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Zeitung << 2/2007 << Studiengang Deutsches Wirtschaftsrecht in Szeged


Studiengang Deutsches Wirtschaftsrecht in Szeged
Interview mit dem Leiter des Instituts für Vergleichende Rechtswissenschaft, Prof. Dr. Attila Badó

Autorin: Bettina Hegedûs

Vorlesungen, Seminare, Prüfungen - alles auf Deutsch, unterrichtet von deutschen Muttersprachlern. Deutschsprachige Studiengänge gibt es heutzutage auch außerhalb des Bereichs der Germanisten, nämlich auch auf juristischem Gebiet. An der Juristischen Fakultät der Universität Szeged wurde im Jahre 1998 das Deutsche Wirtschaftsrecht als dreijähriger Studiengang – zwei Jahre in Ungarn und ein Jahr in Potsdam – im Rahmen des Instituts für Vergleichende Rechtswissenschaft neben den anderen Studiengängen (Amerikanisches und Französisches Recht) aufgenommen. Leiter des Instituts (so auch der drei fremdsprachlichen Ausbildungen) ist Prof. Dr. Attila Badó, der meine Fragen gern und hilfsbereit beantwortete.

Ist dieses Studium eine besondere Qualifikation?
Ja. Diese Ausbildung ist nicht nur für Jurastudierende. Studierende anderer Fakultäten kommen auch zu uns, um an dieser deutschsprachigen Rechtsausbildung teilzunehmen. Wir haben sowohl Studierende der Philosophie, für die die Übersetzung juristischer Fachtexte das primäre Interesse ist, als auch Wirtschaftstudierende, die sich für das Wirtschaftsrecht interessieren. Auch in dieser Hinsicht ist die Ausbildung als eine Ergänzung zu betrachten. Für die Studierenden anderer Universitäten gibt es ebenfalls Lösungen, zum Beispiel die Teilnahme an Blockvorlesungen.

Beinhaltet die Ausbildung nur das Wirtschaftsrecht oder auch andere Disziplinen?
Die Jurisprudenz hat zwar Bereiche, die grundsätzlich auf wirtschaftliche Fragen konzentriert sind. Aber trotz dieser Tatsache bekommen die Studierenden auch ein Gesamtbild des deutschen Rechtsystems, obwohl die Lehrfächer sich grundlegend auf das deutsche Wirtschaftsrecht richten.

Wann ist es ratsam, mit der Ausbildung anzufangen? Nach dem ungarischen Jura-Studium oder währenddessen?
Beides hat sowohl Vorteile als auch Nachteile. Während des Studiums kann der Student aufnahmefähiger für anderes sein, trotzdem bedeutet die parallele Auseinandersetzung mit dem ungarischen juristischen Studium eine sehr große Belastung. Wir denken darüber nach, diese Ausbildung in die ungarische zu integrieren, um die Last der Studenten zu erleichtern. Der Nachteil ist, dass die zukünftigen Juristen in diesem Zeitraum noch keine entsprechenden Jurakenntnisse besitzen.

Fügt sich die Ausbildung ins Bologna-System ein?
Nein, und das wäre gar nicht möglich, da dieses System in Deutschland nicht eingeführt ist. Der Bologna-Prozess erreichte das Jurastudium in Ungarn auch nicht. Es trifft allein für die französische Ausbildung zu, die aus einem dreijährigen Grundstudiengang und einer zweijährigen Master-Ausbildung besteht.

Diese Spezialisierung scheint in unserem Land einzigartig zu sein. Ist es so?
Über mehrere Jahre war es einzigartig. Heute haben wir schon Informationen über die Absicht anderer Institute, ähnliche Ausbildungen zu beginnen. Wenn ich mich nicht irre, gibt es Möglichkeiten deutschsprachiger Ausbildungen in Budapest. Anderswo unterrichtet man aber deutsches Wirtschaftsrecht nicht.

