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Zeitung << 1/2008 << „Das tiefste deutsche Gedicht“


„Das tiefste deutsche Gedicht“
Christian Morgenstern: Fisches Nachtgesang

Autorin: Krisztina Darinka Komáromi

In dem interessanten Gedicht von Christian Morgenstern „Fisches Nachtgesang“ wirken eine spielerische Welt, Humor und Phantasie zusammen. Im Rahmen des linguistischen Seminars „Sprachliche Kreativität, Sprachspiele“ begegnete ich diesem Gedicht, das mein Interesse schon auf den ersten Blick geweckt hat: Wie ist das Gedicht entstanden, warum wurde es geschrieben?

In den Jahren 1905 und 1906 hat Christian Morgenstern die „Galgenlieder“ veröffentlicht. Diese Sammlung von Morgenstern, mit ihrer humoristischen und ernsten Poesie, enthält einerseits Natur- und Stimmungslyrik, andererseits groteske Sprachspielereien, die durch Wortschöpfungen eine eigene „Sprach-Spiel-Welt“ entstehen lassen. Wegen dieser spielerischen Welt fand ich das Gedicht fantastisch und es hat mich nicht in Ruhe gelassen, ich wollte unbedingt meine eigene Assoziation dafür finden.
Als die 15. Auflage seiner „Galgenlieder“ erschien, wurde Morgenstern von einem Freund als ein „Kind im Manne“ bezeichnet. Das Buch Galgenlieder sei ein „kindliches Vergnügen am Spiel, dem die ganze Welt als Spielplatz offen steht.“ Er fügte noch Folgendes zur Charakterisierung des Buches hinzu: „Man sieht vom Galgenberg die Welt anders an, und man sieht andere Dinge als Andere.“
Über das Gedicht selbst ist nicht so einfach zu schreiben. So einfach es auch aussehen mag, ist es doch schwierig zu analysieren. Was wollte der Verfasser zum Ausdruck bringen? Wie soll man die Zeichen verstehen? Jeder muss selbst die passende Antwort auf diese Frage finden. Ich habe sehr viel Zeit damit verbracht, zwischen Inhalt und Form einen alles beschreibenden Zusammenhang zu finden, alle Bedeutungen zu sammeln und zu ergründen, was wohl Morgenstern aussagen wollte.
Wegen dieser wortspielerischen Denkweise geht es hier nicht nur darum, dass das Gedicht aus metrischen Symbolen besteht, die in der Form eines Fisches angeordnet sind und den stummen, so wortlosen „Gesang“ des Fisches wiedergeben sollen, sondern dass die Zeichen für die Kürzen so aussehen wie ein geöffneter Fischmund und die für die Längen wie ein geschlossener Fischmund ... zu und auf ... und zu ... und auf ... und zu ... Oder ob sie den körperlichen Aufbau eines Fisches symbolisieren sollten? Außerdem fehlt streng genommen noch der letzte Satz von Morgenstern: „Das tiefste deutsche Gedicht.“ Das Bildgedicht drückt mehr aus, als auf den ersten Blick zu sehen ist, deshalb muss jeder für sich eine Lösung, die tief im Gedicht verborgen ist, in den Zeichen zu finden.
In diesem literarischen Text von Morgenstern, der von mehreren ungarischen Dichtern übersetzt wurde, handelt es sich um einen Gesang von einem Fisch. Nicht nur der Inhalt, sondern auch die Form des Gedichts ergeben automatisch einige Konsequenzen, vor allem auf der Stilebene. Der Titel dieses Gedichts „Fisches Nachtgesang“ wurde als „Hal éji éneke“ ins Ungarische übersetzt, das Gedicht selbst wurde übrigens in derselben Form belassen. Das Werk wurde auch in andere Sprachen übertragen, wie zum Beispiel ins Lateinische als „Cantio piscis nocturna“. Natürlich „singt“ der Fisch auf lateinisch mit denselben Zeichen.
Ich empfehle dieses Gedicht zu „lesen“ und das Buch „Galgenlieder“ durchzublättern, weil niemand, oder nur ganz wenige, über so eine spielerische, humorvolle Schreibweise wie Morgenstern verfügt.