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Zeitung << 1/2008 << Unterschiede in der Pflege der Kulturen


Unterschiede in der Pflege der Kulturen
Der Friedhof von Csátalja und sein Schicksal

Autorin: Krisztina Szilaski

Am Tag der Allerheiligen brennen die Kerzen auf den Friedhöfen, als Erinnerung an un­sere Verstorbenen. Auf dem Friedhof von Csátalja zündete ich auch eine Kerze an, aber ihr Licht konnte wegen der riesigen Unkrautdecke, die sich über den alten Friedhof erstreckt, nur fahl blinzeln. Dieser Teil des Friedhofes, wo sehr viele Ungarndeutsche begraben sind, wurde sehr vernachlässigt. Wie kann man so an seine ehemaligen Familienmitglieder denken, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben? Wie kann man eine solche Situation in einem Friedhof zulassen bzw. ertragen? Solche Gedanken beschäftigten mich, während ich die toten Grabsteine betrachtete.

In Wut geratend beschäftigte mich die Geschichte und damit verbunden das Schicksal dieses Friedhofes und ich entschied mich, mich darüber zu informieren. Ich nahm den Kontakt mit der Selbstverwaltung der Deutschen Minderheit in Csátalja auf. Frau Éva Röckl war sehr hilfsbereit und gab mir sehr interessante Informationen über den alten Friedhof. Sie erzählte mir auch von dem zukünftigen Plan der Selbstverwaltung der Deutschen Minderheit in Csátalja in Bezug auf den Friedhof, den sie mit der Organisation von Éva Röckl verwirklichen möchten.

Das ungarndeutsche Dorf Csátalja
Das schwäbische Dorf Csátalja (Tschatali) liegt im Komitat Bács-Kiskun, 20 km entfernt von Baja. Der Name der Gemeinde stammt aus dem Serbischen, „Catalija” und bedeutet Straßenkreuzung. In der Vergangenheit wurde dieses Gebiet von katholischen deutschen Siedlern aus Baden-Württemberg, aus der Pfalz, dem Elsass und aus Lothringen besiedelt. Diese Ansiedlungswellen erfolgten zwischen 1729-1748 und 1752-1763. Es hat sich ein friedliches Verhältnis zwischen den deutschen und den ungarischen Einwohnern entwickelt. Das Leben des Dorfes wurde nach dem Zweiten Weltkrieg mit Schmerzen und Tod bekränzt. Von 1946-1947 wurden die deutschen Siedler vertrieben und mussten nach Deutschland zurückkehren.
Zugleich erblickte Csátalja neue Ansiedler, nämlich Széklerfamilien aus Bukowina. Sie kamen aus Istensegíts, woher sie in die Batschka umgesiedelt wurden und als dieses Gebiet im Jahre 1945 an Jugoslawien fiel, fanden die Székler in Ungarn Zuflucht.
Heute ist das Zusammenleben dieser Volksgruppen von Toleranz und Zusammengehörigkeitsgefühl gekennzeichnet. Die Kontakte zu Deutschland bzw. zu der Slowakei und zu Siebenbürgen werden bis heute gepflegt und bewahrt.

