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Zeitung << 2/2007 << EuroGr@mm zu Gast in Szeged
EuroGr@mm zu Gast in Szeged
„Flexionsmorphologie kontrastiv und typologisch” – Tagung des Forschungsprojekts Eurogr@mm
Autor: Róbert Lessmeister
Außergewöhnlich in der Geschichte des internationalen Forschungsprojektes ’Eurogr@mm’: Im Rahmen seiner Sitzungen wurde diesmal eine dreitägige Konferenz in Szeged organisiert, die am 9. Oktober 2007 auf seiner öffentlichen Tagung alle Interessenten erwartete.
Im Herbst 2006 hatte ich zum ersten Mal die Gelegenheit, das alte, prächtig renovierte Gebäude der Akademie der Wissenschaften in der Somogyi-Straße zu betreten, wozu damals das 50jährige Jubiläum der Neuetablierung unseres Instituts den Anlass gab. Weniger feierlich, doch umso spannender war die ebenfalls hier veranstaltete Tagung des Eurogr@mm zum Thema „Flexionsmorphologie kontrastiv und typologisch”, wozu ich als Vertreter, seitens unserer Studentenzeitung, eingeladen war.
Vom Institut für Deutsche Sprache, mit seinen nicht alltäglichen Dimensionen, konnte ich mir schon während einer organisierten Studienreise nach Mannheim im März 2007 ein Bild machen. Obwohl mein Interesse sprachlich orientiert ist, wusste ich bis dahin nicht viel vom Inhalt des Projekts EuroGr@mm. Mit umso mehr Erwartung sah ich dieser Tagung entgegen, in der unter anderem so prominente Linguisten, wie Heinz Vater, Gisela Zifonun, Cathrin Fabricius-Hansen u.a. ihre Vorträge halten würden.
Französisch, Italienisch, Norwegisch, Polnisch, Ungarisch. Diese fünf Sprachen dienen als Objekte dieses Forschungsprojektes, die durch je eine Gruppe mit 3-4 Linguisten vertreten waren. Und wo bleibt das Deutsche? Als Bezugssprache könnte man es als sechste auch hinzurechnen.
In seiner Eröffnungsrede hat unser Lehrstuhlleiter, Professor Péter Bassola, betont, es sei von großer Bedeutung, dass das Ungarische mit seiner völlig abweichenden Struktur in die Reihe aufgenommen worden sei und damit ein Sonderfall unter den anderen erforschten Sprachen indoeuropäischen Ursprungs bilde. Ungarn leiste übrigens mit der Organisation dieser Tagung eine Art Pionierarbeit, es sei nämlich seit dem Bestehen des Projektes das erste Mal, dass es seine Projektsitzung außerhalb des IDS „verlegt”, und noch dazu bei einer offenen Tagung allen linguistisch Interessierten die Möglichkeit der Teilnahme bot. Die ausgeteilten Handouts erleichterten die Orientierung und es war auch von Vorteil, dass die Teilnehmersprachen mir nicht unbekannt waren.
Als erstes konnten wir den französischen Beitrag von Martine Dalmas hören. Diese neulateinische Sprache hat in typologischer Hinsicht vieles mit dem Deutschen gemeinsam, was durch den starken Einfluss eines fränkischen Substrats zu erklären ist. Das Italienische (Livia Tonelli) als neulateinische Sprache ist so eng mit dem Französischen verwandt, dass sie in morphologischer Sicht keine gravierenden Unterschiede aufweist. Im Anbetracht ihrer Phonologie ist es jedoch nicht der Fall. Die Vertreter des nordgermanischen Zweiges haben etwas Eigentümliches herausgebildet, was uns am Beispiel des Norwegischen gezeigt wurde: nämlich den synthetischen Endartikel, der hinten an das Nomen angehängt wird. Wie aus dem Bericht von Cathrin Fabricius-Hansen klar wurde, trotz der großen Ähnlichkeiten mit dem Deutschen, zeichnen sich die nordgermanischen Sprachen durch eine viel archaistischere morphologische Struktur aus. Die skandinavischen Sprachen wurden übrigens dermaßen mit niederdeutscher Lexik überflutet, dass man sie aufgrund des Deutschen, mit Kenntnissen der zweiten Lautverschiebung und nach gewisser Übung relativ gut entziffern kann.
