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Zeitung << 2/2007 << Volkskunst und Tradition heute


Volkskunst und Tradition heute
Gespräch mit dem jungen Volksmusiker und Germanistikstudenten Dániel Lipták

Autorin: Mónika Hevesi

Er sammelt Volkslieder in Ungarn und Rumänien, spielt in drei Bands, unterrichtet Englisch, und ist Lehrer der Kunstschule Mester Tanoda in Szeged. Er spielt einmal im Monat im JATE Klub, aber ich kenne ihn von unseren gemeinsamen Seminaren: Dániel Lipták ist Germanistikstudent an der Universität Szeged.

Wie hast du die Volksmusik kennen gelernt?
Ich habe zuerst mit dem Singen angefangen. Die Musiklehrerin in der Schule bewog mich – da ich als Kind eine gute Stimme hatte –, zu Volksliedsängerwettbewerben zu gehen. Und sie musste mich auch nicht zwingen, denn ich gewann das Volksliedersingen lieb. Und weil ich in der Musikschule Geige spielte, fiel mir nach einiger Zeit ein, dass ich die instrumentale Volksmusik ausprobieren könnte. Ich bewegte mich in solchen Kreisen – auch durch meine Musiklehrer –, dass ich zu Tanzhäusern ging. Ich ging auch zu Tanzhaustreffen in Budapest, und hörte diese Musik, und gewann auch die instrumentale Musik lieb. Mit dreizehn Jahren fing ich an, Volksmusik auch auf Geige zu spielen.

Wer war dein Vorbild, wer hat dich inspiriert?
Ich habe vieles von einem älteren Kollegen gelernt, mit dem ich heute zusammen in der Kapelle Békés Banda spiele. Er heißt Sándor Barbócz und wohnt in Gyula. Ich komme auch aus Gyula. Als ich noch Teenager war, unterrichtete er mich für mehrere Jahre. Aber es war auch wichtig, dass ich auch schon damals in Siebenbürgen und auch in Ungarn an mehreren Volkstanz- und Volksmusikcamps teilgenommen habe, wo ich die alten Meister, die alten Dorfmusikanten, Zigeunermusikanten aus Siebenbürgen treffen und von ihnen vieles lernen konnte. Es gibt heutzutage mehrere solcher Treffs, in Ungarn zum Beispiel in Jászberény – das hat schon eine lange Tradition –, und in Siebenbürgen zum Beispiel in Válaszút, welches von Zoltán Kallós veranstaltet wird. Er ist ein großer Gelehrter auf dem Gebiet der Volksmusik. Und es gibt auch ein Camp in Gyimes. Das ist eine andere interessante Region im Osten von Siebenbürgen, östlich von Csíkszereda. Die Musik, besonders die Geigenmusik, die dort erhalten geblieben ist, ist ganz interessant, und das finde ich auch ganz toll.

Du spielst sogar in mehreren Bands.
Ich spiele jetzt in drei Bands. Einmal bei Rozsdamaró, dann in Békés Banda; meistens spielen wir in dem Komitat Békés. Mit der Békés Banda spielen wir auch rumänische Musik, die Musik der Rumänen in Ungarn: in Méhkerék, Elek und Kétegyháza. Wir arbeiten zusammen mit der Volkstanzgruppe der rumänischen Minderheit in Ungarn. Rozsdamaró musiziert meistens in Szeged und in dieser Gegend. Wir haben auch regelmäßig diese Táncház-Partys im JATE Klub und auch woanders. Und es gibt auch eine dritte Band, die heißt Mentés Másként Trió. Wir sind zu dritt: Tünde Ivánovics singt, Géza Fábri spielt Laute. Das ist ein Seiteninstrument. Und ich spiele da auch die Geige. Mit dieser Gruppe spielen wir Musik aus Moldau, dem östlichen Teil des heutigen Rumäniens, wo es auch eine ungarische Bevölkerung gibt. Die heißen „moldvai csángók“ (Moldauer Tschangos). Ihre Kultur, die sie bis heute auch bewahrt haben, finden wir sehr wertvoll, und wir lassen uns davon inspirieren.

