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Zeitung << 2/2007 << Mit Erasmus gen Süden


Mit Erasmus gen Süden, in die Stadt des Sonnenscheins Szeged
Bericht über ein Erasmussemester am Institut für Germanistik in Szeged

Autorin: Adamma Stekovics

Szeged, (un)bekannte Stadt des Sonnenscheins
„Szeged? Wo liegt das denn?“, war die Frage, auf die man warten konnte, wie auf das Amen in der Kirche. Diese beantwortete ich dann mit: „In Ungarn.“ Was die von mir bereits erwartete Nachfrage zur Folge hatte: „Was willst Du denn in Ungarn?“. Inzwischen an solche Art von verständnislosen Fragen gewöhnt, antwortete ich routiniert: „1. Warum nicht Ungarn, 2. Szeged liegt im Süden und hat 2100 Sonnenstunden im Jahr, 3. Es gibt dort eine etablierte Auslandsgermanistik, 4. Ich habe dort schon einmal gelebt und 5. Ich möchte mein Ungarisch etwas aufpeppen.“ „Aha!“ oder „Ich wusste gar nicht, dass du Ungarisch lernst“ waren die klassischen Gegenbemerkungen meines Gegenübers, ohne ihn mit dieser Ausführung zufrieden gestellt zu haben oder sogar überzeugt zu haben, dass sich ein Aufenthalt aus oben genannten Gründen lohnen, ja rechtfertigen lassen würde. Gelegentlich gab es aber auch einige, die beim Hören von „Szeged“ gleich an das Szegeder Gulasch dachten. Immerhin etwas konnte seinen Weg auch in das erzkatholische Bayern bahnen.

Vorbereitung auf meinen Aufenthalt an der Germanistik in Szeged
Nun gut, also Szeged sollte meine neue Heimat für die nächsten fünf Monate werden. Aber wie kam es dazu? Seit meinem einjährigen Aufenthalt in Spanien 2000 hatte ich mir fest vorgenommen, während meines Studiums noch mindestens einmal eine ausgedehntere Zeit im Ausland zu verbringen. Das Vorhaben war gefasst, jetzt galt es nur noch den richtigen Zeitpunkt für so einen „längeren Ausflug“ zu finden. Das siebte Semester sollte es dann sein. Meine Zwischenprüfung hatte ich erfolgreich bestanden und das Hauptstudium für mein Hauptfach hatte ich auch schon beendet. Der perfekte Zeitpunkt, um sich eine Auszeit zu gönnen. Über die Finnougristik, bei der ich schon zu Studienbeginn angefangen hatte Ungarisch zu lernen, konnte ich mit Erasmus nach Szeged gehen. Das, obwohl ich nicht einmal Finnougristik als solches studiere, aber solange ein Erasmuskontakt über irgendein Institut besteht, ist das an meiner Universität, der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), möglich. Diese Möglichkeit habe ich denn auch genutzt.
Voller Vorfreude durchforstete ich gleich das Vorlesungsverzeichnis der Germanistik der Universität Szeged und war begeistert von dem vielseitigen Angebot; vor allem von so „exotischen Kursen“ wie dem trilateralen Seminar mit Polen (obwohl ich den Kurs am Ende leider aus stundenplantechnischen Gründen nicht besuchen konnte). Mein Stundenplan stand schon lange fest, obwohl ich noch nicht einmal die Zusage für meine Bewerbung erhalten hatte. Ende April war es dann endlich soweit, und ich erhielt das O.K. für meinen Erasmusaufenthalt in Szeged.

Ein Sprachkurs in Szeged als Auftakt
Ende Juli ging es dann gen Szeged, zu einem vierwöchigen Sprachkurs, der mir im Rahmen des Programms ermöglicht wurde. Als ich am 27. Juli in Szeged ankam, war es vor allem eines: heiß! Ich fühlte mich sofort ins mediterrane Spanien versetzt. Ich war begeistert. Es war nicht mein erster Aufenthalt in Ungarn; das Jahr zuvor hatte ich auch einen vierwöchigen Sprachkurs absolviert, das war aber in Debrecen. Auch ein sehr schöner Flecken Erde, der aber nicht dieses südliche Flair hat wie die Stadt des Sonnenscheins. Da war ich nun also in Szeged und ein vierwöchiger Sprachkurs mit 6 Stunden am Tag erwartete mich. Super!
Während dieses Sprachkurses lernte ich außer der ungarischen Sprache noch viel über die ungarische Geschichte, Kultur, Politik und Geographie. Besonders beeindruckt hat mich die Vorlesung zur Soziolinguistik, in welcher es um das Ungarische in den Vereinigten Staaten und um seine Beeinflussung durch das Englische ging. Das war sehr spannend und lustig zugleich – bei Wörtern wie aizbokszi (icebox), hónimún (honeymoon), csekolni (to check) und vielen anderen Wörtern habe ich Tränen gelacht. Während meines Aufenthalts haben wir natürlich auch die nähere Umgebung Szegeds erkundigt; Ausflugsziele waren Gyula, Ópusztaszer, Hódmezõvásárhely, aber auch Budapest.

