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Zeitung << 1/2007 << Die 68er Studentenbewegungen
Die 68er Studentenbewegungen
Autorin: Anita Ráczné-Romsics
Proteste gegen das Unterrichtssystem und gegen die Politik sind heute wieder aktuell. Im letzten Jahr gab es in Ungarn einen Versuch, vielleicht hat sich etwas in der Regierung verändert. Am Anfang des Protestes waren die Leute noch sehr begeistert und aktiv, aber nach ein paar Wochen haben sie es aufgegeben. Die Frage ist: Warum? Was fehlte der Organisation? Die Proteste waren eher einzelne Aktionen, das war noch keine Revolution. In der Geschichte gab es mehrere große Revolutionen, zum Beispiel die große ungarische 56er Revolution, das war eher eine politische Revolution. Die nächste große Revolution waren die 68er Studentenbewegungen.
1968 ist ein Rätsel. Wer heute auf den 68er Mythos trifft, will meist mehr darüber wissen. Wir müssen ein bisschen darüber nachdenken, was der Hintergrund war. „Die Studentenbewegung ist die einzige Bewegung, die die Grenzen des Kalten Krieges überschritten hat, um den Traum von einer besseren Welt zu realiseren.” (Dr. Predrag Markovic, Humboldt-Forschungsstipendiat).
Die allgemeine Situation war, dass die DDR und die BRD einander nicht akzeptierten. In einer politischen Versammlung wurde auf Rudi Dutschke, den Leiter der Studentenbewegung, ein Attentat verübt. „Die Gruppe von Studenten” war ein Sammelbegriff, zu dieser Gruppe gehörten auch Lehrlinge, Arbeiter, Intellektuelle. Sie waren alle im Alter von 18-44. Aber fast 21% der Protestierenden waren noch keine Erwachsene, wie man den Proteststatistiken entnehmen kann. Die Forderungen der Bewegungen waren, dass die DDR und die polnischen Grenzen akzeptiert werden. Man wollte den absoluten Frieden erreichen, in diesem Kreis wurde der Vietnamkrieg vehement abgelehnt. Der Protest richtete sich auch gegen das schlechte Unterrichtssystem und man forderte Reformen an den Universitäten. Die praktische Verbindung von politischen und individuellen Emanzipationszielen, die der Gedankenverknüpfung von Marxismus und Psychoanalyse entsprach, war ein Sprengstoff, der heute noch immer wirksam ist. Hier kann man an solch einfache Begriffe denken, wie Sexualität oder Geschlechterverhältnisse, zum Beispiel veränderte sich auch die traditionelle Frauenrolle. Diese Generation war die sogenannte „Baby Boom Generation”, ihr bekanntester Wahlspruch war: „Sex statt Kampf!”, oder klassisch englisch: „Make love not war!”
Vor dieser Zeit, noch im Jahre 1966, herrschte Prüderie. In einer Umfrage wurde festgestellt, dass 70% der Studentinnen noch Jungfrau waren. Damals war es unmöglich, vor der Ehe das Elternhaus zu verlassen, die meisten wohnten noch zu Hause. Die Studentinnen, die eine eigene Wohnung hatten, mussten ihren „Herrenbesuch” bis 22 Uhr verabschiedet haben. Wie zum Beispiel im Werk von Heinrich Böll, „Die verlorene Ehre von Katharina Blum“, literarisch beschrieben. Die Entstehungsgeschichte dieses Werkes kam aus einer illegalen Organisation, aus der „Rote Armee Fraktion” (RAF), die im Jahre 1971 von Andreas Baader und Ulrike Meinhof gegründet wurde. Zu ihren Aktionen zählten kriminelle Taten wie Bankraub, Sprengstoffanschläge mit Todesfolge, Befreiung inhaftierter Genossen, die unter der Bevölkerung große Panik auslösten. Die von vielen gelesene Zeitung „Bild” nutzte die Geschehnisse zur „Sensationsmache” und vermittelte zum Teil unbegründete Informationen. Diese Geschichte ist ein gutes Beispiel auch für die Macht der Presse und für die Gefährlichkeit der Pressefreiheit: die Presse beeinflusst die Masse.
