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Zeitung << 1/2008 << Ein Gespräch mit Frau Dr. Katalin Petneki


„Es gibt solange Germanistik, wie in den Schulen Deutsch unterrichtet wird.“
Ein Gespräch über die Didaktik und die Zukunft der Lehrerausbildung mit Frau Dr. Katalin Petneki

Autor: András Horváth

Frau Petneki, mich hat erstaunt, dass die Tagung anlässlich Ihres runden Geburtstages ganz heimlich organisiert wurde, damit Sie darüber nicht Bescheid wissen. War das für Sie wirklich eine Überraschung?
Ich habe wirklich nichts gewusst. Herr Bassola hat mir so viel gesagt, dass es zu diesem Zeitpunkt eine erweiterte Institutssitzung mit anderen Kollegen gibt. Eine kleine Ahnung hatte ich zwar schon, weil einige Kolleginnen aus anderen Städten sich entschuldigt haben, dass sie nicht kommen können, aber es war trotzdem eine wirklich sehr gut gelungene Überraschung. Ich war sehr gerührt.

Sie haben an der ELTE Germanistik und Russisch studiert, in Ihrer Diplomarbeit behandelten Sie E.T.A. Hoffmanns musikalische Schriften. Jetzt beschäftigen Sie sich mit Didaktik. Wie sind Sie dazu gekommen?
Mein Steckenpferd war während des Studiums immer die Literatur, und innerhalb der Literatur die Romantik, aber auch die österreichische Literatur interessierte mich sehr. Die Wende kam für mich mit dem Schulpraktikum, weil ich in der Schule große Erfolgserlebnisse mit meinen Schülern hatte. Dann habe ich mir gedacht, dass es doch schön wäre, wenn ich die Sprache auch unterrichten könnte. Es gab aber damals, ähnlich wie heute, einen großen Überfluss an Lehrern, sodass es sehr schwer war, als Lehrer eine Arbeitsstelle zu bekommen. So habe ich fast ein Jahr lang bei einer Außenhandelsfirma gearbeitet, was für mich die reinste Qual war, da ich kein Gefühl für Handel und Wirtschaft habe. Danach bekam ich die Möglichkeit, in einer Sprachschule zu unterrichten. Ich habe damit mit großer Begeisterung begonnen, bis ich eine chronische Stimmbandentzündung bekommen hatte. Der Arzt befahl mir, einen anderen Beruf zu suchen, sonst verliere ich die Stimme. Ich wollte das nicht, und ich dachte darüber nach, wie ich effektiv unterrichten könnte, ohne selbst dabei viel sprechen zu müssen. In der Sprachschule arbeitete ich mit einem sehr guten Lehrerteam, und wir haben sehr viel für uns selbst, quasi autodidaktisch erarbeitet, es gab damals nämlich noch weniger Didaktikstunden an der Uni als heute. Das war also der Anfang meiner fachdidaktischen Tätigkeit.

Sie wohnen in Budapest, so pendeln Sie jede Woche zwischen Szeged und der Hauptstadt. Warum sind Sie nach Szeged gekommen, zu unterrichten?
Das hatte vielseitige Gründe. Nach der Sprachschule habe ich 1990 an der ELTE in der gerade gegründeten dreijährigen Deutschlehrerausbildung angefangen, im Hochschulbereich zu unterrichten. Ich nahm sehr intensiv an der Erarbeitung des Programms teil, und fing an, wirklich viel in fachdidaktischen Themen zu publizieren. Nach zehn Jahren habe ich aber gesehen, dass dieses Programm allmählich zurückgeht, und ich hatte immer weniger Lust, mitzuarbeiten. Herr Bassola hat mich dann im Jahre 2002 überredet, nach Szeged zu kommen. Ich habe gehofft, hier könnte man wieder etwas aufbauen.

Haben Sie dieses Etwas gefunden und geschafft?
Das sollten die Studenten selbst entscheiden. Ich erinnere mich an die Situation, die hier war, als ich hierher kam. Ich hoffe, dass dieser Teil der Ausbildung jetzt schon einigermaßen in einer Hand zusammen gehalten wird.

Sie haben hier in Szeged einige Veränderungen mit sich gebracht, zum Beispiel die Idee der Portfolios kam von Ihnen.
Ja, das gab es früher nicht. Die Abschlussarbeiten waren früher zwar interessante Aufgaben, aber es war sehr schwer, sie objektiv zu bewerten. Da ich mich sehr viel mit der internationalen Fachliteratur beschäftigt habe, wusste ich, dass das Portfolio mit dem Bologna-Prozess kommen muss. So dachte ich, dass es gut wäre, das so schnell wie möglich auszuprobieren, und das hat sich bewährt. Viele Veränderungen in der fachdidaktischen Ausbildung hingen aber nicht von mir ab. Es wurde zum Beispiel zentral entschieden, dass es heute keine Didaktikvorlesung in Germanistik mehr gibt. Ich bedauere es und ich versuche, diese verlorenen Einheiten in die Seminare reinzuschmuggeln.

