Startseite | Impressum | Zeitung | Beiheft | Archiv nach Autoren | Archiv nach Rubriken








Zeitung << 2/2005 << Das Kunsthistorische Museum in Wien


Das Kunsthistorische Museum in Wien
Vortrag des Generaldirektors Hofrat Prof. Dr. Wilfried Seipel

Autor: Zsolt Kozma

Der Hofrat begann seinen eigentlichen Vortrag mit den Worten, dass das Kunsthistorische Museum der Begegnungsort unterschiedlicher kultureller Elemente sei und es die Kunst der Öffentlichkeit vorstelle.
„Den Denkmälern der Kunst und des Kaisertums.“ Diese Worte empfangen die Besucher des Museums. Bei der Eröffnung am 17. Oktober 1891 war auch der Kaiser Franz Joseph I. anwesend und betrachtete das Museum zum ersten und auch zum letzten Mal in seinem Leben. Er verließ die Eröffnung mit den Worten: „Es ist alles sehr wohl ausgegangen und die Gegenstände kommen schön zur Geltung.“ Kaiser Franz Joseph war bekanntlich kein Kunstfreund, einige seiner Vorgänger jedoch sehr wohl.

Kaiser als Kunstfreunde – die Sammlung
Kaiser Maximilian I. war der erste. In seiner Zeit war die Sammlung nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Alles war in ca. 40 Kästen verpackt und der Kaiser schleppte alles mit sich mit und nur gute Freunde oder hohe Besucher durften diese Sammlung betrachten. Kaiser Ferdinand I. ließ diese Kästen öffnen und brachte die Gegenstände in verschiedenen Gebäuden in Wien unter. Maximilian II. wollte bereits eine Kunstkammer eröffnen, doch er hatte zu wenig Geld dafür. Als zum Beispiel der Fußboden renoviert werden musste, bat der Kaiser die Wiener um Hilfe. Sein größtes Verdienst ist, dass in seiner Zeit die antike Sammlung ausgebaut worden ist.
Erzherzog Ferdinand von Tirol ist einer der bedeutendsten Sammler. Er war Stadthalter in Böhmen und hat dort eine Kunstkammer eingerichtet, die sogenannte Kunst- und Wunderkammer. Dieses Ereignis gilt als der Beginn der Museumsgeschichte. (Übrigens gab es so etwas damals auch schon in Groß-Britannien und in Frankreich.)
Kaiser Rudolf II. ist der bedeutendeste Sammler in der Geschichte des Museums. Der Großteil seiner Sammlung war in Prag, dann wurde sie wegen des 30jährigen Krieges nach Wien transferiert. Er hat die Sammlung des Erzherzogs Ferdinand nach dessen Tod aufgekauft und ebenfalls nach Wien gebracht. Als wichtige Sammlung ist damals die Helmrüstkammer zur Sammlung dazugekommen: Rudolf hat die Rüstungen berühmter Menschen seiner Zeit gesammelt. So kam es auch dazu, dass das Kunsthistorische Museum heute zum Beispiel den Helm und das Schwert des Skander Beg besitzt.
Erzherzog Leopold Wilhelm war Stadthalter in Brüssel. Er hat die meisten Gemälde gesammelt. Karl VI. ist der Gründer der Münzkammer.
Unter der Herrschaft von Maria Theresia wurden die Schatzkammer und die Rüstkammer wissenschaftlich katalogisiert. Einem anonymen zeitgenössischen Bericht zufolge waren die Gemälde in einem schlechten Zustand. Die Gemäldegalerie wurde 1781 errichtet. Sie war am Montag, Mittwoch und Freitag geöffnet. Kinder durften nicht hinein. Wahrscheinlich deswegen, damit die Besucher die Gemälde ungestört und in Ruhe besichtigen konnten. Bei regnerischem Wetter war die Galerie geschlossen – wohl deswegen, weil es damals in Wien nach dem Regen viel Schlamm auf den Straßen gegeben hat. 1813 wurde die Eröffnungszeit auf zwei Tage reduziert und auch das Eintrittsgeld eingeführt. Letzteres diente wahrscheinlich dazu, damit der Adel ungestört die Sammlung genießen konnte – der Pöbel war unerwünscht.
Unter Napoleon erlebte die Sammlung eine schwere Zeit. Aus Wien wurden über 400 Gemälde, Münzen und Rüstungen nach Paris verschleppt. Nach dem Wiener Kongress wurden jedoch die meisten Gegenstände unbeschädigt zurückgebracht.

