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Zeitung << 2/2006 << Was 50 Jahre bedeuten könnten


Was 50 Jahre bedeuten könnten
Festsitzung des Universitätssenats zur Feier des Jubiläums der Ungarischen Revolution 1956

Autor: Sándor Török

Man konnte vorhersehen, dass das Jahr 2006 mit vielen Zeitungsartikeln, Büchern und feierlichen Veranstaltungen den Anlass ehren wird. Die vergangenen 50 Jahre haben als Zahl einen symbolischen Wert. Es ist die Hälfte eines Jahrhunderts und somit haben wir das Gefühl an einen Punkt angelangt zu sein, wo vieles neu zu bewerten ist. Aber was soll das alles wirklich bedeuten? Das war die Hauptfrage der Festsitzung, im TIK Gebäude der Universität Szeged am 16. Oktober 2006.

„Die Aufgabe, den Kanon der Feier zu erschaffen, wartet auf die Jugend” – formulierte László Sólyom, der Staatspräsident von Ungarn, in seiner Rede mit dem Titel „Jugend und Revolution”. Wir haben die Möglichkeit, die Ereignisse von 1956 aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Dazu geben uns die erst kürzlich aufgetauchten Dokumente, neben den Filmen und Theateraufführungen, die Möglichkeit. Jeder, der vor 50 Jahren nicht dabei war, kann sich ein Bild von den Ereignissen machen, das mehr zeigen kann als der Geschichtsunterricht in der Schule. Also nicht nur Fakten und Daten.
Eine große Rolle spielen auch die persönlichen Erzählungen derer, die noch am Leben sind. Sie haben die Veränderungen am eigenen Leib gespürt. So bekommen die Geschehnisse Hunderte von Interpretationen, die auf vielen Wegen verschieden sind, aber meistens dasselbe Ziel aufweisen: „Es ging um die Freiheit und um die menschliche Würde”. Ein politisches System, das seinen Platz im Europäischen Kontext aus Gründen seiner Fehler nicht halten konnte, musste von einer Revolution bewegt werden, um es Jahrzehnte später im Jahre 1989 endgültig abschaffen zu können.
Alles begann mit der russischen Sprache. Die Stundenten – vor allem in Szeged - erhoben ihre Stimme gegen die Pflicht des Russischlernens, eine Woche später standen schon viele bewaffnet den russischen Soldaten gegenüber. Der Fremdsprachenunterricht wurde ein Symbol der politischen und militärischen Überwachung der sowjetischen Macht. Tamás Kiss, der damalige Student und Gründer der MEFESZ (Bund der ungarischen Studenten), sprach in seiner Rede darüber, dass die Studenten für ihre Freiheit eintreten wollten. Der erste Schritt dazu war die Gründung des Bundes und die Liste der Forderungen, die auch andere Universitäten in anderen Städten schon am nächsten Tag bekamen, ein paar Tage später stellten auch die Arbeiterbewegungen ihre eigenen Listen zusammen. In kurzer Zeit drang die Unzufriedenheit an die Oberfläche. Als Antwort setzte die politische Führung das Militär ein. Die Revolution wurde niedergeworfen, aber etwas begann sich zu ändern, zuerst nicht hinsichtlich der Staatsleitung, die späteren Auswirkungen der Ereignisse sind aber unbestreitbar.
László Marjanucz, Institutsleiter der Fakultät Ungarische Geschichte, bewertete in seiner Rede die vergangenen 50 Jahre aus der Sicht der Geschichtswissenschaft. Es gibt viele Archive und Dokumente, die Gerichtsprozesse beinhalten, die aber noch aufgearbeitet werden. Die Hauptaufgabe ist es aber, den Wahrheitsgehalt dieser Aufzeichnungen zu prüfen. Der Grund dafür ist, dass ein großer Anteil dieser Prozesse manipuliert wurde. Die Aussagen waren oft gefälscht. Daher kann man diese genannten Dokumente nicht ohne Kritik als geschichtliche Quelle nutzen. Zur Rekonstruierung der Ereignisse von 1956 sollte man einen „objektiven Filter” benutzen.
Fünf Jahrzehnte sind vergangen, aber erst seit anderthalb Jahrzehnten kann man über die Wichtigkeit von 56 frei reden. Die Konsequenzen für die gesamteuropäische Politik sind auch zu beachten: die kommunistische Herrschaft ging langsam zu Grunde. Die Hauptrolle bekommt die Freiheit. Egal, ob wir über Meinungsfreiheit oder über freies Reisen ins Ausland sprechen.
Wie es diese Vorträge auch gezeigt haben, haben wir die Möglichkeit, das Fest von 56 endlich mit seinem würdevollen Inhalt zu füllen. Gábor Szabó, der Rektor der Universität Szeged, meinte: „Das Ergebnis der Tollkühnheit der Studenten und Lehrer der Szegeder Universität können die Nachfolger genießen, diese sind also für die Erinnerung verantwortlich”.