Der Friedhof in Csátalja
Der katholische Friedhof in Csátalja bedeckt viele deutsche Tote und bewahrt ihr Andenken. Unter den würdevoll wartenden veralteten Grabsteinen herrscht jetzt eine Art Untergangstimmung. Dieser Teil des Friedhofs wurde leider ziemlich vernachlässigt.
Der heutige Friedhof, der im Jahre 1778 angelegt wurde, liegt auf dem Kalvarienberg, am Nordende der Gemeinde. Vermutlich wurden die Friedhöfe wegen der Ansteckungsgefahr außerhalb des Dorfes angelegt. Bis 1770 lebte die Tradition, nach der die Verstorbenen um die Kirche begraben wurden. Dies kann man auf dem Friedhof von Csátalja sehr deutlich erkennen.
Die Gestaltung des Friedhofes war die Aufgabe der Kirche bzw. der Gläubigen. Im Zentrum findet man das Friedhofskreuz, das die christliche Auferstehung symbolisiert. Ein solches Friedhofskreuz stand im Mittelpunkt allgemeiner Verehrung. Zuerst ging man hierhin um zu beten.
Noch im Jahre 1753 ließen die Einwohner eine Kapelle bauen, die sie St. Wendelin weihten. In vielen donauschwäbischen Gemeinden galt St. Wendelin als Viehpatron. Er ist der Patron der Bauern und wird mit einem Lamm und mit einem Hirtenstab dargestellt. Der Heilige Wendelinus stammte aus Irland und kam als Missionar nach Deutschland. Nach dem alten katholischen Kalender ist sein Fest am 22. Oktober. Auf dem Altar der Wendelini-Kapelle hängt ein Bild, das den heiligen Wendelini als Hirten darstellt. Man sagt, das Gemälde wurde von Pfarrer Franciskus Xaverus Vögelin aus Deutschland mitgebracht, aber es ist wahrscheinlicher, dass die deutschen Ansiedler es mitgebracht haben. Im Jahre 1979 wurde das Gemälde von Stefan Stehr und seiner Frau Theresia restauriert.
In den donauschwäbischen Ansiedlungen gehörte es zur Gewohnheit, die Würdenträger der einzelnen Gemeinden um das Friedhofskreuz zu begraben. Diese waren Pfarrer, Lehrer, Schulmeister und Notare. Pfarrer, wie z.B. Franciskus Xaverus Vögelin, Josef Gruber, Johann Essert, Alexander Gärtner liegen auf dem Friedhof von Csátalja begraben. Franciskus Xaverus Vögelin kam aus dem Schwarzwald und leitete eine Ansiedlungsgruppe nach Ungarn. Sein Grab ist das älteste auf dem Friedhof und gilt bis heute als Denkmal. Zur heutigen Tradition gehört es, den 20. Oktober, den Tag von St. Wendelin zu feiern. Eine große Messe wird gehalten, an der die Anhänger ihr Gebet zu St. Wendelin singen. Danach beginnen sie die Wendelini-Kirchweih zu feiern.
Das Schicksal des Friedhofes ist entschieden. Der Friedhof kann leider nicht erweitert werden, so muss man für die zukünftigen Verstorbenen freien Platz innerhalb des Friedhofes anbieten. Der alte schwäbische Friedhof wurde von seiner Unkrautdecke befreit und die in Stücken zerstreut liegenden Grabsteine wurden gesammelt. Befreit und tot liegt der Friedhof jetzt da, mit einem heimlichen, angenehmen Lächeln und betet zu seiner Kapelle.
Die Angehörigen der alten Verstorbenen werden sowohl in Ungarn als auch in Deutschland aufgesucht und gebeten, die zu ihren Familien gehörenden Grabstätten zu verlängern. So kann diese Person das Grab bzw. das Andenken ihrer Ahnen auch als Denkmal bewahren. Wird die Ruhefrist nicht verlängert, so werden diese Grabplätze neu vergeben. Die Selbstverwaltung der Deutschen Minderheit in Csátalja, unter der Leitung von Éva Röckl, erhält die unversehrt gebliebenen Kreuze solcher Gräber und möchte diese am Eingang des Friedhofs aufstellen, sozusagen neu begraben.
Ich hoffe, dass Éva Röckl bei der Verwirklichung dieser edlen Geste mehr Unterstützung finden wird. Neben dem Weinkellerdorf Hajós gibt es zahlreiche Ansiedlungen, in denen die Glut der Kultur glänzt oder in Asche fällt. Es ist nicht egal in welche Richtung sich die Bewahrung der Kultur bewegt. Auch auf Friedhöfe sollte man mehr Rücksicht nehmen und sie pflegen. Sie sind auch ein Teil der Kultur unserer Vorfahren bzw. von uns selbst. Wir leben in einer Welt, in der das Wort Auferstehung als Stern der Hoffnung am Eingang der Friedhöfe aufblitzt. Bewahren wir die Hoffnung für unsere Verstorbenen.