Studieren bei den Germanisten in Szeged
Im Anschluss an die vier Wochen Ungarischsprachkurs fand die Orientation week für alle Erasmusstudierenden statt, während der nicht nur Informationen zur Universität Szeged und zum (undurchschaubaren) ETR-System gegeben wurden, sondern auch eine Stadtführung durch Szeged mit der elektrischen Eisenbahn unternommen wurde.
Den Rest der Woche hatte ich mich vor allem damit beschäftigt, meinen Stundenplan zu re-organisieren. Schließlich galt es, die verschiedenen Veranstaltungen, die ich gerne zu meinem bereits bestehenden Stundenplan noch besuchen wollte und die 30 ECTS-Punkte, die mir vom Erasmus-Programm vorgeschrieben waren, zu vereinbaren. So hatte ich denn vier Veranstaltungen bei den Germanisten und noch diverse andere Kurse für Erasmusstudierende, die ich letztendlich besuchte. Neun Stunden Ungarisch standen dabei auch auf meinem Programm. Am Institut für Germanistik habe ich dann Veranstaltungen zur Pragmalinguistik bei Frau Dr. Drewnowska, die Einführung in die Semantik und Kontrastive Landeskunde bei Marco Winkler und den Kurs zu Kontrastive Linguistik/ Sprachtypologie bei Herrn Prof. Dr. Bassola besucht.
Am Montag, den 10.09.2007 begann das Semester für mich an der Szegeder Hochschule. Ich war schon sehr gespannt auf das Studieren in Ungarn. Und schon gleich zu Beginn gab es eine wohl bemerkbare Auffälligkeit: der Unterricht an der Universität in Szeged beginnt ohne das akademische Viertel, d.h. dauert ein Kurs von 12 – 14 Uhr, beginnt die Veranstaltung pünktlich um 12 Uhr. An der Münchner Uni würde die Veranstaltung dann mit den Lettern s.t. (sine tempore) versehen werden.
Im Hinblick auf den Unterrichtsverlauf und seine Gestaltung sind mir während meines Aufenthalts in Szeged auch einige Unterschiede aufgefallen. Vorlesungen gestalten sich allgemein interaktiver als ich es von meinem bisherigen Studium gewöhnt bin. Der Dozierende bezieht die Studierenden mehr in seinen Vortrag mit ein, indem er Fragen stellt, die auf eine Diskussion abzielen oder die Einbringung durch die Studierenden verfolgt. An der LMU ist es Usus, dass der Dozierende die Veranstaltung alleine bestreitet. Es ist natürlich nicht verboten Fragen zu stellen und manche versuchen die Studierenden auch mittels Fragestellungen einzubeziehen. Aber das ist eher selten der Fall und als Gegenstand der Vorlesung aus engerer deutscher wissenschaftlicher Sicht auch nicht vorgesehen. Mir hat das aber sehr gut gefallen.
Seminare hingegen verlaufen etwas weniger aktiv. Die Studierenden halten sich eher zurück und verfolgen mehr passiv das Seminar, das durch Mitstudierende durch Referate gestaltet wird. Das fand ich sehr schade und hat die Veranstaltungen teilweise sehr schwerfällig gemacht. Kam jedoch eine Diskussion auf, war ich immer wieder begeistert, wie sicher sich meine KommilitonInnen der deutschen Sprache bedienen; sich eine derartige Diskussion auf Ungarisch für mich vorzustellen, ist (fast) undenkbar.
Ungewöhnlich für mich waren auch solche Veranstaltungen, die in Form einer Konsultation beim Dozierenden abgehalten wurden. Eine solche Gestaltung des Unterrichts hat insofern den Vorteil, dass man in den Werdegang des Unterrichts mehr eingebunden ist und auf diese Art und Weise mehr aus dem Unterricht mitnimmt.
Meines Erachtens ist eine gute Einrichtung, die ich bei den Germanisten in Szeged leider nicht gefunden habe, das studentische Organ in Form einer Fachschaft, die sich (nicht nur) für die Belange der Studierenden einsetzt. Das wäre vielleicht bezüglich der Studienordnung, die den Studierenden das Leben hier an der Szegeder Germanistik schwer zu machen scheint (Module, welche und wie viele Scheine), eine zweckdienliche Einrichtung.
Interessant war auch, dass bei der Belegung von Kursen, wie ich von einigen Mitstudierenden erfahren habe, auf die Anzahl der Kurse, die in der Linguistik oder Literaturwissenschaft belegt werden, geachtet werden muss; jeder weiterer „zu viel“ belegter Kurs ist nicht mehr unentgeltlich. Eine derartige Handhabung gibt es (zum Glück) noch nicht an der Universität in München, was sich aber auch mit der Einführung des Bachelorstudiengangs ändern könnte.
Anders als an meiner Heimatuniversität habe ich das Thema des Zitierens und der Plagiate hier in Szeged nicht so präsent erfahren. Referate wurden von Studierenden gehalten, ohne dass am Ende des Handouts eine Quelle angegeben wurde oder Zitate markiert wurden, jedoch wurde auch das von Seiten der Dozierenden nicht beanstandet. Das war doch sehr frappierend. In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch auf das Recherchieren von Literatur allgemein eingehen. Der Zugang zu aktueller Literatur für Referate oder Arbeiten wurde einem teilweise schon dadurch erschwert, dass die Bücher in der germanistischen Abteilung der Universitätsbibliothek schon älter waren oder einfach nicht vorhanden waren. Das schränkt einen beim wissenschaftlichen Arbeiten doch sehr ein.
Ganz neu für mich war auch das Belegungssystem ETR. Soweit ich weiß, gibt es so ein ähnliches System bei den Wirtschaftswissenschaftlern in München, aber als zukünftige Einrichtung für die Geisteswissenschaftler kann das noch dauern. An und für sich finde ich das eine gute Idee, da die Belegung und die Notenvergabe online verlaufen. Das erspart einem das ständige Aufsuchen von Lehrkräften und man kann von überall auf das System zurückgreifen, wenn es denn funktionieren sollte (siehe Artikel zu ETR).

