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Zeitung << 2/2008 << Ferienjob in Deutschland


Ferienjob in Deutschland
Leichte Verdienstmöglichkeit oder Ausnutzung?

Autor: Krisztián Mányó

„Ferienjob-Mitgliederwerbung für das Rote Kreuz in Süddeutschland. Basis 1510 Euro im Monat + Prämien, Teamarbeit, Auslandserfahrung, Karrieretraining, Soziale Kompetenz… Unterkunft, Verpflegung organisiert” – Mit dieser Anzeige hat eine österreichische Firma im Mai 2008 für diesen Job in Szeged Reklame gemacht. Auf dem Plakat stand auch eine Webseite, wo man weitere Informationen bekommen konnte. Ich schaute nach, was das eigentlich ist, und dachte mir, dass ich nichts zu verlieren habe, so melde ich mich für einen Infotermin.

Nach einigen Wochen ist ein wohlsituierter junger Mann aus Budapest gekommen, um die Infoveranstaltung in Szeged zu halten. Er hat erzählt, dass der Job wäre, täglich acht Stunden lang von Haus zu Haus zu gehen und Fördermitglieder für das Rote Kreuz (RK) und für den Malteser Hilfsdienst (MH) zu sammeln. Er hat so überzeugend gesprochen, dass wir geglaubt haben, dass wir mit diesem Job wirklich sehr viel Geld verdienen können. Tja, das hörte sich sehr gut an, in zwei Monaten fast 3.000 Euro zu verdienen, außerdem würden meine Sprachkenntnisse während meines Aufenthaltes in Deutschland erweitert, und dabei verdiene ich noch Geld, das soll mir perfekt sein. Ich habe mir darüber keine Gedanken gemacht, diese Möglichkeit nicht auszunutzen. Ich habe sofort ja gesagt.
Noch im Juni hat der Vertragstermin stattgefunden, wo neben dem Unterschreiben des Vertrags unsere Deutschkenntnisse geprüft wurden. Alle haben die gleichen Fragen bekommen, und überraschenderweise war auch die Bewertung das Gleiche: „Du kannst sehr gut Deutsch, aber das weißt du auch, dass dein Deutsch aus einem Buch stammendes Wissen ist, und die Deutschen viel schneller und unverständlicher sprechen. Und wenn du nach einer Woche nach Hause fährst, wird das dein Fehler sein und das wird bedeuten, dass du nicht ausdauernd genug bist“. Ich habe über seine Worte viel gelacht. Warum würde ich nach Hause fahren? So schlechte Erfahrungen kann ich sicherlich nicht sammeln, dachte ich. Ich habe noch nicht gewusst, was auf mich wartet. Ich habe den schon zigmal durchgelesenen Vertrag unterschrieben.

Ankunft in Deutschland
Eurowechsel, Beschaffung der Europäischen Krankenversicherungskarte, Packen und los nach Deutschland. Am 6. Juli 2008 habe ich meine Reise mit einer Germanistikstudentin, Éva Szalai nach München begonnen. Am nächsten Vormittag befanden wir uns in der bayrischen Hauptstadt. Wir haben in der Altstadt einen kleinen Stadtbummel gemacht und haben dann die Tickets für die Zugverbindung nach Aalen – Aalen ist der Sitz der GmbH – gekauft. Als wir in Aalen angekommen waren, haben uns schon zwei Mitarbeiter der GmbH auf dem Bahnhof erwartet. Viele neue Mitarbeiter waren auf dem Bahnhof zu finden, weil dieser Termin der sogenannte Hauptanreisetermin war. Wir wurden vom Bahnhof aus in das lokale Theater geliefert, wo wir nach der Registration Abendessen bekommen haben. Während wir die leckeren Speisen genossen haben, hat uns der Vorsitzende der GmbH begrüßt. Wir haben unseren Teamchef Alex kennen gelernt. Er hat uns bekannt gegeben, dass unser Einsatzgebiet Rhein-Lahn, mit der Zentrale Limburg wird, das von Aalen aus mit Auto fünf Stunden weit ist. Hier möchte ich bemerken, dass wir an diesem Punkt schon seit 26 Stunden unterwegs waren. Unser Team bestand aus sieben Personen: vier ÖsterreicherInnen, einer Ungarin und zwei Ungarn.
Gegen Mitternacht sind wir in unserer Unterkunft angekommen. Der Teamchef hat uns Informationen über den Job gegeben. Dort haben wir erfahren, dass wir anstatt der vereinbarten acht Stunden Arbeitszeit zehn Stunden pro Tag arbeiten müssen. Schon fing es schlecht an. Erst danach durften wir duschen und ins Bett, ohne ein Stück Brot bekommen zu haben.

