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Zeitung << 2/2005 << Odysseus grüßt Szeged


Odysseus grüßt Szeged
Chagall-Ausstellung im Móra-Ferenc-Museum in Szeged

Autor: Zsolt Kozma

In der Burg in Szeged konnte man im Herbst 2005 eine Ausstellung von Chagall betrachten. Sie stellte uns eines der bekanntesten Werke des Künstlers vor und lockte mehrere Tausend neugierige Kunstliebhaber nach Szeged.

„Zeus, steh’ uns bei!” dachte ich mir, als wir vor dem Eingang standen. Die Ausstellung war schon vor fast einem Monat eröffnet worden, doch die Besucher mussten immer noch fast eine halbe Stunde Schlange stehen. Ich kaufe die Eintrittskarten, wir geben in der Garderobe unsere Taschen und Mäntel ab und warten. Es sind über 30 Leute hier, alle schauen sich die Kataloge an, die sie vorher gekauft haben, sprechen über Kunst und Geschichte oder gleich über beides. Einige tun es, damit die Zeit vergeht, andere sprechen aus Interesse oder Neugier. Es tut einem gut, heutzutage so was hören zu können...
Ich drehe mich um und stelle erstaunt fest: die Leute kommen und kommen – es ist kein Ende in Sicht. Auf einmal höre ich Kindergeschrei, kurz danach kommt eine große Gruppe von Kindern. Sie kommen vielleicht aus einer Schule aus Kecskemét oder aus Gyõr, denn so etwas ist tatsächlich vorgekommen, wie mir der Garderobier kurz erzählt hat.
Die Zeit vergeht, endlich stehen wir kurz vor dem Eingang. Knapp 35 Minuten hat es gedauert, bis wir ca. 10 Meter hinter uns gebracht haben. Wir werden begrüßt, bekommen wichtige Hinweise (es darf nicht fotografiert werden), die Tür öffnet sich und wir dürfen endlich passieren.
Es ist ein großer Raum, mangelhaft beleuchtet und berstend voll mit Menschen. Kinder, Jugendliche, Großväter, Ehepaare, sogar Studenten sind hier zu sehen. Trotz der vielen Leute herrscht Totenstille. Eine nette Frau zeigt uns den Beginn der Ausstellung, wir bekommen eine Liste mit den Titeln der ausgestellten Bilder und stellen uns in die Reihe.
Die Ausstellung be­stand aus über 40 Bildern. Die Besucher konnten die vollständige Reihe der Odysseus-Litographien betrachten und zwei weitere Stilleben. Die „Besichtigungs­tour” beginnen wir beim ersten Bild der Odysseus-Reihe. Chagall stellt uns das ganze Heldenepos des homerischen Odysseus dar. Jedes Bild zeigt uns eine bekannte Szene aus der weltweit bekannten und mehrmals verfilmten Geschichte. Odysseus und das Trojanische Pferd, oder die Sirenen, um nur die bekanntesten aufzulisten. Jedes Bild ist eine wahre Perle der Kunstgeschichte, dieser Anblick ist wirklich ein Kunsterlebnis. Jetzt verstehe ich, warum hier alles so still ist.
Schade nur, dass die Technik nicht leise genug ist. Die Bilder reagieren sehr empfindlich auf Temperaturwechsel, deswegen laufen im Raum parallel zwei Klimaanlagen, die gleichzeitig die Feuchtigkeit aus der Luft saugen. Leider sind diese Geräte nicht die neuesten, deswegen auch nicht die leisesten, aber davon abgesehen stört uns nichts bei der Betrachtung dieser Kunstwerke.
Als wir die Odysseus-Reihe zu Ende betrachtet haben, erblicke ich eine kleine Tafel an der Wand, links von dem Eingang. Als wir hereingekommen sind, habe ich sie übersehen, wahrscheinlich deswegen, weil ich die Bilder so schnell wie möglich sehen wollte. Auf dieser Tafel können die Besucher eine kurze Beschreibung der Litographientechnik lesen. Zugegeben, was zu lesen war, erschien mir wie Chinesisch. Da stand etwas über Steinabdruck und mehrere Farbenschichten, aber wie diese Bilder entstanden sind, verstehe ich selbst heute nicht genau...
Die ganze Besichtigung dauerte fast anderthalb Stunden. Wir haben unsere Mäntel wieder angezogen und sind nach Hause gegangen. Aber selbst am Abend sprachen wir noch über die Bilder und über Odysseus. Wie ich im Nachhinein erfahren habe, haben über 20 000 Leute diese Ausstellung besichtigt. Sie alle sind um ein wahres Kunsterlebnis reicher geworden.