Du hast mit diesen Bands auch mehrere CDs aufgenommen.
Ja. Die CD von Rozsdamaró ist schon vor fünf Jahren erschienen. Auch mit Békés Banda haben wir vor einigen Jahren eine CD gemacht, die die Musik der Rumänen in Ungarn darstellt. Die erste CD, die wir mit Mentés Másként zusammen gemacht haben, heißt auch eben Mentés Másként. Aber vor einem Jahr haben wir eine kürzere CD aufgenommen, die noch nicht offiziell publiziert ist. Der Anlass dazu war das Bartók-Jahr 2007. Und der Titel ist „Menyegző” (Hochzeit), der Untertitel heißt „Balladák és kolindák Bartók­nak“ (Balladen und Kolinden für Bartók). Das ist eine Bearbeitung von mehreren Volksballaden, Volksliedern und Tanzmelodien, meistens aus Moldau, ungarisch wie auch rumänisch, und etwa im Geiste von Bartók, getreu den Prinzipien, die er als Komponist sich ausgedacht hat, und von denen aus er auch geschrieben hat. Wir haben überlegt, wie wir seine Gedanken, seine Prinzipien in unsere tägliche Arbeit und in unserer Musik, in unseren Bearbeitungen verwenden können, oder wo wir ähnlich denken. Die Musik, die wir eigentlich anstreben, ist den Traditionen der Volksmusik getreu, aber andererseits auch innovativ. Die Volksmusik, die Melodien dieser Volkslieder sind für uns auch eine persönliche, eine private Sache. Wir bringen auch etwas Persönliches in all diese Lieder, diese Melodien, die wir spielen, hinein.

Was denkst du, wie kann man die Volksmusik unter Jugendlichen populärer machen?
Es gibt ganz viele Jugendliche, die sich sowieso für Volksmusik begeistern, und es gibt eine gewisse Anhängerschaft dieser Musik, auch wenn es einem im Alltagsleben nicht auffällt. Es gibt recht viele junge Leute, denen man nicht erklären muss, warum das gut ist, weil das einfach ihre Lieblingsmusik ist, wie zum Beispiel auch meine. Und weil Szeged eine Universitätsstadt ist, Gott sei Dank, gibt es viele Jugendliche, mit denen wir in unseren Tanzhäusern rechnen können. Der JATE Klub ist auch deshalb ideal, weil nicht nur solche Leute dorthin kommen, die ausdrücklich auf unser Tanzhaus neugierig sind, sondern es sind immer Leute dort und immer schauen auch neue Gesichter herein.

Wie ist dieses Tanzhaus entstanden? Wie habt ihr diesen Tanzunterricht mit euren Musikaufführungen zusammengebracht?
Das Tanzhaus im JATE Klub ist seit vier Jahren tätig. Früher gab es solche Tanzhäuser auch im Hauptgebäude der Hochschule in Szeged, in dem Tamási Áron Klub und in Alsóváros im Kulturhaus „Kapca“. Der JATE Klub ist für uns sehr geeignet. Wir haben unsere Freunde, unsere Tänzer-Freunde, darum gebeten, dort zu unterrichten. In der letzten Zeit unterrichtet dort Sándor Varga, der Dozent des Lehrstuhls für Volkskunde und ein sehr guter Tänzer ist.

Das habe ich auch selbst erfahren. Ihr habt mit der Band Rozsdamaró auch einen Preis gewonnen.
Ja, es gibt einen Titel: „Népművészet Ifjú Mestere“ (Junger Meister der Volkskunst). Wir haben uns für den Titel 2005 beworben, und wir haben ihn auch gewonnen.

