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Zeitung << 1/2005 << Martin „Der Reformator“ Luther


Martin „Der Reformator“ Luther
Der größte Ketzer und erste Medienstar der Weltgeschichte

Autorin: Emília Bata

In den vergangenen Jahren boten drei große Gestalten des Christentums Stoff für Verfilmungen: die Passion Christi von Mel Gibson (2004), „Bonhoeffer – die letzte Stufe“ (2000) von Erich Till und der Film „Luther“ (2003) ebenfalls vom Regisseur Eric Till.

Es ist immer ein großes Risiko, einen Film über eine Religion zu drehen, man kann nämlich nie wissen, ob das Publikum sich für die Geschichte interessiert. Deshalb sollte man diese Geschichten so verfilmen, dass sie für die Menschen von heute eine Aussage oder Lehre bieten. Martin Luther repräsentiert eine Figur, die heute noch beliebt ist, da er von Geburt keine Macht besitzt, aber doch große Ideen und die Möglichkeit in sich trägt, um alles zu verwirklichen. Er wird mit verschiedenen Attributen bedacht: „er veränderte die Welt für immer“ oder „der Reformator“, und es wird aus ihm ein Medienstar in heutigem Sinne gemacht. Er kann gut reden und logisch argumentieren, was eine gute Waffe gegen die Ungerechtigkeit der Welt ist in einer Zeit, wo der größte Teil der Bewohner nicht einmal lesen konnte. Diese Gabe hatte auch John Tetzel, der treue Gefolgsmann des Papstes und Gegner von Luther. Er nutzt aber – im Gegensatz zu Luther – die Naivität und Angst der einfachen Menschen aus, indem er ihnen das ewige Feuer des Purgatoriums, das Fegefeuer darstellt und ihnen ihr Geld abnimmt. So hört sie, die Worte eures heiligen Vaters, der sagt: Lege einen Stein für Sankt Petri, und du legst das Fundament für dein eigenes Seelenheil und Glück im Himmel. Wie? Hiermit, mit diesem Ablass! Wann? Heute Abend! Und auch nur heute. Suchet den Herrn solange er nah ist! Dies hier ist euer Floß. Klammert euch daran fest!
Es gibt aber etwas, das John Tetzel nicht hat: er ist kein Mann des Volkes, er lebt nicht unter ihm, er hungert nicht mit ihm wie Luther. Er erkennt auch nicht, was das Volk braucht – Reformen und eine gemeinsame Sprache.
Der Film hält sich an die Wahrheit. Historisch und theologisch werden Zusammenhänge verdeutlicht, aber nie verfälscht. Deshalb ist dieser Film interessant, falls man die Geschichte Martin Luthers nicht besonders gut kennt. Viele Lehrer und Pfarrer halten den Film für ein hervorragendes Material für die Schule.
Wenn man aber sich mehr mit Luther beschäftigt hat, findet man das Werk überflüssig und die Beschreibung von Luthers Persönlichkeit und Arbeit zu einseitig. Der Regisseur Eric Till hat das historisch Belegbare inszeniert und das Persönliche eher klein gehalten. So kommen beispielsweise die Beziehung Luthers zu seiner Familie und die Heirat mit Katharina von Bora nur am Rande vor. Joseph Fiennes gibt mit akkurater Tonsur und geschminkten Augenbrauen den ikonenhaften Modell-Luther. Obwohl er glaubwürdig spielt, ist er einfach „zu schön“, um für irgendeine Zwietracht wirklich verantwortlich zu sein. Sein Aussehen hat auch keine Ähnlichkeiten mit dem echten Luther. Das ist natürlich eine bekanntes Hollywood-Klischee: die Guten sind schön, die Bösen hässlich dargestellt. Nach Fiennes‘ Shakespeare-Portrait verlangt jeder Augenblick nach einem religiös-kitschigen „Luther in Love“, Katharina de Bora wird aber nur als Bettgespielin eingebunden. Auch die Arbeit Luthers wird mangelhaft dargestellt, wir erfahren zum Beispiel nur nebenbei, dass er unter anderem der Erneuerer der kirchlichen Musik ist. Man erfährt nicht zu viel darüber, was er eigentlich geschrieben hat, was seine Meinung über Gott, das Christentum, die Menschen und das Leben ist. Der Film ist das, wofür er gemacht wurde – eine schöne Hollywood-Geschichte.

Geschichte, die man im Film sehen kann:

1505: Martin Luther wird auf dem Weg nach Erfurt während eines Gewitters fast vom Blitz erschlagen. Dankbar für die Rettung gelobt er, Mönch zu werden. Das Erfurter Augustiner-Kloster nimmt ihn als Novizen auf.
1506: Luther wird zum Priester geweiht und liest seine erste Messe. Der Generalvikar Johann von Staupitz rät Luther zum Studium der Theologie.
1510: Von Staupitz schickt Martin Luther gemeinsam mit Ordensbrüdern nach Rom. Er muss mit ansehen wie Priester herumhuren, sich selbst beweihräuchern und die arme, hungernde Bevölkerung ausbeuten. Das lässt ihn an der Kirche zweifeln und auch an Gott.
1511: Luther wird ins Kloster von Wittenberg versetzt. Er übernimmt an der dortigen Universität den Lehrstuhl für Theologie und promoviert zum Doktor der Theologie.
1517: In einem Schreiben an die Bischöfe von Mainz und Magdeburg prangert Luther die Ablasspredigten des Johann Tetzel an. In seinen Briefen legt er 95 Thesen vor, die sich gegen den Ablasshandel wenden. Die Thesen werden auch an der Wittenberger Schlosskirche angeschlagen und finden schnelle Verbreitung sowie starke Resonanz.
1518: Luther wird nach Rom befohlen, da der Vatikan die Thesen für ketzerisch hält. Der päpstliche Legat Cajetan zitiert ihn zu einer Unterredung nach Augsburg, Luther verweigert aber den Widerruf seiner Thesen. Von Staupitz entlässt Luther aus seiner Gehorsamspflicht gegenüber dem Augustiner-Orden, um ihn vor der Inquisition zu schützen. Dieser flüchtet nach Wittenberg, Cajetan verlangt Luthers Auslieferung. Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen, der Mentor von Luther, lehnt es gegenüber Papst Leo X. ab, Martin Luther der kirchlichen Gerichtsbarkeit in Rom zu überstellen.
1520: Der Papst erlässt die Bulle „Exsurge Domine“ mit der Androhung des Bannes gegen Luther. In einigen deutschen Städten werden die Schriften Luthers verbrannt. Luther verbrennt daraufhin öffentlich die päpstliche Bann-Bulle.
1521: Der päpstliche Gesandte Alexan­der fordert vom Kaiser den Vollzug der Verurteilung. Luther wird vor den Reichstag in Worms geladen. Luther verteidigt seine Schriften und Ideen vor dem Reichstag. Er findet Zuflucht auf der Wartburg, wo er mit der Übersetzung des Neuen Testaments beginnt.
1522: Im September erscheint, ohne Nennung des Übersetzers, Luthers „Das Neue Testament Deutsch“.
1523: Der Reformationsgedanke verbreitet sich: Nonnen und Mönche treten aus ihren Klöstern aus. In Brüssel wird ein Anhänger Luthers verbrannt.
1524: Beginn der Bauernaufstände.
1525: Die Bauernaufstände haben sich zum Bauernkrieg ausgeweitet, werden aber blutig niedergeworfen. Luther heiratet die ehemalige Zisterzienser-Nonne Katharina von Bora.
1532: Der Nürnberger Religionsfriede ermöglicht die Ausbreitung des Protestantismus.