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Zeitung << 1/2008 << Kulturaustausch in Darmstadt
Kulturaustausch in Darmstadt
Ungarische Ausstellung und Musik in der Partnerstadt
Autor: Dániel Lipták
Als Musiker hatte ich die Gelegenheit, anlässlich eines kleinen Kulturtreffens im April 2008 einige Tage in Szegeds deutscher Partnerstadt, Darmstadt zu verbringen. Dabei hat aber natürlich auch der Germanistikstudent Augen und Ohren offen gehalten.
Eine Märchenhütte a la Grimm, mit dunkel gebrannten, wurmstichigen Balken und niedrigen Zimmerdecken, wo man auf den Kopf Acht geben muss. So empfängt den Eintretenden das Künstlerhaus Ziegelhütte in Darmstadt – ein dreihundertjähriges Fachwerkhaus, das ursprünglich als Ziegelbrennerei diente, und vor 25 Jahren durch Kunstfreunde vor dem Abriss gerettet und renoviert wurde. Unter der Leitung von Liane Palesch veranstaltet das Haus heute Ausstellungen, Konzerte und Künstlerdialoge. Es bietet seinen Gästen auch Übernachtungsmöglichkeiten und eine gemütliche Küche samt Speisezimmer, die für mich mit Erinnerungen an manches freundliche Gespräch verbunden sind. Im April 2008 gab es da nämlich eine Ausstellung zweier ungarischer Künstler, Alexandra Nádas und Gábor Nagy, mit dem musikalischen Beitrag unserer Musikgruppe, des Mentés Másként Trió (Tünde Ivánovics, Géza Fábri, Dániel Lipták).
Darmstadt ist seit 1990 Partnerstadt von Szeged, und zwar die einzige Deutsche. Mit ihren ca. 140 000 Einwohnern ähnelt sie Szeged in der Größe. Es fallen aber auch weitere Ähnlichkeiten auf: wegen ihrer Technischen Universität und mehrerer Forschungsinstitute gilt die südhessische Stadt auch als Wissenschaftsstadt, und ebenso wie Szeged ist sie in großem Maße von der Architektur der Jahrhundertwende geprägt. Auch ihr Ruf als Künstlerstadt geht auf dieses Zeitalter zurück, als die Darmstädter Künstlerkolonie von Großherzog Ernst Ludwig eingerichtet wurde und rasch zum Zentrum des deutschen Jugendstils avancierte. Der 1908 erbaute Hochzeitsturm auf der Mathildenhöhe – auch Fünffingerturm genannt – gilt bis heute als das Wahrzeichen der Stadt. Die Ziegelhütte bewahrt die besten Traditionen der Künstlerstadt, und versammelt um sich herum immer wieder einen internationalen Künstlerkreis. Viele von ihnen sind auch regelmäßige Teilnehmer des Pleinairs im Csongráder Künstlerhaus, und wir haben Liane Palesch letzten Sommer in Csongrád kennen gelernt, wo wir bei einer Ausstellungseröffnung spielten.
Zur Szegeder Delegation für das kleine ungarische Kulturfestival der Ziegelhütte gehörten noch zwei Dozenten des Szegeder Lehrstuhls für Bildende Künste, und zugleich Organisatoren des Csongráder Plenairs, Sándor Aranyi und Róbert Nátyi. Der ausstellende Graphiker Gábor Nagy hat früher auch in Szeged unterrichtet. Die Eröffnung hat ein großes Publikum angezogen, und wurde nach Reden und Kunstgenuss noch im kleinen Garten mit Pörkölt, Palatschinken und Musik gefeiert. Dabei hat Herr Nagy bewiesen, dass er die „Gulaschkanone“ ebenso meisterhaft wie den Zeichenstift handhaben kann. Seine detailreichen doch malerischen Zeichnungen, seine aus Erd- und Lebensschichten zart ausgebildeten abstrakten „Gras-Kathedralen“ verweisen feine Berührungspunkte mit den Gemälden seiner Ehefrau, Alexandra Nádas, die Motive wie das schwimmende Haus, den Kahn, den Altar in mystische „Landschaftstagebücher“ komponiert.
Nachdem sich unser Trio bei der Eröffnung vorgestellt hatte, gaben wir am nächsten Abend ein Konzert im kleinen, dafür aber ganz romantischen Dachzimmer des Künstlerhauses. Dieser intime Raum ließ uns musikalisch wunderbar mit dem Publikum kommunizieren. Eine neue Herausforderung war jedoch für uns, obwohl wir alle drei Deutsch können, über unsere Musik in einer Fremdsprache, in einer anderen Kultur so zu sprechen, dass man uns versteht. Es kamen zwar viele in Darmstadt ansässige Ungarn, aber auch bei den deutschsprachigen Zuhörern fand die Moldau-ungarische Volksmusik freundschaftliche Gefühle, ja Begeisterung.
In unserer Freizeit haben wir uns unter der höchst kompetenten Leitung des Kunsthistorikers Herr Nátyi die herrlichen Baudenkmäler der Umgebung angesehen. Wir ließen uns überwältigen von den monumentalen Kaiserdomen zu Speyer, Worms und Mainz, diesen Hauptwerken deutscher frühmittelalterlicher Architektur. Mein schönstes Erlebnis war jedoch der Abstecher nach Bamberg auf dem Heimweg. Der Dom mit den atemberaubenden Skulpturen, darunter die berühmte Reiterfigur, steht inmitten einer Stadt, die in Atmosphäre etwa mit dem ungarischen Szentendre verglichen werden kann. Ausgerüstet mit neuen deutschen Büchern und einigen Flaschen echt Bamberger Rauchbier hatte ich bei der Heimfahrt viele schöne Erinnerungen im Kopf, und ich freue mich schon auf den Sommer, wenn ich hoffentlich wieder mal nach Darmstadt fahren kann.
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