Aus dem interessanten Vortrag der polnischen Referenten Leslaw Cirko und Artur Tworek ging eindeutig hervor, dass das Polnische, als Vertreter der slawischen Gruppe, die zum östlichen Zweig der indogermanischen Sprachfamilie gehört, sich durch auffallende typologische Merkmale von den westlichen Vertretern unterscheidet und einen stark synthetisch ausgeprägten Sprachbau aufweist.
Die meisten Vorträge waren fesselnd, doch mit Bedauern musste ich feststellen, wie kurz die Zeit für die einzelnen Beiträge bemessen war. Die Referenten mussten sich auf das Wesentliche beschränken, oder genauer gesagt, die wesentlichsten Aspekte ihrer Arbeit hervorheben. Trotzdem konnte man sich ein Bild von diesem Riesenprojekt machen. Am meisten vielleicht hat mich Professor Heinz Vaters Vortrag gefesselt, weil er in die raschen Änderungen der Sprache einblicken ließ. Dies demonstrierte er am Beispiel der Nominalflexion des Deutschen, wobei, unter anderem, eine ganze Fülle von Fällen gezeigt wurde, wie sehr die Tendenz in Zeitungsartikeln fortgeschritten ist, auf die Kasusendung „s” zu verzichten. In der Pause hatte ich die Ehre, mich kurz mit Herrn Heinz Vater und Frau Gisela Zifonun zu unterhalten. Persönlichkeiten, deren Namen in linguistischen Kreisen Begriffe sind.
Da das ganze Projekt die Ausarbeitung einer komplexen Lernergrammatik zum Ziel hat, fokussiert es auf den gegenwärtigen Zustand der Sprachen, diachronische Aspekte sind dabei zweitrangig. Attila Péteri (ELTE Budapest), der neben Péter Bassola den ungarischen Beitrag leistete, machte jedoch auf die indoeuropäischen Nachbarsprachen aufmerksam, deren typologischer Einfluss auf das Ungarische nicht zu verkennen ist. Unsere Sprache lebt ja seit jeher zwischen slawischen und anderen Nachbarn eingekeilt, die feste Spuren auf den verschiedenen Ebenen der Sprache hinterlassen haben.
Während Herrn Bassolas interessanter Ausführungen hatte ich das Gefühl, in seiner Vorlesung „Kontrastive Linguistik” zu sein, die er in diesem Semester hält. Jetzt wurde mir klar, dass er uns, auf seine Forschungsergebnisse stützend, im Rahmen dieses Kurses ein bisschen Einblick ins Eurogr@mm gewinnen lässt.
Nach dem interessanten Programm hatten die Anwesenden nun die Gelegenheit, ihre Fragen aneinander zu richten, Bemerkungen zu äußern, was ab und zu in eine kleinere Debatte überging. Auch ich als potenzieller Linguist wagte es, einen bescheidenen Einwand zu äußern.
Prof. Bassola beschäftigt sich seit langer Zeit mit dem Vergleich der grammatischen Strukturen der deutschen und der ungarischen Sprache, aber eine solche Zusammenarbeit mit der internationalen Germanistik sei für ihn auf jeden Fall sehr interessant und zudem auch fruchtbringend, betonte der Gastgeber, der seit Jahren Leiter des ungarischen Projektteils ist. Bei der Frage, woher die Idee kam, diese Tagung gerade in Ungarn zu veranstalten, wies Herr Bassola auf eine Projektsitzung hin, wo die Frage gestellt wurde, ob eine der ausländischen Gruppen das nächste Treffen organisieren könnte. Péter Bassola hat sich dort sofort gemeldet und die Bereitschaft bekundet, die nächste Tagung in Szeged zu veranstalten. Als Ziel des Projektes gibt Prof. Bassola eine kontrastive Internetgrammatik an. Die deutsche IDS-Grammatik wurde auch in einer Internetversion erstellt, die unter dem Namen grammis zu erreichen ist. Diese Grammatik wurde später für DaF-Lerner weiter entwickelt und im Internet unter dem Namen Progr@mm eingerichtet, welches im Kontrast zu fünf Sprachen ausgearbeitet wird und den Namen Eurogr@mm trägt.
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