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Zeitung << 2/2005 << Sophie Scholl – Die letzten Tage (2004)


Sophie Scholl – Die letzten Tage (2004)
Autorin: Viktória Dabóczi

Kandidat für eine Oscar-Nominierung in der Kategorie „Bester nicht-englischsprachiger Film“, Chancen auf einen europäischen Filmpreis in den Kategorien „Bester Regisseur“ und „Beste Hauptdarstellerin“ und dreifache Auszeichnung mit dem Deutschen Filmpreis für den „Besten Film“, die „Beste Hauptdarstellerin“ und dazu noch der Publikumpreis. Eine imposante Liste für den Film von Marc Rothemund, dessen Hauptrollen ebenfalls eine imposante Liste von deutschen Schauspielern auszeichnet: Julia Jentsch, die beste „Nachwuchsschauspielerin“ 2002 (Sophie Scholl), Alexander Held (Robert Mohr), Fabian Heinrichs, der 2003 beim Festival von San Sebastian mit der Goldenen Muschel ausgezeichnet wurde (Hans Scholl), Florian Stetter, der beste “Nachwuchsdarsteller” 2001 (Christoph Probst), Johanna Gastdorf, die 2004 mit dem Bayerischen Filmpreis ausgezeichnet wurde (Else Gebel) und And­ré Hennicke, ebenfalls mit dem Deutschen Filmpreis im Jahre 2002 ausgezeichnet (Dr. Roland Freisler).
Nach so viel Lob und Ruhm stellt sich die berechtigte Frage, warum „Sophie Scholl“ so gut gefunden wurde, und was den Film so beliebt gemacht hat. Die Geschichte ist keineswegs neu, und wurde bereits in Filmen und von Michael Verhoeven („Die weiße Rose“, 1982) und Percy Adlons („Fünf letzte Tage“, ebenfalls 1982) dargestellt.
Die Erzählung in „Sophie Scholl“ beginnt im Februar 1943 in München. Die „Weiße Rose“, eine Widerstandsgruppe um die Geschwister Hans und Sophie Scholl, druckt in einem kleinen Atelier heimlich Flugblätter gegen die Nazi-Diktatur und den totalen Krieg und verschickt diese in ganz Deutschland. Am Vormittag des 18. Februar legen sie ihre Flugblätter in der Münchner Universität aus. Aus Zeitdruck lässt Sophie einen ganzen Stapel in den Lichthof der Universität regnen. Ein Hausmeister, der selbst treu dem Regime ist, schlägt Alarm, so werden die beiden von der Gestapo (Geheime Staatspolizei) verhaftet. Tagelang wird Sophie von dem erfahrenen Vernehmungsbeamten Robert Mohr verhört. Trotz der 26 Jahre Berufserfahrung des Beamten gelingt ihr anfangs, den Vernehmungsspezialisten zu täuschen, was eine unglaubliche Leistung von Sophie Scholl war. Dann aber gesteht ihr Bruder, die Flugblätter gedruckt und verteilt zu haben. Nun gibt auch Sophie zu, Mitglied der „Weißen Rose“ zu sein. Von nun an steht sie offen zu ihren Idealen. Sie versucht, durch ihr Geständnis die anderen Mitglieder der „Weißen Rose“ zu schützen. Sie weicht auch dann nicht von ihrer Überzeugung ab, als Gestapo-Mann Mohr anbietet, Sophies Leben zu retten. Trost erfährt sie von Else Gebel, ihrer Zellengenossin im Gestapo-Gefängnis. Denn schon am nächsten Tag wird der Prozess stattfinden. Am 22. Februar 1943 werden Hans und Sophie Scholl sowie Christoph Probst wegen „Hochverrat, Wehrkraftzersetzung und Feindbegünstigung“ angeklagt. NS-Richter Roland Freisler, der nach seinem Stil und wegen seines Menschenhasses als „Blutrichter“ bezeichnet wurde, ist extra aus Berlin angereist, um einen seiner berüchtigten Schauprozesse zu veranstalten. Er verurteilt die drei zum Tode. Das Urteil soll noch am gleichen Tag vollstreckt werden...
