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Zeitung << 2/2007 << Der „goldene“ Weg zum weißen Gold
Der „goldene“ Weg zum weißen Gold
Ein Besuch in der ältesten Porzellanmanufaktur Europas in Meißen
Autor: András Horváth
Genau 300 Jahre ist es her, dass das von den Chinesen sorgfältig verborgene Geheimnis der Herstellung des Porzellans in Europa aufgedeckt wurde. Wer aber als Erfinder des „weißen Goldes“ gilt, darüber lässt sich nach wie vor streiten.
Der Weg zum europäischen Porzellan
Die Geschichte fing 1701 an, als der damals 19-jährige Apothekengehilfe Johann Friedrich Böttger auf der Flucht vor dem preußischen König vom sächsischen Kurfürsten August des Starken gefangen genommen wurde. Der Grund dafür war, dass der junge Mann in dem Ruf stand, aus Leichtmetall Gold herstellen zu können:
„Sie wissen, wer vor Ihnen steht“, äußerte der König kalt. „Man hat mir von Ihren Forderungen berichtet. Sie verlangen eine sehr hohe Summe für die Herstellung der bewussten Substanz. Wie rechtfertigen Sie das? Wir wollen Garantien.“ – „Königliche Majestät, Ihr untertänigster Diener versichert Ihnen, dass ich Ihrer Durchlauchtigsten, Königlichen Majestät nach einer gewissen Zeit das Hundertfache dieser Summe werde erstatten können – in Gold.“ (Auszug aus dem Roman „Der Goldmacher“).
Böttger wurde also nach Dresden gebracht und eingesperrt, damit das versprochene Ergebnis später beim Fürsten blieb. Der Junge experimentierte unter der Aufsicht von Ehrenfried Walther von Tschirnhaus, einem Mathematiker und Physiker, der schon lange Versuche gemacht hatte, um dem chinesischen Geheimnis auf die Spur zu kommen. Er lenkte die sinnlosen Experimente des Goldmachens in andere Bahnen, nämlich in Richtung Porzellan.
1707 gelang es ihnen, ein hartes rotbraunes Material herzustellen, das später unter der Bezeichnung „Böttger-Steinzeug“ bekannt wurde. Im folgenden Jahr, 1708 fanden Böttger und Tschirnhaus die Rezeptur des weißen Hartporzellans heraus.
Den Ruhm konnte Tschirnhaus nicht mehr erleben, weil er noch im selben Jahr plötzlich verstarb. Die weitere Anfertigung fand aber nicht mehr in den Dresdner Kasematten statt, da August der Starke die Fabrik 1710 nämlich auf die Albrechtsburg in Meißen verlegte. In dieser sicheren Umgebung wurde eine Porzellanmanufaktur eingerichtet, deren Leitung Böttger übernahm. Seitdem wird das weiße Gold von Sachsen in Meißen angefertigt.
Die Stadt Meißen
Im Rahmen eines Hochschulsommerkurses, gefördert durch den DAAD, hatte ich im Sommer 2007 die Möglichkeit, dieser kleinen malerischen Stadt einen Besuch abzustatten. Meißen liegt 25 km von Dresden entfernt im Elbtal und ist eine Station an der Sächsischen Weinstraße. Ihre Geschichte – wie ich erfahren habe – geht mehr als tausend Jahre zurück: 929 ließ hier König Heinrich I. eine Burg als Festung gegen die Slawen errichten. Im 15. Jahrhundert entwickelte sich Meißen zum Zentrum des Kurfürstentums Sachsen. Aus dieser Zeit stammen der gotische Dom und die Albrechtsburg.
Wir besichtigten auch weitere Sehenswürdigkeiten der Stadt: zum Beispiel die Meißner Frauenkirche, die unter anderem für ihren Turm berühmt ist, in dem man das älteste Porzellanglockenspiel der Welt hören kann. Die St. Afra Kirche ist die älteste Kirche in der Stadt. Sie erhielt ihren Namen nach einer Heiligen, die in der Zeit der Christenverfolgungen des vierten Jahrhundertes als Prostituierte gelebt hatte und nach der Begegnung mit einem Bischof zum Christentum übergetreten war. Die meisten Gebäude der Stadt wurden übrigens von den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges verschont. Die Wiege Sachsens ist also unbedingt einen Besuch wert, wenn man eine Begegnung mit Kultur, Schönheit und gutem Wein erleben möchte.
Bestandteile und Herstellung – ein kurzer Überblick
Ähnlich wie in der ungarischen Porzellanmanufaktur in Herend gibt es auch in Meißen eine Schauwerkstatt, in dem die Besucher Schritt für Schritt selbst beobachten können, wie aus den Rohstoffen die bemalten und glasierten Porzellanstücke gefertigt werden. Das folgende Kapitel sollte dazu als Einführung dienen:
Die Hauptbestandteile des weißen Goldes sind Kaolin, Quarz und Feldspat. Je nach Anteil dieser Elemente unterscheidet man zwischen Weichporzellan und Hartporzellan. Die genaue Mischung hängt von den verschiedenen Produzenten ab und wird von ihnen verheimlicht. Die Rezeptur wurde in China seit dem 7. Jahrhundert geheim gehalten und das Erzeugnis konnte nur teuer von dort beschafft werden, bis die Herstellung auch in Europa begann.
Nach der Vermischung der Bestandteile mit Wasser entsteht eine flüssige Masse, die dann in Gipsformen gegossen wird. Hier erhält das Porzellanstück sein erstes Muster. Nach einer Standzeit, während der Gips seine Funktion erfüllt, der Masse das überflüssige Wasser zu entziehen, wird das noch weiche Porzellan aus der Arbeitsform entnommen. Flache Porzellanartikel, wie zum Beispiel Teller, werden mit einer anderen Methode bearbeitet; sie werden gepresst und gerollt. Komplexe Produkte müssen aus mehreren Teilen zusammengesetzt werden. Dieser Prozess findet noch vor dem Brennen statt und das Material muss dazu sauber und noch feucht sein. Die Porzellanwaren werden danach das erste Mal gebrannt. Bei einer Temperatur von etwa 1000°C wird ihnen das restliche Wasser entzogen und sie erhalten ihre endgültige Festigkeit. Als Letztes bekommt das Porzellan die Glasur, der aber meistens noch die Handbemalung mit natürlichen Farbstoffen vorangeht. Der letzte Schritt im Prozess ist das zweite Brennen, durch das bei 1400°C und nach mehreren Stunden das Endprodukt entsteht.
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