Haben Sie diese Ausbildung aufgebaut?
Ich habe die Amerikanische Rechtsausbildung aufgebaut. Das Deutsche Wirtschaftsrecht wurde von Professor Elemér Balogh - der jetzt Verfassungsrichter ist- aufgebaut; die Französische Rechtsbildung wurde von László Trócsányi aufgebaut. Später leitete ich den französischen, dann auch den deutschen Studiengang. Danach entstand aus diesen drei Studiengängen ein Institut, das ist das Institut für Vergleichende Rechtswissenschaft, für das ich verantwortlich bin und das ich leite. Außerdem gibt es für jeden Studiengang einen verantwortlichen Koordinator.

Was für Sprachkenntnisse sind erforderlich?
Die Mittelstufe ist in jeder Hinsicht notwendig, es ist von Vorteil, sehr gut Deutsch zu sprechen. Natürlich gibt es im Rahmen der Studiengänge die Möglichkeit, an Sprachkursen teilzunehmen. Dabei kooperieren wir auch mit dem Lektorat der Universität. Meiner Ansicht nach ist jedoch der primäre Aspekt die Motivation. Wenn jemand genügend motiviert ist, dann hat er auch die Fähigkeit, seine Sprachkenntnisse auf das entsprechende Niveau zu bringen.

Läuft in der Ausbildung alles auf Deutsch?
Natürlich. Eine Beschränkung gibt es jedoch: auch ungarische Professoren halten einige Kurse, aber hauptsächlich auf Deutsch. Die Blockvorlesungen stehen natürlich unter der Führung der ausländischen Professoren. Unsere jetzige Lektorin ist eine besonders nette Dame, Regina Henning.

Woraus besteht der sprachliche Teil der Aufnahmeprüfung?
Früher spielten Tests eine große Rolle, aber heute scheint – nach unserer Erfahrung – die Motivation das Wichtigste zu sein. Wenn ein Student genügend Motivation hat, bekommt er eine Möglichkeit zum Studium auch in dem Fall, wenn seine Sprachkenntnisse Mängel zeigen, weil sich ja schon nach einem Semester herausstellen kann, ob er fähig zum Aufholen ist oder nicht. Wir kennen solche Entwicklungen, dass jemand mit geringen Sprachkenntnissen nach – weniger als – einem Jahr zu einem der Besten in der Gruppe wurde. Wir führen ein Gespräch mit den Bewerbern, um diese Motivation einzuschätzen.

Verringern schwächere Sprachkenntnisse die Leistung und das Ergebnis?
Natürlich. Unsere Lektoren sind allerdings sehr großzügig und sie sehen häufig über grammatische Fehler hinweg. Der Wortschatz ist maßgeblich, da sich die Studenten die umfangreiche und schwierige Terminologie aneignen müssen.

Gibt es einen „Null-Jahrgang“ als sprachliche Vorbereitung?
Nein. Mit einem solchen Jahrgang beginnt nur der amerikanische Studiengang. Wir bekamen allerdings eine Möglichkeit von unserer Partneruniversität, dass die vor dem Diplom stehenden Studierenden eine zwei Semester lange „Master-Ausbildung“ in Potsdam erhalten können. Falls wir diese Studien in den ungarischen Rechtsstudien integrieren könnten, würden die Ergebnisse dieser Master-Ausbildung im Diplom anerkannt. Endet diese Ausbildung eigentlich mit einem Diplom?
Derzeit endet diese Ausbildung mit einem Zertifikat. Da die Potsdamer Universität die in Ungarn absolvierten Kurse anerkennt, eröffnet sich die Möglichkeit für einen Diplomerwerb in Potsdam.

Wird der vorherige Durchschnitt bei der Aufnahme in Betracht gezogen?
Nein, diese Ausbildung ist kostenpflichtig und vom Jura-Studium ganz unabhängig. Eine wichtige Neuheit ist jedoch, dass wir 2008 ein Stipendium nach dem – in dieser Ausbildung erworbenen –Durchschnitt sichern können. Dies geschieht mit der Unterstützung der Volksbank, die mehrere Stipendien für uns anbot.

