Startseite | Impressum | Zeitung | Beiheft | Archiv nach Autoren | Archiv nach Rubriken








Zeitung << 1/2008 << Treffen mit dem ehemaligen Lektor in Wien


Treffen mit dem ehemaligen Lektor in Wien
Gespräch mit Markus Kóth

Autor: Róbert Lessmeister

Sein Name war sechs Jahre mit dem GeMa verbunden und kaum aus dem Institut für Germanistik in Szeged wegzudenken. Dann kehrte er wieder in sein Heimatland Österreich zurück. Da wir schon in Wien waren, nutzten wir die Gelegenheit, den ehemaligen Lektor zu treffen, um zu erfahren, wie es ihm geht. Er freute sich sehr, als wir, nachdem wir in Wien angekommen waren, von der ersten Telefonzelle aus seine Nummer wählten, und war gerne bereit, ein Treffen mit uns zu vereinbaren. Als wir dann am regnerischen Vormittag vor dem berühmten Café Westend warteten und schon von weitem seine Silhouette mit dem wohlbekannten, breitkrempigen Hut erkennen konnten, hatten wir keinen Zweifel: Unser Gastgeber würde auf die Minute pünktlich sein. Er begrüßte uns auf Ungarisch, man ging aber ins Deutsche über, nachdem er uns in das schöne Café eingeladen hatte.

Herr Kóth, Sie sind nun schon fast ein Jahr wieder zu Hause, obwohl Ungarn wohl Ihr zweites Zuhause ist, und Sie sprechen ja hervorragend Ungarisch!
Ich bin in vieler Hinsicht mit diesem Land verbunden. Ich habe auch ungarische Vorfahren und wuchs in einer kleinen Stadt nahe der ungarischen Grenze auf, wo in meiner Kindheit (und jetzt durch den Fall des eisernen Vorhanges vor fast 20 Jahren wieder) viel Ungarisch gesprochen wurde. Außerdem habe ich auch noch Finno-Ugristik studiert.

Nach sechs Jahren sind Sie aber wieder in Österreich. Ist denn Ihr Vertrag abgelaufen oder gab es andere Gründe?
Mein Vertrag war ursprünglich auf vier Jahre ausgelegt, er wurde aber um ein Jahr verlängert. Nach dessen Ablauf wurde mir aber noch außergewöhnlicherweise ein sechstes Jahr bewilligt, dann musste ich aber wirklich gehen. Ich hatte natürlich auch familiäre Gründe.

Wir kannten Sie eigentlich immer als Junggesellen, es soll sich aber auch in dieser Hinsicht vieles geändert haben.
Allerdings. Ich habe meine Lebensgefährtin, eine gebürtige Weimarerin, während der Zeit in Szeged kennen gelernt. Unser gemeinsames Kind, das in Deutschland zur Welt kam, verbrachte seine ersten zwei Lebensjahre in Szeged. Wir wollen irgendwann zurück, aber andererseits auch, dass die kleine Maria den Kontakt zum Ungarischen nicht ganz verliert, durch ein ungarisches Kindermädchen, zum Beispiel. Hie und da rede ich auch Ungarisch mit ihr. Sie versteht noch recht viel. Ein weiterer Grund war, dass wir endlich einen Fixpunkt, ein richtiges Heim auf längere Sicht haben wollten, ein weiterer Aufenthalt im Ausland wäre deshalb zu viel gewesen.

Womit beschäftigen Sie sich zur Zeit?
Ich bin sozusagen wieder unter die Studenten gegangen und schreibe an meiner Dissertation, die bald fertig sein wird. Außerdem bin ich dabei, mich bei allen möglichen Institutionen zu bewerben, die im Bereich Wissenschaft oder Kultur angesiedelt sind. Die Aussichten sind nicht die besten, es sieht aber auch nicht so hoffnungslos aus. Man muss ja von irgend etwas leben und seine Familie ernähren.

Worum geht es in Ihrer Dissertation?
Es dreht sich um einen Autor, Jörg Mauthe, der 1986 gestorben ist und ein Wiener Journalist, Politiker und auch Autor war, und ich habe die Aufgabe, auch seinen literarischen Nachlass aufzuarbeiten. Es sind einige wertvolle Sachen dabei, die sowohl aus literaturwissenschaftlicher, politischer, als auch aus historischer Sicht interessant sind. Leider ist die Eigentümerschaft noch unklar, da der Nachlass gerade an die Rathausbibliothek verkauft wird, und ich daher noch keinen Zugriff auf das Material habe. Spätestens im Sommer sollten aber alle Verhandlungen abgeschlossen und der Nachlass endlich zugänglich sein.