Das Gefängnis in Stadelheim: Sophie betet, verabschiedet sich von ihren Eltern und raucht mit Hans und Christoph Probst eine letzte Zigarette. „Die Sonne scheint noch“, ruft sie den beiden zu, als man sie zum Schafott führt...
Wie die Zusammenfas­sung zeigt, erzählt der Film die ganze Geschichte aus der Perspektive von Sophie und zwar ganz bis zum Ende ihres Lebens. Dabei werden nie verfilmte Ereignisse, wie Sophies Aufenthalt in Stadelheim, die letzte Zigarette, der Abschied von den Eltern, das Abendmahl, die Gebete und das Schafott gezeigt. Darin besteht einer der Unterschiede von „Sophie Scholl“ den beiden oben erwähnten Filmen gegenüber. Michael Verhoevens Film schildert die Entwicklung der ganzen Widerstandsgruppe, die Vorgänge nach der Verhaftung nehmen nur einen kleinen Raum ein. Percy Adlons „Fünf letzte Tage“ beschäftigt sich zwar mit diesem Zeitraum, er stellt aber die Ereignisse von Sophies Zimmergenossin Else Gebel dar. In dieser Hinsicht bietet „Sophie Scholl“ eine neue Perspektive der bekannten Ereignisse.
Darüber hinaus arbeitet „Sophie Scholl“ so weit wie möglich mit originalem Material, was ein weiterer Unterschied zu den anderen zwei Filmen ist. Die Mitarbeiter recherchierten die Figuren, und der Stab hatte die Original-Vernehmungsprotokolle, die schriftliche Begründung der Todesurteile von Roland Freisler, die Anklageschriften und das offizielle Protokoll zum Verhandlungsablauf sowie Augenzeugenberichte zur Verfügung. Auch die Drehorte entsprechen, wo es möglich war, den Originalschauplätzen: es wurde im Lichthof der Münchner Ludwig-Maximilian Universität, vor der Universität am heutigen Geschwister-Scholl-Platz, im Münchner Justizpalast und bei der damaligen Wohnung der Geschwister in der Münchner Franz-Jospeh-Straße gedreht. Das Schwabinger Atelier mit der Druckmaschine der „Weißen Rose“ und das Wittelsbacher Palais, wo das Gestapo-Hauptquartier untergebracht war, wurden in den Bavaria-Studios originaltreu nachgebaut.
Die treue Darstellung der Wahrheit an Orten, die man auch heute noch besuchen kann, machen den Film lebensnah und haben sicherlich einen großen Teil dazu beigetragen, dass der Film so großen Erfolg hatte.
Außer den Orten und Dokumenten brauchte der Film aber noch etwas zum Erfolg: die Schauspieler, die die Ereignisse vermitteln. Die oben erwähnte Liste von Personen war schon Garantie für den Erfolg. Nach der Erzählung vom Regisseur Marc Rothemund haben sie alles für ihren Rollen getan: sich sehr genau vorbereitet, täglich Hunderte von Kilometern zwischen München und ihren Theatern –wo sie auch während der Dreharbeiten aufgetreten sind – gereist und sogar abgenommen, wenn es nötig war.
Auf der Leinwand bekommt der Zuschauer ein Stück Geschichte aber durch die Seele vermittelt. Die genauen historischen Fakten sind eher sekundär, man hat sie als nötigen Hintergrund zu verstehen, während wir im Vordergrund die Personen kennen lernen, die noch heute als Vorbilder dienen können.
„Sophie Scholl“ ist kein Actionfilm mit viel Tomatensauce, spektakulären Explosionen oder blutigen Kriegszenen. Er ist dafür da, eine andere menschliche und auch unmenschliche Seite der damaligen Ereignisse in Deutschland darzustellen. Allen, die diese andere Perspektive kennen lernen möchten, empfehle ich „Sophie Scholl“ mit gutem Herzen.