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Zeitung << 2/2007 << Humboldt-Kolleg an der Universität Szeged


„Schön aber unverständlich?” Georg Trakl und die literarische Moderne
Humboldt-Kolleg an der Universität Szeged

Autorin: Réka Bányai

„Kennst du den Sinn der dunklen Jahre” – vielleicht ist dieser Satz das beste Motto der internationalen Trakl-Konferenz, die vom 27. bis 30. September 2007 in Zusammenarbeit der Literaturwissenschaftlichen Abteilung des Humboldt-Kollegs und dem Lehrstuhl für österreichische Literatur und Kultur der Universität Szeged veranstaltet wurde.

Organisator und Leiter der Konferenz war Károly Csúri, ehemaliger Humboldt-Stipendiat und Leiter des Lehrstuhls für österreichische Literatur und Kultur. Literarische Modernität, besonderer originaler Sprachgebrauch, biographische Elemente und wirkungsgeschichtlicher Überblick, also alle Arten von Geheimnissen „der dunklen Lebensjahre” des Dichters gewannen als Grundfragen Platz im Programm der Veranstaltung, deren Anlass das 120. Jubiläum der Geburt Georg Trakls war.
Die Vorbereitungen begannen schon im März 2007, also schon ein halbes Jahr vor der Konferenz - erzählte mir Mariann Nagy-Némedi, Sekretärin des Lehrstuhls und neben Károly Csúri die andere Organisatorin der Konferenz. Die lange Vorbereitungsphase wurde wirklich gebraucht, wegen der mehrmaligen Abstimmungen für die Unterkunft und Verpflegung der Teilnehmer, obwohl die Konferenz nicht unbedingt zu den größten zu zählen war. Es kamen Professoren aus sechs Ländern, neben Österreich, Deutschland, Ungarn, Rumänien und Italien auch aus Kanada. Unter den siebzehn Konferenzvorträgern waren u.a. Árpád Bernáth und Károly Csúri (Universität Szeged), Hans-Georg Kemper (Universität Tübingen), Hartmut Steinecke (Universität Paderborn), und auch der Textlinguist János S. Petõfi, dessen Namen auch die Hungarologiestudenten kennen können.
Die Professoren waren alle einmal Stipendiaten der Humboldt-Stiftung, einer internationalen wissenschaftlichen Institution in Deutschland. Sie haben im Laufe der Jahre eine so gute Beziehung untereinander ausgebaut, dass sie, wie viele und unterschiedlichen Alters sie auch sein mögen, noch bis heute den Wunsch haben, einmal im Jahre zusammenzukommen – natürlich im Rahmen einer wissenschaftlichen Konferenz. Diese gute Stimmung konnten wir während des ganzen Konferenzwochenendes spüren – und auch die gemeinsame Neigung zur Kunst und Literatur durch die hochwertigen Vorträge.
Die Themen der Konferenz waren mit vielen Gebieten des Lebens und Werkes Georg Trakls verbunden. Von Árpád Bernáth konnten wir eine mögliche semantische Analysetheorie der Traklmetaphorik hören. Laut dessen liegt die Kompliziertheit der Bildlichkeit Trakls daran, dass die Denotate, die Gegenstände, die er in den Gedichten benutzt, gleichzeitig in mehreren Verständnisschichten existieren und ihre Bedeutungen im Rezipienten gleichzeitig mitwirken.
Dieses komplexe, mögliche Textweltbild – mit dem Begriff von Károly Csúri formuliert – hat aber seine eigenen Bedeutungs- und Funktionsregeln, die ein unglaublich symmetrisches Netz in den Texten zu Stande bringen. Diese Regeln sind durch die Syntax, Textlinguistik sowie die lexikalische und die Textsemantik zu erkunden – so hat es János S. Petõfi durch seine rein linguistische Textanalyse des Gedichtes Geburt sichtbar und deutlich gemacht.
Am meisten aufwühlend und eine rege Diskussion entfachend war der Vortrag von Arno Dusinis, Dozent der Wiener Universität, der immer wieder zu umstrittenen Standpunkten Stellung bezog, Trakls Biographie als Schlüssel zur Interpretation zu nehmen. Aufgrund seiner Theorie konnten wir im Gedicht Kaspar Hauser Lied ein ziemlich heikles Geheimnis Trakls Gedächtnis entdecken: laut seiner Interpretation haben Trakl und seine Schwester Margarete in ihrer inzestuösen Beziehung ein gemeinsames Kind gehabt, das aber entweder ungeboren blieb oder zumindest wie Kaspar Hauser außerhalb der Gesellschaft lebte. Interessant an der Theorie ist, dass Margarete im März 1914 tatsächlich eine Fehlgeburt erlitten hatte, das Gedicht hat Trakl auch um 1914-15 geschrieben. Es gab also wirklich einen möglichen Grund für die auf diesen erlebten Momenten beruhende biographische Analyse des Gedichtes.
Das Programm war wirklich kompakt, aber zum Amüsieren und Medienwechsel blieb doch Zeit: In den drei Tagen gab es mehrere Zusatzveranstaltungen, die sich auf das Thema der Konferenz bezogen, und es auf andere Art und Weise vermittelten. Nach der Ankunft der Gäste gab es eine herzliche Begrüßung von Géza Horváth, unserem Institutsdirektor, und einen Besuch in der Ausstellung im Móra-Ferenc-Museum, in der japanische Kunst und Kunststile vorgestellt wurden.
Am nächsten Abend konnten die Konferenzgäste das echte starke ungarische Temperament in den unterschiedlichen ungarischen Volkstanzarten genießen. Die hohe und feine Tanzqualität der ungarischen Volkstanzgruppe der Universität Szeged faszinierte jeden Gast, nicht nur die Ausländer.
Auch das studentische Publikum nahm an mehreren öffentlichen Veranstaltungen teil: In der Universitätsbibliothek gab es eine Gastausstellung aus dem Brenner-Archiv Innsbruck über Trakls Leben. Als wirklich gelungener Einstieg in den Stil Georg Trakls galt dann eine stimmungsvolle Lesung von seinen Gedichten und eine Schubert-Sonate – jeweils von einem österreichischen Schauspieler und einem ungarischen Pianisten im Festsaal des Universitätsgebäudes vorgeführt. Als Schluss und Höhepunkt der erfolgreichen Konferenz gab es noch eine Exkursion in die Bugac-Puszta, wo neben dem Puszta-Museum auch noch ein gemeinsamer lustiger Kreisvolkstanz besichtigt werden konnte. Ob die Trakl-Forschung während dieser Konferenz wirklich näher an die Deutung der Geheimnisse und des „Sinnes der dunklen Jahre” Georg Trakls kam, sei dahingestellt. Ich persönlich bin dankbar dafür, dass ich als studentische Helferin an dieser Konferenz teilnehmen durfte und so die Dichtung Georg Trakls ein wenig näher kennen lernen konnte.