Gibt es ein Stipendium für die zwei Semester in Potsdam?
Die Auslandsreisen mit Stipendium laufen in dem Rahmen des Erasmus-Programms. Die Master-Ausbildung ist eine andere Sache. Wir arbeiten schon an der Sicherung einer Finanzierung. An der Potsdamer Universität gibt es einige Stiftungen, mit deren Hilfe wir sicherlich rechnen können. Wir möchten mehr Studenten mit Stipendium ins Ausland bringen. Innerhalb der juristischen Fakultät gibt es verschiedene Beziehungen mit Deutschland, aber in unserem Institut führen die Reisen nach Potsdam.

Wie viele Studierende nehmen an der Ausbildung bzw. am Erasmus-Programm teil?
Die Anzahl eines Studienjahrgangs bewegt sich zwischen 10-20 Personen. Insgesamt sind in diesem Moment ungefähr 100 Studierende eingeschrieben. Mit Erasmus reisen jährlich 10-12 Studierende nach Deutschland.

Ist diese Zeit ausreichend, um eine Karriere in diesem Spezialbereich aufbauen zu können?
Es braucht natürlich viel mehr dazu, um nach der Ausbildung als deutscher Rechtsanwalt zu arbeiten. Als ungarischer Jurist, als Dolmetscher oder Übersetzer kann man das Wissen mit dieser ergänzenden Ausbildung nutzen.

Was für Erfahrungen haben Sie, was für Stellen können die Absolventen finden?
Unsere Erfahrungen sind gut, die Studierenden sind zufrieden mit den ausländischen Professoren. Ich kann auf Grund einer Erhebung sagen, dass die Absolventen hervorragende Stellen erworben haben, z.B. im Parlament der Stadt Brüssel. Daneben sucht man in unserer Hauptstadt besonders nach Juristen mit dieser Qualifikation.



Emese Gáspár ist Studentin der Juristischen Fakultät an der Universität Szeged. Sie begann das dreijährige deutschsprachige Rechtsstudum während ihrer Studien im Jahre 2006. Jetzt studiert sie das deutsche Wirtschaftsrecht seit drei Semestern.
Emese besuchte vor dem Universitätsleben ein zweisprachiges Gymnasium, später absolvierte sie einen Sprachkurs für juristische Fachsprache – namens Profex – am Lektorat unserer Uni. Nach diesen Vorbereitungen führte ihr Weg geradeaus zu der Aufnahmeprüfung, die sie erfolgreich bestand. „Ich habe mich für diese Ausbildung anmelden wollen, um vor allem die Möglichkeit zu haben, die deutsche Sprache sowohl in mündlicher als auch in gesprochener Form regelmäßig zu üben. Natürlich ist eines meiner Ziele, ein Studienjahr in Deutschland zu verbringen” – erklärt sie.
Ihre Stunden werden – außer den Blockvorlesungen – von Regina Henning unterrichtet. Im ersten Semester lernte die Studentin die Fachwörter und die Grundprinzipien der Rechtsgebiete wie Strafrecht, Staatsrecht, Zivilrecht und Handelsrecht, und hatte bereits auch ein Falllösungsseminar. Im zweiten Semester hörte sie Vorlesungen zu Sachrecht und Schuldrecht, und sie nahm auch an einem Europarechtsseminar und an einer Blockvorlesung – mit Professor Belling aus Potsdam – teil. Im Wintersemester 2007/2008 besucht Emese Lehrveranstaltungen zu Sachrecht, Arbeitsrecht sowie Europäisches Verfahrens- und Kollisionsrecht. Die Jurastudentin hat sehr positive Erfahrungen gemacht, auch bezüglich der von den ungarischen ein bisschen abweichenden Methoden. In den Stunden arbeiten sie hart, diskutieren fließend miteinander, sie lösen Rechtsfälle und geben Erklärungen für die Ergebnisse. Im Gegensatz zu ungarischen Prüfungen darf man in den deutschsprachigen das Gesetzbuch verwenden, also brauchen die Studierenden die Gesetze nicht auswendig zu lernen. „In dieser Ausbildung kannst du die logische juristische Denkweise erlernen” – sagt die Studentin.
Emese hat noch keine konkreten Ziele im Bezug auf die ferne Zukunft, aber sie plant schon, eine fachliche Sprachprüfung abzulegen und ein Jahr mit Erasmus in Deutschland zu studieren.