Das Museumsgebäude
Kaiser Franz Joseph gab 1852 einen Erlass heraus: demnach sollte man das Museum innerhalb der künftigen Ringstraße erbauen. Das Gebäude wurde anhand der Pläne von Baron von Hasenauer erbaut. Die Arbeiten dauerten 20 Jahre. Nach der Eröffnung gab es ein großes Interesse: während der ersten sechs Sonntage haben insgesamt über 13000 Menschen das Museum besucht. Die hohe Besucherzahl hat infrastrukturelle Änderungen nach sich gezogen. Die Architektur ist wunderschön, doch das Gebäude war grundsätzlich ein Tageslichtmuseum. Es hat große Fenster, doch nach dem Einbruch der Dunkelheit konnte man nichts mehr sehen. Erst nach 1922 wurde das Gebäude nach und nach elektrifiziert und erst nach dem II. Weltkrieg wurden die Gemäldegalerien mit Elektrizität beleuchtet.
1914 wurde das Museum gesperrt, doch während des Krieges erlitt es keine Schäden. Nach Kriegsende wurde es verstaatlicht, um Plünderungen vorzubeugen. Das haben auch die Entente-Mächte bewilligt. So ist es dazu gekommen, dass der Besitz der Habsburger ohne Verluste in die Hände der jungen Republik gefallen ist. Deswegen haben sich die übrigen Nachfolgeländer der ehemaligen Monarchie jahrelang beschwert und einige haben versucht die Lage zu ändern. Am 12. Februar 1919 sind zum Beispiel italienische Bewaffnete ins Museum eingedrungen und haben mit Gewalt 66 Gemälde nach Italien verschleppt. Belgien forderte die Rubens-Altäre zurück, doch sie bekamen sie nicht. Die Tschechoslowakei bekam auch nichts. Ungarn bekam 147 Objekte, vor allem Waffen und Rüstungen. Im II. Weltkrieg erlitt die Sammlung keine Schäden, hauptsächlich deswegen, weil sie in Bergwerken untergebracht worden ist. Das Gebäude selbst erlitt ein Bombentreffer, das den Ostflügel vernichtet hat. Seitdem ist es wiederaufgebaut worden.
Das Kunsthistorische Museum ist kein „Weltmuseum”, wie zum Beispiel das British Museum. Es spiegelt persönliche Sammelbestrebungen wider, deswegen gibt es von einigen großen Künstlern keine Exponate, doch statt dessen hat die Sammlung Schwerpunkte. In der Gemäldegalerie zum Beispiel hat die italienische Renaissance eine große Bedeutung, auch Rubens bildet einen Schwerpunkt. Im Münzkabinett liegt der Schwerpunkt auf der Antike und den Sassaniden. Heute hat das Museum 400 fest angestellte Mitarbeiter. Es ist wirtschaftlich unabhängig. Ungefähr 60% der Kosten wird aus Bundesmittel finanziert, doch die übrigen 40% muss das Museum selber erwirtschaften. Es wird immer schwieriger, denn es gibt immer höhere Ausgaben: Restaurationen, Sonderausstellungen, Alltagsbetrieb und die Mitarbeiterlöhne müssen auch von Zeit zu Zeit erhöht werden.
Im Durchschnitt kommen die Besucher jährlich aus über 90 Nationen. Die Ungarn stellen leider nur 2 % der Besucher. Der Anteil der Wiener liegt dagegen über 20 %. Bekanntlich geht der Wiener in seinem Leben zweimal ins Kunsthistorische Museum: Einmal an der Hand des Vaters und noch einmal an der Hand des Sohnes...

Hiermit beendete Herr Seipel seinen Vortrag.