeitung ist an den Kunstwerken der Epochen gut zu lesen. Und das hat auch den Neuen Deutschen Film angetrieben. Leider haben wir nur wenige eindeutige Ergebnisse darüber, was in Ungarn von der erdrückenden Vergangenheit angetrieben wird, wir haben nur die Hoffnung, dass das Nachholen der verlorenen Zeit für die Kunst nicht einen Nachholnationalismus, Faustschwingen mit Volkskunst bedeutet, sondern eine Reflexion der seit ’89 vergangenen Jahre.
So hatte auch die „Generation von Oberhausen“ seine ersten Schritte gemacht um ein autonomes Kino aufzubauen und sich von der Tradition der Propagandafilme freizumachen. Aller Anfang „war“ schwer, aber bis 1970 hat der deutsche Film seine eigene Stimme gefunden. Zwischen der neuen Welle der 60er und der Postmoderne der 80er Jahre hat sich etwas herausgebildet, was unikal deutsch war. Die Themen basierten auf der Unaufgearbeitetheit des II. Weltkrieges, die kollektive geschichtliche Erfahrung stand im Zentrum. Die Regisseure dieser Zeit haben sich auf die Probleme der Gesellschaft konzentriert, die sich aus der vergangenen Epoche ergaben. Fremdenfeindlichkeit, Aggression, Integritätsprobleme, Verweigerung der Verschiedenheit waren die Hauptmotive der Filme. Die Zukunft schien aussichtslos zu sein.
Neben seinen ebenso genialen Kollegen, wie Wim Wenders und Werner Herzog war Reiner Werner Fassbinder einer der größten Künstler der Deutschen Filmindustrie. Seine Filme sind im oben erläuterten Milieu geboren, und besitzen auch diese Merkmale. Einsamkeit, Aussichtlosigkeit, wie es im Film Die Bitteren Tränen der Petra Kant erscheint. Ali, der eine Hauptdarsteller aus dem Film Angst Essen Seele auf, muss sich als „Gastarbeiter“ in der Gesellschaft und in der Liebe zurechtfinden. Fassbinder ist aber im Jahre 1973 auch der Matrix Trilogie vorangegangen mit dem Film Welt am Draht, der eigentlich eine Verfilmung ist.
Seine reiche Filmographie ist in einer Periode zwischen 1965 und 1982 entstanden, und sein künstlerisches Schaffen bezog sich nicht nur auf die Leinwand, er hat selber in den Filmen gespielt, Serien für das Fernsehen produziert, und auch bei vielen Theatern gearbeitet. Dieses große Lebenswerk ist für jeden Filmfreund ein Muss, für Germanisten sollte es auf Rezept verschrieben werden. Die 14 Stunden lange Döblin-Verfilmung sollte man allerdings nicht auf einmal „einnehmen“.
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