Wie beurteilen Sie die Zukunft der Didaktik im neuen BA/MA-System? Wie wird der Didaktikunterricht weitergeführt?
Ich kann nur über Pläne sprechen, denn der eigentliche Teil der Lehrerausbildung beginnt erst in dem Masterstudium ab September 2009. Unser MA-Programm steht noch vor der Akkreditierung. Bei der Planung der fachdidaktischen Lehrveranstaltungen greife ich auf frühere Programme zurück. Eine zentrale Regelung bestimmt landesweit, welche Inhalte für sieben Kredits vermittelt werden müssen, die aber in einem zweistündigen Seminar nicht erledigt werden können. Ich habe deshalb für das erste Semester eine einführende Vorlesung geplant, ergänzt mit einem Seminar, in dem die kommunikative Unterrichtsdidaktik vermittelt wird. Im zweiten Semester soll es dann zwei Seminare geben, ein dem heutigen ähnliches, und ein anderes, wo man zwischen Themen, wie Lehrwerkanalyse, Lehrwerkforschung oder Leistungsmessung wählen kann.

Wie sehen Sie den Stellenwert der Didaktik innerhalb der Literaturwissenschaft bzw. Sprachwissenschaft? Sind sie gleichrangig?
Für diejenigen, die wirklich unterrichten möchten, sollte sie meines Erachtens so wichtig sein, wie die anderen zwei Bereiche. Das Problem ist, dass dieses Fach disziplinär nicht so leicht einzuordnen ist: für Sprachwissenschaftler gehört Fachdidaktik zu den pädagogischen Wissenschaften, und die Erziehungswissenschaftler sagen, es ist doch Sprachwissenschaft. Das ist also ein interdisziplinäres Fach. In Deutschland ist Fachdidaktik an den meisten Universitäten als ein eigenständiger Bereich anerkannt. Es gibt nämlich an den meisten germanistischen Instituten einen Lehrstuhl für DaF, wo nicht oder nicht nur Sprachunterricht erteilt wird, sondern die Studenten dazu befähigt werden, die Sprache zu vermitteln. Ich habe im Masterstudium deshalb so viele Seminare geplant, um diesen Teil zu stärken.

Neulich ist Ihr Buch mit dem Titel „Az idegen nyelvek oktatása Magyarországon az ezredfordulón“ (Fremdsprachenunterricht in Ungarn um die Jahrtausendwende) erschienen. Welche Inhalte werden hier behandelt?
In diesem Buch habe ich versucht, mehrere Sachen zu vereinen. Ich habe zwischen 2001 und 2004 an einem Projekt teilgenommen, wo landesweit Schulfächer erforscht wurden. Meine Aufgabe war dabei, die Lage des Fremdsprachenunterrichts in Ungarn zu untersuchen. Darüber habe ich schon früher in einer Fachzeitschrift publiziert, aber es gab viele Angaben, die in diesen kurzen Berichten keinen Platz gefunden haben, und sie konnten jetzt veröffentlicht werden.
Andererseits wollte ich einen Rückblick über die vergangenen 15 bis 20 Jahre geben. Im Zeitraum zwischen der Wende mit der Einführung der freien Sprachenwahl und 2004 ist vieles passiert. Diese Veränderungen habe ich nach verschiedenen Kriterien gruppiert, und dabei habe ich auch ein paar fachdidaktische Grundkenntnisse eingeschmuggelt. Ich habe das Buch in ungarischer Sprache geschrieben, damit diese Informationen auch andere Fremdsprachenlehrer erreichen können.

Frau Petneki, Sie haben immer viel zu tun, aber Sie haben manchmal bestimmt auch Freizeit. Womit beschäftigen Sie sich, wenn Sie nicht arbeiten?
Für mich ist Entspannung Musik, vor allem klassische Musik zu hören, ich gehe sehr gerne ins Konzert. Als neulich in Szeged eine Wagner-Oper aufgeführt wurde, war ich auch dabei. Ich mag auch kleine Wanderungen. Früher habe ich viele Ausflüge gemacht, heute kann ich aber leider nicht mehr so gut wandern.

Zum Schluss möchte ich Sie bitten, den werdenden Deutschlehrern und den Studienanfängern ein paar Ratschläge zu geben, und auf den häufig auftauchenden Zweifel der Studenten zu reagieren, ob es sich heutzutage lohnt, Lehrer zu werden.
Ich glaube, es ist ein sehr schöner Beruf, Lehrer zu sein. Dabei ist das Erfolgserlebnis fast immer garantiert. Natürlich ist es aber nicht so leicht, das Interesse der Schüler für eine Sprache zu wecken, vor allem, wenn es überall nur nach einer Sprache gefragt wird: Englisch. Man sollte sich also im Klaren sein: „Was kann ich für die deutsche Sprache tun? Will ich diese Anstrengung auf mich nehmen?“ Wenn man glaubt, dass man die Schüler für diese Sprache motivieren kann, dann lohnt es sich.
Ich glaube, es gibt solange Germanistik, wie in den Schulen Deutsch unterrich­tet wird. Dabei spielt die erste Fremdsprache eine sehr wichtige Rolle. Vor allem die erste Begegnung mit der Fremdsprache und die Persönlichkeit und Fachkompetenz der Lehrerperson sind entscheidend, ob man die Sprache lieb gewinnt oder nicht, ob man sie in der Mittelschule weiterführt oder nicht. Deshalb sollten diejenigen die Lehrerausbildung wählen, die die Eigenschaft in sich fühlen, dass sie andere Leute für diese Sprache gewinnen können. Dazu wünsche ich den Studenten viel Erfolg, denn das garantiert auch das Weiterleben der Germanistik.

Ich bedanke mich für das Gespräch, und wünsche Ihnen im Namen der GeMa-Redaktion alles Gute zum Geburtstag.