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Zeitung << 1/2008 << Wein und Schloss in Hajós


Wein und Schloss in Hajós
Weinkellerdorf und erzbischöfliches Schloss als ungarisches Kulturerbe

Autorin: Anita Arnold

Im März 2008 gab es eine Ausstellung in Hajós. Die ausgestellten Porträts über die Familienmitglieder der Habsburger Dynastie stammen aus dem Schloss von Hajós. Auch alte Bilder über das Weinkellerdorf von Hajós waren im Pfarrhaus der Kirche von Hajós zu sehen.

Bei meinem Heimatort Hajós denkt man vielleicht nur an eine kleine schwäbische, ungarndeutsche Gemeinde. Diese Siedlung wird aber auch „Wiege der Weine der ungarischen Tiefebene“ genannt. Das Weinkellerdorf von Hajós ist die größte und längste zusammenhängende Kellerkette in Mitteleuropa. Es besteht aus mehr als 1000 Kellerhäusern. Ihre Zahl ist fast so groß, wie die der Wohnhäuser in der Gemeinde.

Das Weinkellerdorf von Hajós
Das Kellerdorf, das cirka vier Kilometer von der Gemeinde entfernt liegt, ist ein beliebtes Ausflugsziel, nicht nur für die Hajóser, sondern auch für Touristen. Das riesige Weinkellerdorf ist kein ständiger Wohnsitz, die Häuser dienen als „Geburtsort“ und Lager des Weines und als Unterkunft für Besucher. Die Keller sind in den Hügeln aus Ton gegraben worden. Sie haben mindestens zwei Etagen, auf der Ebene des Erdgeschosses ist das Presshaus mit den notwendigen Geräten, die man zur Erzeugung des Weines braucht. Einige Treppen führen den Besucher nach unten, wo der Wein gelagert wird. Über diesem Keller ist der Lehm 3-5 Meter hoch, deshalb schwankt die Temperatur nur zwischen 12-14 Grad. Dies ist wichtig, weil der Wein nach der Weinernte in Fässern in diese Keller kommt und diese fast konstante Temperatur für das Weinreifen ideal ist.
Die Gemeinde schützt und entwickelt das Kellerdorf weiter. Nach einem Beschluss von 2007 wurde das Kellerdorf vorläufig unter Baudenkmalschutz gestellt. Auch durch den Bau einer Umgehungsstraße, die das Dorfinnere entlastet, wird die Gemeinde geschont. Es wird auch ein Stützmauersystem erstellt, da der Boden in einigen Gassen ständig schwingt.

Der Orbán-Tag
Ende Mai findet der berühmte Orbán-Tag statt. Orbán wird als der heilige Schützer der Traube verehrt. Drei Tage lang gibt es dann eine Messe auf dem Hauptplatz. Es finden auch Veranstaltungen und Wettkämpfe statt, wie das Fassheben- und halten. Wer das 70 kg schwere Fass am längsten heben kann, bekommt zur Belohnung das volle Weinfass. Beim Schätzen der Weinmenge muss man erraten, wie viel Liter Wein im Fass steckt. Es gibt auch Volkstänze und abends Konzerte. Viele kommen gerne hierher, da es auch kostenlose Weinproben in den stimmungsvollen Weinkellern gibt. Nach alter Tradition wird vor dem Keller Gulasch in Kesseln gekocht. Am dritten Tag wird unter den schönsten Mädchen von Hajós die Weinkönigin gewählt, die eine Krone aus Bernstein bekommt. Sie behält diesen Titel für ein Jahr.

Das Schloss von Hajós
Im Zentrum von Hajós befindet sich das erzbischöfliche Schloss. Es wurde im 18. Jahrhundert als Jagdschloss für Maria Theresia gebaut, aber schließlich wurde es zum beliebten Aufenthaltsort der Bischöfe von Kalocsa, da das heutige Bischofsschloss in Kalocsa damals noch nicht existierte. Hier fanden auch die damaligen Priesterweihen statt, und es diente als wichtiger Treffpunkt der Kirche und der Familienmitglieder der Habsburger Dynastie. Das Schloss hat seinen Namen vom Bischof Lajos Haynald bekommen. Er hat aus dem Schloss am Ende des 19. Jahrhunderts ein Waisenhaus gemacht. Während des Rákosi-Regimes wurde das Gebäude Staatseigentum, später erhielt es die Kirche wieder zurück, danach das Komitatsamt, und es fungierte dann als Schule und als Kinderheim. Als ich die Grundschule besuchte hatte ich noch Klassenkameraden die in diesem Kinderheim wohnten. Leider wurde das Schloss in den letzten Jahren so vernachlässigt, dass es unbewohnbar geworden ist.
Das Schloss steht mittlerweile unter Baudenkmalschutz und die finanzielle Situation lässt auf eine baldige Instandsetzung hoffen. Die Pläne sind schon fertig, und mit der Renovierung hat man auch schon begonnen. Es werden ständige und zeitweilige Ausstellungen stattfinden, deren Ziel es ist, die Lebensart des Adels im Barock, das Leben der ehemaligen Bischöfe und die kulturelle Welt der Gemeinde zu zeigen, damit der Besucher ein genaues Bild von der Geschichte des Schlosses und der Lebensart der Menschen bekommt.
In einer Welt, in der immer weniger Wert auf diese alten Einrichtungen gelegt wird, ist es sehr wichtig, dass wir das Erbe, das uns unsere Vorfahren hinterlassen haben, vor der Zerstörung schützen. Oft fehlt nicht nur das Geld, sondern auch der Wille zum Erhalt solcher Gebäude. Das Weinkellerdorf und das Schloss von Hajós können als ein Beispiel für die sorgfältige Pflege unseres Kulturerbes stehen.