Woher kommt eigentlich der Name Rozs­damaró? Er klingt so rätselhaft.
Es ist eigentlich ein Name, der für sich selbst steht; er klingt gut, hat eine gute Stimmung und ruft Kindheitserinnerungen hervor. Und er will auch etwas andeuten, was wir mit dieser Tradition, die altmodisch, rostig, vom Holzwurm angenagt, unmodern scheint, verbinden und die so lange „scheuern“, bis sie wieder wirkt. Aber in der Wahrheit braucht sie das nicht, weil es eine solche Tradition gibt, die wirkt. Es ist eben das Wesen der ungarischen Tanzhausbewegung. Das ist einzigartig und begann in Ungarn Anfang der 70er Jahre. In vielen Ländern versuchten sich die Leute auf vielerlei Art ihre Volkskultur zu erhalten. In den sozialistischen Ländern war es so, dass die Volkskultur im Rahmen bestimmter „hurraoptimistischer“ Aufführungen in den Dienst der Ideologie gestellt wurde. In Ungarn aber gründete sich diese Untergrund-Bewegung auf dem einfachen Gedanken, dass diese Musik und dieser Tanz dazu gebraucht werden sollen, wozu sie zu gebrauchen sind. Also als Gesellschaftstanz, als eine Form der Gesellschaftsunterhaltung, wie es in den Dörfern funktionierte. Und man muss nichts Besonderes damit tun, um es wirksam zu machen. In Ungarn wirkt und blüht diese Bewegung seit dreißig Jahren, in anderen Ländern wird man aber darauf erst jetzt aufmerksam, und eben von uns Ungarn lernen sie diese Methode oder Einstellung, so zum Beispiel die Slowaken.


Békés Banda
Die Band aus dem Komitat Békés sammelt seit mehr als zwanzig Jahren die Musik der rumänischen Minderheit in Ungarn, und hat eine besonders enge Beziehung mit den Musikern und Tänzern der drei ungarisch-rumänischen Siedlungen Elek, Méhkerék und Kétegyháza. Die Kapelle spielt authentische Volksmusik, und begleitet mit dieser oft die Aufführungen der rumänischen Tanzgruppen der Gegend. Sie machen auch Tanzhausveranstaltungen, Konzerte und Aufführungen. Ihre erste selbstständige CD „Joc“, deren rumänische Titel eigentlich Tanz und Vergnügung bedeutet, ist 2004 erschienen.
Mitglieder: Sándor Barbócz, András Csepregi, Hajnalka János, Dániel Lipták, Gábor Nagy

Mentés Másként Trió
Bei dieser Band verflechten sich Tradition und die Erlebnisse der Bandspieler auf so eine Art und Weise, dass eine eigenartige zeitgenössische Musik geschaffen wird. Die Melodien der Moldauer Volksmusik leben in den Liedern des Trios weiter. Eine Synthese von Laute und Geige, von ungarischen und rumänischen Klängen ist charakteristisch für ihre Musik. Sie spielen außer den Moldauer Liedern auch rumänische Melodien, historische Musik, aber auch Lieder aus dem südlicheren Teil der Ungarischen Tiefebene.
Mitglieder: Géza Fábri, Tünde Ivánovics, Dániel Lipták

Rozsdamaró
Die Gruppe wurde 2000 von Szegeder Studenten gegründet und besteht aus drei Musikanten, wie in den typischen ungarischen und Siebenbürger-Bands der Dorfmusiker. Sie spielen meistens Musik aus Siebenbürgen, ungarisch wie auch rumänisch, aber wir können von ihnen auch Melodien aus dem Gebiet des ehemaligen Oberungarns, oder aus Moldau und Gyimes hören, und die Lieder der rumänischen Minderheit von Ungarn spielen sie genauso gern. Sie treten mitunter auch mit befreundeten Sängern und Musikern auf, spielen in Tanzhäusern und begleiten Volkstanzgruppen. Ihre erste CD „Egykor és most“ (Damals und heute) ist 2002 erschienen.
Mitglieder: Dániel Lipták, Gábor Nagy, Gusztáv Králik