Zusammenfassender Rückblick
Was habe ich von dem Studium bei den Germanisten in Szeged nun alles mitnehmen können? Zunächst einen hervorragenden, in sich logisch aufgebauten Überblick von den Anfängen der Pragmatik bis hin zur Gesprächsanalyse, eine Einführung in die Semantik, die ich schon immer mal besuchen wollte sowie einen tieferen Einblick in die Kontrastive Linguistik bzw. Sprachtypologie. Besonders spannend war für mich das Seminar Kontrastive Landeskunde insofern, dass ich erfahren habe, wie sehr sich Stereotypen und Vorurteile über Deutsche immer noch halten und sich immer wieder gegenseitig bestätigt werden (alle Deutschen sind reich – Nein, das stimmt nicht). Gleichzeitig war es auch schwierig eine kontrastive Landeskunde zu betreiben, da die Perspektive, wie Deutsche Ungarn sehen, fehlte. Auch sehe ich es als problematisch an, einen Unterricht zu gestalten, der sich dann folglich nur auf Daten aus Büchern stützen kann.
Ich habe auch noch mitnehmen können, dass es eine sehr schöne und vor allem essentielle Einrichtung ist, ein Medium wie das GeMa zu haben, das einen über Themen, die mit der Germanistik in Zusammenhang stehen, seien es Ausflüge, Auslandsaufenthalte, Fortbildungen, Konferenzen etc., informiert. Solch ein Medium gibt es bei uns am Münchner Institut hoffentlich auch bald.

Ich bedanke mich
Abschließend möchte ich diese Gelegenheit noch nutzen, um mich bei allen Dozierenden und Mitstudierenden für ihre/Ihre Hilfe, für ihre/Ihre Gespräche und Diskussionen, für ihre/Ihre Einladungen und ihr/Ihr Entgegenkommen zu bedanken. Ich bin sehr gerne am Institut für Germanistik in Szeged gewesen und es wird bestimmt nicht das letzte Mal sein, dass ich nach Szeged gekommen bin.