1968 herrschte die Hippiebewegung oder der sogenannte „Hippiestyle”. Das Musical „Hair” zeigt uns, wie die Hippies lebten, die Beziehung zwischen Schwarzen und Weißen, die sexuelle Revolution, die freie Liebe, die Welt der Drogen, die nicht enden wollenden Diskussionen über Orgasmus und Weltrevolution. „Das Bett-Frieden-Happening” hat John Lennon zur Mode gemacht. Die Bibel der Hippies war „Der Schrei” von Ginsberg, abends tanzten sie ausgelassen und hörten Musik von Janis Joplin, The Doors oder Bob Dylan, um nur einige zu nennen.
Die Welt der Hippies hatte nicht nur eine harmonische, sondern auch eine Schattenseite. In Paris war die Situation am schlimmsten. Die Polizisten haben junge Frauen vergewaltigt, einige Studenten kämpften bis zum Tod, circa 400 Verwundete und 50 Tode gab es, 300 Autos brannten aus. Das geschah im Lauf einer Nacht.
Eine der ersten Solidaritätsbezeugungen mit einem Land der „Dritten Welt” fand mit der Unterstützung von verschiedenen linken Studentengruppen statt, die sich zu dieser Aktion für internationale Solidarität zusammenschlossen hatten. Sie organisierten Demonstrationen in West-Berlin gegen den Besuch des kongolesischen Ministerpräsidenten Moise Tschombe. Tschombe, der sein Land diktatorisch regierte, war für die Ermordung des bedeutendsten afrikanischen Revolutionärs Patrice Lumumba verantwortlich gewesen und konnte sich nur mit der massiven Unterstützung der USA an der Macht halten.
In München-Schwabing gab es mehrere Straßenschlachten zwischen Polizei und Jugendlichen, die zu vielen Verletzten und rund 200 Festnahmen führten. Mehrere Unis wurden geschlossen.
Haben eigentlich die 68er Jugendlichen etwas Dauerhaftes gemacht? Können wir eine idealiserte Welt vorführen? Was war ihre zusammenhaltende Kraft? Ist es möglich, dass die heutigen Jugendlichen auch protestieren werden? Haben wir auch genug Kraft dazu? Mit dieser Problematik beschäftigt sich der Film Die fetten Jahre sind vorbei. Der Film versucht, der nächsten Generation eine Antwort zu geben. Die drei Hauptfiguren des Filmes wollen die Welt verändern. Die reichen Leute sollen ein bisschen darüber nachdenken, dass sie zu viel Geld haben. Es gibt etwas, was nicht käuflich ist. In diesem Film gibt es mehrere Dialoge und Monologe über die Problematik der Hippiebewegungen. Hier trifft man „Ex-Hippie” und „Neo-Hippie”, oder anders gesagt ein „revolutionäres Herz”. Natürlich konsumieren sie Marihuana und diskutieren über freie Liebe. Trotz der Harmonie gehen in dieser Geschichte die Freundschaft und die Liebesbeziehung kaputt.
Alleine können wir die Welt nicht verändern, was fehlt, ist die zusammenhaltende Kraft. Vielleicht war das das Geheimnis der Hippies, heutzutage fehlt es unserer Generation. Deshalb bekommen einige Studenten weniger Stipendium, deshalb werden wir Studiengebühren bezahlen. Ich sage nicht, dass die Ideologie der Hippies gut war. Es gibt Einiges, dem wir ganz ruhig folgen können, aber es gibt auch solche Dinge, die unakzeptabel sind. Auch ohne Drogen und ohne freie Liebe kann die Generation von heute protestieren.
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