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Zeitung << 1/2006 << „Die Freiheit existiert und auch der Wille existiert“
„Die Freiheit existiert und auch der Wille existiert“
Mario und der Zauberer im Szegediner Kellertheater
Autorin: Emma Sajben
Eine Tasse heißer Kaffee, Dämmerlicht, klassische Musik im Hintergrund – das ist das Kellertheater in Szeged. Zuschauer und Schauspieler vermischen sich und plaudern im gemütlichen Keller-Café, bevor die Abendaufführung beginnt. „Der Künstler beginnt seine Vorstellung bald!“ – sagt eine hübsche, auffallend bunt gekleidete Frau. Die Leute nehmen im außergewöhnlich eingerichteten Theaterraum Platz. Die Trennlinie zwischen der Bühne und dem Publikum kann man kaum bemerken, besonders wenn es sich die Schauspieler auch unter den Zuschauern bequem machen. Viele wissen noch nicht, dass ihr Abend bezaubernd wird.
Der dunkle, dumpfe Zuschauerraum wird zum Spielplatz eines unheimlichen Hypnotiseurs, die nichts ahnenden Besucher verwandeln sich in seine Marionetten. Mit spektakulären Kartentricks und mathematischen Aufgaben führt Cipolla, der berühmte Manipulator seinen Schwanengesang vor. Die wohlbekannte Geschichte von Thomas Mann wird von den Künstlern des Kellertheaters neu belebt. Der Regisseur József Kancsár hat seine Karriere als Schauspieler in Miskolc begonnen, wo seine Darstellung des Mario so erfolgreich war, dass er schon mit 17 Jahren auf einem Amateur-Theaterfestival einen Preis gewonnen hat. 2006 spielt er nun in Szeged wieder die Titelrolle, aber dieses Mal den Cipolla.
Obwohl die anderen Figuren (wie zum Beispiel der fipsige, witzige Oberst) auch eindrucksvoll waren, hing der Erfolg der Vorstellung von Cipolla ab. Da er die Distanz zwischen sich selbst und dem Publikum brechen konnte, war seine suggestive Kraft stark, und er konnte die nötige mythische, geheimnisvolle Atmosphäre herstellen. Warum fand ich ihn widersprüchlich? Es war schwer zu entscheiden, ob er zu den Bösen oder den Guten gehörte. Er brachte die Leute in eine Traumwelt, in eine Welt, in der es noch Wunder gibt, in der man die verdrängten Wünsche, Träume ausleben kann. Mit dem Kuss gab er Mario die Möglichkeit, die unerreichbare Frau zu berühren, die Erfüllung der Liebe zu kosten. Schmach oder Befreiung? Lassen wir jeden für sich selbst entscheiden.
Die Aktualität des Stückes darf auf keinen Fall vergessen werden. Zur Blütezeit der Medien, Werbung und Manipulation kann die Freiheit des Willens in Frage gestellt werden. Wem glauben wir? Was kaufen wir? Welches Theaterstück werden wir uns ansehen? Das, von dem wir eine gute Kritik lesen oder das, das uns einfach interessiert? Wer denkt, dass er alles allein ohne Einfluss entscheiden kann, dem empfehle ich, sich das Stück „Mario und der Zauberer“ anzusehen. Natürlich möchte ich damit niemanden manipulieren.
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