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Zeitung << 2/2008 << Bertold Brecht: Die Kleinbürgerhochzeit


Bertold Brecht: Die Kleinbürgerhochzeit
Aus einem alten Brecht-Sammelband

Autor: Csaba Hegedûs

Als ich für das Übersetzungsseminar die Aufgabe bekam, mir einen Text auszusuchen, fiel meine Wahl auf Brecht, denn seine Werke sind ziemlich modern und unterhaltsam. Eine kürzere Geschichte oder ein Drama sollte es sein, dachte ich, und ich suchte in der Bibliothek das Brecht-Material.
Obwohl mehrere Verlage die Einakter von Brecht gesammelt und zusammengestellt haben, fand ich den Band aus dem Aufbau-Verlag Berlin und Weimar aus 1968 am schönsten. Der Band hatte nämlich einen adligen, auffallenden, dunkelroten Umschlag, der einen tiefen Eindruck auf mich machte. Beim Öffnen grüßt uns Elizabeth Hauptmann, Redakteurin des Bandes mit der Einleitung, aus der ich eine kleine Geschichte über die Stücke hervorheben möchte: ,,Vier der fünf frühen Einakter schrieb Brecht 1919. (...) Die Hochzeit, deren Titel Brecht später in Die Kleinbürgerhochzeit umänderte, wurde 1926 in Frankfurt am Main erstmalig aufgeführt.“ Also, Die Hochzeit ist das erste Stück im Buch, ein Drama, das nur aus einer Szene besteht, und 1919 geschrieben wurde. Es ist mein Thema geworden, und zwar aus den folgenden Gründen:
Erstens hat Brecht viele kürzere Dramen geschrieben, die für den Leser speziell dazu geeignet waren und auch heutzutage sind, einen genauen Einblick in die alltägliche Denkweise, und das Leben der deutschen Bürgerklasse am Beginn des 20. Jahrhunderts zu ermöglichen. Andererseits wird der Leser schnell selbst Beobachter jener Welt, wie in der Hochzeit, wo es sich um das Fest vor einer Hochzeitsnacht handelt. Die Charaktere enthalten Braut und Bräutigam, die Familie und Freunde des jungen Paars. Obwohl die Leute sich wenig bewegen, eher Gespräche um den Tisch führen, ist es nicht inhaltslos. Gerade da liegt Brechts Genialität, weil wir minuziös die psychischen Änderungen der Menschen nachvollziehen können, was eigentlich das Wichtigste ist. Mehrere kleine Geschichten, erzählt von dem Vater, bringen die Zeit vor.

DER VATER: Prost! Als du noch den Rock bis zu den Knien hattest, Maria, bekamst du einmal Wein zu trinken. Deinem Großvater machte es Freude. Er wollte, du solltest tanzen, aber du schliefst nur ein.

Der Zuschauer bekommt einen Einblick in die Geheimnisse und Ideen der Charaktere. Zum Beispiel benehmen sich die Gäste zuerst ein bisschen zurückhaltend, doch nachdem sie sich an ihre Umgebung gewöhnt und auch getrunken haben, werden sie offener und aggressiver.

DER BRÄUTIGAM: Es macht nichts.
DER FREUND: Ja, dem Stuhl. Es war allerdings meine beste Hose.

... DER FREUND: Den Leim, der nicht gehalten hat. Und es ist eine Unverschämtheit, seine Gäste in einen solchen Kehrichthaufen einzuladen.

Zuerst erträgt der Freund den starken Geruch des Leims und kümmert sich nicht um seine wegen des Stuhles kaputtgegangene Hose, aber später werden dieselben Erscheinungen stark kritisiert. Die Braut scheint auch nicht so unschuldig zu sein und die Möbelstücke, die der Bräutigam selbst gebaut hat, fallen auseinander. Die Stimmung ist wechselnd, eher spaßhaft, am Ende wird es aber gewaltiger und ernster.
Die Sprache der Tragikomödie ist sehr einfach und verständlich, die uns erlaubt, die moralischen Äußerungen und Gefühle der Menschen leichter zu verstehen. Leider gibt es keine Illustrationen im Band und auch keine Erklärungen oder keine intertextuellen Bezüge, die uns manchmal sehr hilfsreich wären. Das Vorwort ist ein bisschen zu kurz. Eine Zusammenfassung gibt es am Ende des Buches, trotzdem würde man mehr Hilfe zu einer solchen Sammlung brauchen.
Brecht und den Text gesehen, empfehle ich den Band allen, die ein wenig Unterhaltung und psychologische Ausflüge machen wollen. Wer neugierig ist, kann zahlreiche ähnliche Dramen in diesen Brecht-Sammlungen finden, aber diejenigen, die die Welt von Brecht besser kennen lernen möchten, sollten ihn nur als Haupttextquelle verwenden.