Sie haben in diesen sechs Jahren in Ungarn bestimmt vieles erlebt.
Ich habe in der Tat viele Erfahrungen gesammelt und auch menschlich, sprachlich, fachlich sehr viel gelernt. Es ist eine Art Persönlichkeitsentwicklung, man muss z.B. lernen, improvisieren zu können, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert, wie man mit Menschen umgeht. Ich habe öfters Studenten erlebt, die weniger motiviert waren und wenig Interesse zeigten. Man muss auch auf sie irgendwie eingehen können. Rückblickend kann ich sagen, dass das ungarische Universitätswesen konservativer ist und viel mehr an eine Schule erinnert.

Hatten Sie, bevor Sie nach Szeged kamen, keine Erfahrung mit dem Unterricht? Gibt es irgendwelche Unterschiede zwischen Muttersprachlern und ausländischen Studenten?
Ich kam nach Ungarn ohne Lehrerfahrung, das hat aber auch andere Kollegen betroffen. Ich glaube nicht, dass es große Unterschiede gibt. Natürlich sind die Studenten, die sich in einer Fremdsprache äußern sollen, wesentlich unsicherer. Unsere Aufgabe als Lektoren besteht auch darin, sie zu ermuntern, ihnen die Angst zu nehmen, also das Ganze irgendwie auf der menschlichen Ebene zu behandeln. Was mir auffiel, ist, dass die ungarische Studenten viel mehr zusammenhalten und auch in der privaten Sphäre viel mehr gemeinsam unternehmen.

Welche Ratschläge würden Sie jetzt den ungarischen Studierenden geben?
Es werden immer wieder Stipendien angeboten, in Österreich wie in Deutschland, und es ist verwunderlich, wie wenige diese Möglichkeiten nutzen! Die meisten wollen nach Deutschland, es gibt aber auch hier in Österreich sehr gute Möglichkeiten, und ein weiterer Vorteil ist, dass die Studierenden übers Wochenende heimfahren könnten. Man braucht ja mit dem Zug keine drei Stunden von Wien nach Budapest. Es ist nicht nur wegen der Sprache wichtig, sondern es lohnt sich immer, ein bisschen über den eigenen Horizont hinauszuschauen.

Wir werden es jedenfalls beherzigen. Zum Schluss möchten wir von Ihnen, Herr Kóth, irgendeine komische Geschichte hören, die Ihnen bei uns in Szeged passiert ist.
Einmal am Semesteranfang war ich zufälligerweise am Lehrstuhl in meinem Zimmer als es an der Tür klopfte, und ein ungeduldiger Student fragte, ob die Sprachübung heute wohl ausfiele oder ob sie mit mir rechnen könnten, die ganze Gruppe stünde nämlich bereit. Ich war schockiert, da ich gar nichts von irgendeiner Sprachübung wusste. Als ich dann im ETR nachschaute, sah ich, dass tatsächlich ein solcher Kurs mit mir geplant war. Jeder wusste davon, nur ich als einziger wurde darüber nicht informiert. Obwohl es nicht mein Fehler war, war mir die Geschichte recht peinlich.

Tatsächlich eine peinliche Geschichte. Vielleicht fällt Ihnen noch was ein?
Tja, ich war einmal in Budapest im Auto unterwegs und fuhr über eine Kreuzung, an der die Verkehrsampel gerade auf rot umsprang. Mein Pech war, dass ein Polizeiwagen hinter der Kreuzung stand, und ich auch gleich angehalten wurde. Die Polizisten stellten schlimme Sachen in Aussicht: eine hohe Geldstrafe, Reisepassabnahme … Als die Beamten erfuhren, dass ich an einer Universität Germanistik, also Deutsch, unterrichtete, tuschelten sie lange herum und rückten dann endlich mit ihrem Anliegen heraus: sie würden von der Strafe absehen, wenn ich ihnen ein Zertifikat über ihre angeblichen Deutschkenntnissen geben könnte, das sie dringend bräuchten, um befördert zu werden. Sie gaben mir ihre Namen und Adressen. Ich kann und darf so was natürlich nicht machen, doch ich versprach, ihnen ein solches Dokument zu schicken, woraufhin ich weiterfahren durfte. Die Armen warten vielleicht heute noch auf ihre dienstliche Beförderung.

Wir aber wünschen Ihnen viel Erfolg für Ihre Karriere, viel Glück in Ihrem Privatleben und bedanken uns für das Interview und die nette Einladung!
Danke, gern geschehen.