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Zeitung << 2/2008 << Robert Menasse in Szeged


Robert Menasse in Szeged
Lesung im Grand Café

Autor: Mihály Arany

Robert Menasse, österreichischer Schriftsteller hielt am 2. Dezember 2008 eine Lesung im Grand Café. Der Name von einem der berühmtesten Vertreter der zeitgenössischen österreichischen Literatur ist auch für das ungarische Lesepublikum nicht unbekannt. Dieses Frühjahr nahm Menasse nämlich am Internationalen Buchfestival in Budapest anlässlich der Erscheinung der ungarischen Übersetzung seines Romans Die Vertreibung aus der Hölle teil. Attila Bombitz, Dozent des Instituts für Österreichische Literatur und Kultur moderierte den Abend, der mit Unterstützung des Österreichischen Kulturforums Budapest stattfinden konnte.

Robert Menasse ist Schriftsteller der sogenannten mittleren österreichischen Generation. Von seinen bisherigen Romanen sind Selige Zeiten, brüchige Welt (1991) im Jahre 1995 mit dem Titel A regény kora und Die Vertreibung aus der Hölle (2001) als Kiûzetés a pokolból im Jahre 2008 auf Ungarisch erschienen. Nicht nur die schriftstellerische, sondern auch seine essayistische Tätigkeit ist bekannt: Er äußert sich oft zu Themen der österreichischen Kultur, Identität und Politik. Man zitiert häufig auch seine berühmte Rede auf der Frankfurter Buchmesse aus dem Jahre 1995: „Vielleicht war ‚Geschichte’ der größte historische Irrtum der Menschheit.”
Roman und Geschichte – diese waren auch die thematischen Eckpunkte des Vorlesungsabends, währenddessen der Autor selbst eine kleine Leseprobe aus seinen Werken gab. Die Geschichte, die Geschichtsauffassung von Menasse zeichnet sich auch in Die Vertreibung aus der Hölle ab. In diesem Roman werden die Judenpogrome quer durch die Geschichte am Beispiel von zwei Protagonisten dargestellt: dem Rabbi Samuel Manasseh ben Israel aus dem 17. Jahrhundert, und seinem späteren Probanden, Viktor Abravanel im 20. Jahrhundert. Parallele Lebenslinien, parallele Schicksale, parallele Bilder der Flucht vor der Inquisition aus Portugal und die Erinnerungen an die Nazi-Zeit – diese bilden die Umrisse des Romans, der mit einem geheimnisvollen Schlusssatz endet: „Im Dunkeln ist alles vorstellbar.”
Trotz der Auseinandersetzung mit der Geschichte beziehungsweise den geschichtlichen Elementen formulierte Menasse am Vorlesungsabend, dass Die Vertreibung aus der Hölle kein historischer Roman sei, sondern er sei ein zeitgenössischer Roman darüber, wie wir mit der Geschichte umgehen. Der Schriftsteller teilte dem GeMa auch mit: Ihm sei es wichtig, dass seine Bücher auch auf Ungarisch erscheinen: „Besonders diesem Roman wünsche ich die Liebe der ungarischen Leser, weil dieser Roman erzählt, wie man unausgesetzt von historischen Entwicklungen bestraft wird.” Der Autor fügte hinzu: Österreich und Ungarn sind Nachbarländer, hatten eine gemeinsame Geschichte, und haben sehr viel historischen Wahnsinn erlebt. „Dieser Roman, Die Vertreibung aus der Hölle ist eigentlich mein Rachefeldzug gegen die Gemeinheiten der Geschichte” – so Menasse. Während des Abends hat sich der Autor auch über die Bedeutung des Romans als Gattung geäußert. Der Roman sei nach Menasse die letzte Möglichkeit, die Welt organisiert darzustellen. Wie er sagte: Der Roman sei die einzige Möglichkeit, sich selbst in unserer Zeitgenossenschaft zu begreifen, und sich gleichzeitig sicher zu sein, dass unsere Enkel uns verstehen. Das GeMa stellte dem Autor auch die Frage, was er über die gängige Meinung denkt, dass ein Schriftsteller in seinem Roman immer sich selbst „schreibt”. „Es ist alles autobiographisch” – reagierte Menasse. „Jede ’Lüge’ ist autobiographisch, weil ich es bin, der Lüger. Jede Geschichte ist autobiographisch, weil ich es bin, der sie sich ausdenkt. Aber ich kann nur auf der Basis der Erfahrungen phantasieren, die ich gemacht habe. So ist auch die Phantasie autobiographisch” – erklärte der Schriftsteller.