Leben und Werk Georg Trakls

Georg Trakl wurde am 8. Februar 1887 in Salzburg geboren. Er war das fünfte von sieben Kindern der Familie Trakl. Obwohl beide Eltern ein ordentliches Bürgerleben führten, waren beide nach Zeugnis von Bekannten rückblickend als schwer gestörte Menschen einzustufen. Georg Trakl verbrachte seine Kindheit und Jugendzeit in Salzburg. Zu dieser Zeit begann er sich für französische Lyrik zu interessieren, da die Kinder der Familie eine französische Gardedame hatten. In seinem späteren Werk sind unter anderem Einflüsse von Arthur Rimbaud und Charles Baudelaire deutlich zu erkennen. Zu seiner viereinhalb Jahre jüngeren Schwester Margarethe entwickelte sich eine sehr innige Beziehung; Trakl sah in ihr ein Abbild seiner selbst. Die „Schwester“ wird in Trakls späterem Werk oft genannt. Das Staatsgymnasium hat er in Salzburg von 1897 bis 1905 besucht, seine Schullaufbahn beendete er ohne Matura 1905. Im September desselben Jahres begann er ein dreijähriges Praktikum in einer Salzburger Apotheke. Durch diese Anstellung war es für ihn leicht, an Rauschmittel zu kommen. 1906 wurden frühe Theaterstücke Trakls erstmals am Salzburger Stadttheater aufgeführt. 1908 wurde mit Das Morgenlied, das erste Gedicht Trakls in einer Zeitschrift veröffentlicht. Im selben Jahr schloss er das Apothekerpraktikum ab und begann in Wien Pharmazie zu studieren. Es folgten weitere Veröffentlichungen, nun auch außerhalb Salzburgs. Nach dem Tod des Vaters 1910 geriet die Familie in finanzielle Schwierigkeiten. Es verursachte den Durchbruch in eine reifere, schwermütige Lyrik, die sein Werk ab diesem Zeitpunkt charakterisieren sollte. Nach dem Ende seines Militärjahres versuchte er als Apotheker Fuß zu fassen, was ihm jedoch nie richtig gelang, ihn aber 1911 nach Innsbruck führte. Hier lernte Trakl 1912 auch seinen großen Förderer Ludwig von Ficker kennen, in dessen renommierter Halbmonatszeitschrift Der Brenner seine Gedichte von nun an regelmäßig veröffentlicht wurden. 1912 bekam Georg Trakl eine Stelle als Militärmedikamentenbeamter in Wien. Nachdem 1913 sein Manuskript Gedichte vom Leipziger Kurt Wolff Verlag veröffentlicht wurde, reiste Trakl mit Kraus, Loos und Ficker nach Venedig und hielt Ende des Jahres seine erste und einzige öffentliche Lesung in Innsbruck. Trotz seiner literarischen Erfolge sprach der Dichter von einer „Kette von Krankheit und Verzweiflung“, die sein Leben heimsuche. 1914 arbeitete Trakl weiter an seinem zweiten Gedichtband Sebastian im Traum, den er selbst noch auf den Weg zur Veröffentlichung brachte. Im August 1914 brach der Erste Weltkrieg aus. Trakl wurde als Militärapotheker ins Heer einberufen, er arbeitete in einem Lazarett bei Grodek. Er hatte in den meisten Fällen keine Möglichkeit, den Sterbenden zu Hilfe zu kommen und floh nach einem missglückten Versuch, sich selbst eine Morphiumspritze zu verabreichen, aus dem Lazarettzelt. Er erlitt einen Nervenzusammenbruch und starb am Abend des 3. November 1914 nach einer Überdosis Kokain an einer Herzlähmung.
Seine berühmtesten Werke sind zwei Gedichtbände (Gedichte – 1913; Sebastian im Traum – 1915), Veröffentlichungen in der Zeitschrift Brenner, Dramenfragmente und Gedichte im Nachlass. (www.wikipedia.de)