Tagesablauf
Montag mussten wir sehr früh aufstehen, weil der lokale Kreisverband sich uns vorstellen und weitere Informationen über unser Einsatzgebiet geben wollte. Dort haben wir eine Identifizierungskarte und eine Jacke bekommen. Dann waren wir mit allen Informationen und Ausrüstung ausgestattet, um die Arbeit anzufangen. In den ersten Straßen kam der Teamchef mit uns und hat Tips gegeben, wie wir es machen müssen.
„Guten Tag! Ich bin Frau/Herr XY vom Malteser Hilfsdienst. Es geht hier um unsere Unterstützungsaktion. Wissen Sie, wir sind immer bereit, Ihnen zu helfen. Aber jetzt brauchen wir eine kleine Hilfe. Ohne Ihr Geld kann unser Verein nicht überleben. Sicherlich haben Sie eine Minute Zeit. Viele unterstützen uns, sicherlich können Sie auch mitmachen. Ich erkläre Ihnen ganz kurz, wie es geht.” – Mit diesem Vorstellungstext mussten wir die Leute ansprechen.
Nach einigen Versuchen haben wir festgestellt, dass der Job nicht so leicht wird, wie wir gedacht haben. Um 13 Uhr haben wir unsere Arbeit unterbrochen, um gemeinsam in einen Supermarkt zu gehen, um etwas zum Essen zu holen. An der Kasse haben wir erfahren, dass in den acht Euro, die wir täglich für die Verpflegung zahlen mussten, das Mittagessen nicht enthalten ist. Die anderen Kosten – das Mietauto, die Unterkunft – betrugen noch weitere 15 Euro pro Tag.
Am Nachmittag ging die Arbeit weiter. Nach einer Stunde hat es angefangen zu regnen, und ich fragte den Teamchef, ob wir weiter arbeiten müssen oder Pause machen dürften. Antwort: Natürlich muss man weiter arbeiten, ist keine Frage. Am Abend hat er uns erzählt, dass Regen für uns nützlich ist, weil die Menschen sehen, dass wir auch bei diesem Wetter ständig unterwegs sind, und sie werden deswegen mehr Mitleid haben. Die Leute haben uns zahlreiche Einwände geäußert, um nichts geben zu müssen. Die beliebtesten Ausreden waren die folgenden: „Mein Mann/Meine Frau ist nicht zu Hause, habe kein Interesse / keine Zeit, ich unterstütze schon drei Vereine, oder sogar: Hauen Sie ab.” Ich kann die Menschen völlig verstehen, denn ich würde an ihrer Stelle auch nicht gerne meine Kontonummer angeben. Einige wollten Bargeld geben, was wir nicht annehmen durften. Es gab Menschen, die schon seit Jahren Fördermitglieder waren, trotzdem mussten wir sie auch aufsuchen, um die Spende zu „aktualisieren”. Ich finde es einfach frech, noch mehr Geld von regelmäßig spendenden Leuten zu fordern. Man muss einsehen, dass auch in Deutschland viele arme Menschen leben, die im Alltag genug Probleme und Zahlungspflichten haben, statt noch eine zusätzliche Last auf sich zu nehmen.
Pünktlich um 21 Uhr holte uns der Teamchef am vereinbarten Ort ab. Auf dem Nachhauseweg hat er uns gefragt, wie unsere Erfahrungen sind, wie die Leute auf unsere Besuche reagiert haben. Zu Hause haben wir gemeinsam das Abendessen vorbereitet und dann gegessen. Nach einer halben Stunde Pause kamen die so genannten Einzelgespräche, wo wir allein mit dem Teamchef noch mal unseren Tagesablauf durchgesprochen und bewertet haben. Nach diesen Besprechungen mussten wir Situationsübungen machen, d.h. das ganze Vorstellungsgespräch miteinander vorführen, und wir haben dabei vom Teamchef Tips bekommen, wie wir es besser machen und die Menschen effektiver überzeugen können. Ein schnelles Bad und wir haben uns gegen 2 Uhr nachts im Bett gefunden. So ging es von Tag zu Tag.

Ende des Sommerjobs
Die Österreicherinnen haben nach einem Tag diesen Job aufgegeben. Nach einer Woche haben wir auch eingesehen, dass dieser Job nichts für uns ist, und wir haben uns entschlossen, damit aufzuhören und nach Hause zu fahren. Wir haben eine halbe Stunde bekommen, unsere Sachen einzupacken und kurz darauf waren wir schon am Bahnhof von Limburg. Müde und mit viel weniger Geld traten wir die Heimreise an.
Als Erfahrung war diese Jobmöglichkeit sehr gut. Aber ich habe geschworen, dass ich nie im Leben so etwas machen werde. Würde ich doch jemandem diesen Sommerjob empfehlen? Die kurze und knappe Antwort wäre: Ja. Warum? Wer nicht essen, nichts verdienen und mit ablehnenden Menschen kommunizieren möchte, muss unbedingt dabei sein. Ich wünsche viel Erfolg bei dieser Arbeit!