|
Zeitung << 2/2008 << Dialektologie-Vorlesungen von Spanien bis Sibirien
Dialektologie-Vorlesungen von Spanien bis Sibirien
Mögliche Problemvorschläge nach den Spuren von Dieter Stellmacher
Autorin: Anita Romsics
Im Wintersemester 2008/2009 hielt der ehemalige Vorsitzende der Internationalen Dialektologiegesellschaft, Dieter Stellmacher zwei Dialektologie-Vorträge an der Universität Szeged. Der erste Vortrag war rein linguistisch (Der Gang der „Deutschen Dialektologie” von Viktor Schirmunski bis heute), der zweite dagegen war gemischt mit literarischen Elementen, er handelte von der Sprache in der literarischen Tätigkeit von Thomas Mann und Wilhelm Busch (Niederdeutsch in der Literatur am Beispiel zweier Großer: Wilhelm Busch und Thomas Mann).
Man könnte gleich mit einer Frage beginnen: Warum gerade die Werke von Thomas Mann und Wilhelm Busch? Während der Vorträge von Dieter Stellmacher hat sich herausgestellt, dass es bei Thomas Mann zum Beipiel nicht egal ist, welches Werk von ihm wir analysieren möchten, weil Die Buddenbrooks eine andere Sprache hat als zum Beispiel Tonio Kröger. Dies wurde auch von dem anwesenden Literaturwissenschaftler Géza Horváth betont. Auch das analysierte Märchen von Wilhelm Busch ist zum Beispiel sprachlich schwer verständlich, wahrscheinlich nicht ausschließlich für mich als Germanistikstudentin.
Auch die Problematik des gegenwärtigen Deutsch wurde angesprochen: Gegenwartsdeutsch sei nämlich relativ schwer zu untersuchen, weil es sich ständig verändere, also auf keinen Fall ein statisches Phänomen sei. Die Aktualität der Vorträge von Dieter Stellmacher ergibt sich in Szeged auch dadurch, dass er hier die Donauschwaben-Dialekte untersuchen möchte. Das ist nämlich ein „terra incognita”, ein schönes Gebiet in der Sprachwissenschaft, wo es noch unbekannte, eher unentdeckte weiße Flecken gibt.
Herr Stellmacher sprach auch über „grammatisch ärmere Dialekte” wie einige schweizerische Dialekte (Wallidütsch, Buredütsch oder Züridütsch), wo unter anderem einige Zeitformen fehlen können. Zu den verschiedenen Schwyz-Dialekten kann man zum Beispiel noch sagen: Partizip Perferkt spielt keine Hauptrolle, und die meist problematische Adjektivdeklination können wir ganz ruhig wie „misch-masch” behandeln.
Während seines Szegeder Aufenthaltes hat sich für mich noch eine Gelegenheit ergeben, ein Gespräch mit Professor Stellmacher zu führen. Dieter Stellmacher studierte Germanistik, Niederlandistik und Slawistik (1959-1964) in Leipzig. Danach begann er die Dialektologie zu untersuchen. Dieses Forschungsgebiet ist schwer zu verfolgen, weil es sich ständig verändert. Auf die Frage, wie er zur Idee kam, in der Dialektologie zu forschen, gab er als Antwort: „vielleicht schon mit der Muttermilch”. Wittenberg, wo er aufgewachsen ist, ist selbst eine historische Sprachgrenze zwischen zwei großen deutschen Dialekten: Niederdeutsch und Sächsisch. Niederdeutsch ist fast ausgestorben, Sächsisch ist wegen Luther bekannt, eigentlich die mögliche Wiege der deutschen Kultur und der Standardsprache. Von 1969-1971 war er Deutschlektor in Finnland, danach hielt er verschiedene Vorträge von Spanien bis Sibirien. Er mag kleinere Anekdoten und verschiedene Sprachen. Zum Beispiel findet er die finnische Sprache sehr interessant. Als Schlussmotiv hat er über die „Höflichkeit” und über die „Unhöflichkeit” der Disziplin DaF geredet beziehungsweise philosophiert, was für eine Rolle noch heutzutage klassische Werte wie Motivation, Mühe und (Sprach)mentalität spielen.
|
|