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Zeitung << 1/2008 << Ein Tag über Thomas Bernhard im Grand Café in Szeged


„Wenn ich Bernhard lese, komme ich mir selbst näher”
Ein Tag über Thomas Bernhard im Grand Café in Szeged

Autor: Mihály Arany

Einen Tag widmete man dem Werk Bernhards, eines von den bedeutendsten österreichischen Schriftstellern des 20. Jahrhunderts, bzw. seinem auf Ungarisch neu erschienenen Band Az olasz férfi (Der Italiener) im Grand Café in Szeged am 12. Februar 2008. Das neueste Bernhard-Buch des Verlags Kalligram wurde im Rahmen einer Podiumsdiskussion vorgestellt. Die Veranstaltung wurde von dem Österreichischen Kulturforum Budapest, der Thomas-Bernhard-Privatstiftung in Gmunden und dem Lehrstuhl für Österreichische Literatur und Kultur in Szeged unterstützt.

Den Bernhard-Tag eröffnete Peter Fabjan, Leiter der Thomas-Bernhard-Privatstiftung und Halbbruder des Autors. An der Präsentation des Bandes nahmen Martin Huber, Leiter des Thomas-Bernhard-Archivs; Lajos Adamik, der Übersetzer des Bandes; Iván Sándor, Schriftsteller und Attila Bombitz, Kritiker und Redakteurlektor des Buches teil.
Attila Bombitz betonte in seiner Einführung, dass der Verlag Kalligram mit dem neuen ungarischen Band von Thomas Bernhard einen Mangel nachzuholen versucht. Die ersten ungarischen Übersetzungen stammen aus den 70er Jahren mit den von Dezsõ Tandori übersetzten Büchern Fagy (Frost) und A mészégetõ (Das Kalkwerk), und erst nach einer längeren Pause erschien eine Erzählsammlung in der Mitte der 80er Jahre. In den 90er Jahren häuften sich dann die Bernhard-Übersetzungen unterschiedlichster Qualität bei den verschiedenen Verlagen. Der Kalligram Verlag versucht jetzt auch diejenigen Texte zugänglich zu machen, von denen noch keine ungarische Ausgabe existiert. Nach Kioltás (2005, deutscher Titel: Auslöschung) und Megzavarodás (2006; deutscher Titel: Verstörung) kommt ein neuer Titel der österreichischen „schweren Literatur” mit dem Band Az olasz férfi (2008) auf den Literaturmarkt.
Martin Huber verriet dem Publikum, dass das Buch Az olasz férfi mit dem 11. Band der Werkausgabe Bernhards völlig übereinstimmt. Diese, 22-bändige Ausgabe ist zur Zeit die wichtigste Aufgabe des Archivs, bisher erschienen 14 Bände. Die ungarische Ausgabe enthält die ersten vier ernsten Prosen des Autors: Magasban (In der Höhe), Amras, Az olasz férfi (Der Italiener), der dem Band den Titel gab, und Kulterer (Der Kulterer). Die zwei letzteren wurden auch verfilmt, die Drehbücher von Bernhard sind auch in dem Band zu finden. Martin Huber hob hervor, dass sich die Thematik von Der Italiener durch das ganze Lebenswerk von den frühen Erzählfragmenten durch die Filmnovelle bis zum letztlich beendeten Roman Auslöschung entfaltet. Die Prosa In der Höhe ist hinsichtlich ihrer Entstehungsgeschichte eines der interessantesten Werke Bernhards. Der Autor mochte vor seinem Tod noch ein Buch herausgeben lassen, aber er hatte keine Kraft mehr, etwas Neues zu schreiben. Er nahm darum die alten Manuskripte von In der Höhe, die die Verleger früher mehrmals ablehnten. Somit ist dieser aus mehreren Romanentwürfen zusammengearbeitete Stoff auf der einen Seite einer der frühesten Texte Bernhards, auf der anderen Seite erschien dieser am Lebensende des Autors.
Lajos Adamik sprach über die Gründung der Thomas-Bernhard-Privatstiftung und die Aufgaben des Übersetzers. Nach dem Testament Bernhards sollte 70 Jahre lang nichts aus seinem Nachlass erscheinen. Peter Fabjan, der Besitzer des Nachlasses entschied aber den Bitten vieler entsprechend anders: Er gründete mit Wendelin Schmidt-Dengler die Stiftung, die dann mit dem Bundesland Oberösterreich das Archiv in Gmunden eröffnete. Dank dieses Archivs stehen heute wichtige Hintergrundinformationen zu den Entstehungsgeschichten der Texte Bernhards zur Verfügung.
Was die Übersetzungsarbeit betrifft, bedeutete die Sprache Bernhards für Lajos Adamik eine Herausforderung, besonders das Fehlen einer gesonderten Konjunktivform im Ungarischen zum Ausdruck der indirekten Rede, die Bernhard sehr gerne benutzt hatte. Der Bernhard-Übersetzer sollte die ungarische indirekte Rede erfinden – hieß die Konklusion von Lajos Adamik.
In Werken von Iván Sándor lassen sich die Spuren der Sprache und Metaphysik, der intertextuellen Bezüge von Bernhards Texten auffinden. Iván Sándor reflektierte als Schriftsteller die Wirkung des österreichischen Meisters. „Wenn ich Bernhard lese, komme ich mir selbst näher” – formulierte er. Die Wege der Ästhetik Bernhards bedeuten dem jeweiligen Leser immer die Art und Weise, wie man sich mit seinem Duplikat, fremder und dunkler Seite konfrontiert. Iván Sándor deutete die oft fast unerträgliche Monotonität der Texte des Autors als eine ästhetische Form, die die Monotonität des Schicksals, des Lebens ausdrückt. Er hob auch die Wichtigkeit der Sprache des österreichischen Schriftstellers hervor, wie Bernhard mit Hilfe seiner fragmentarischen Sprache bzw. mit dem Schweigen darstellt, was die erwähnte Monotonität des Lebens verbirgt. Bernhard arbeitete mit viel Sorgfalt an seinen Werken: Präzis ausgeprägte Syntax charakterisiert die Texte des „alten Meisters”.