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Zeitung << 1/2005 << Buchtipp des Semesters
Buchtipp des Semesters
Bastian Sick: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod
Autorin: Bernadett Paor Smolc
Eine ganze Reihe von linguistischen Lehrbüchern werden Jahr für Jahr veröffentlicht, aber diesmal möchte ich euch ein Buch empfehlen, das linguistische Themen nicht aus dem Blickwinkel eines Linguisten sondern eines Journalisten verarbeitet. Das Buch ist also sozusagen für die Allgemeinheit und nicht nur für Linguisten geschrieben worden. Bastian Sick, der Autor, ist ein Journalist, ein sogenannter Kolumnenschreiber bei der Redaktion von Spiegel Online. Als Mitarbeiter dieser Redaktion sammelte er die typischen Fehler aus verschiedenen Zeitungsartikeln und gab diese als Buch heraus, dessen Titel ,,Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“ ist. Das Buch erschien im September 2004 im Kiepenheuer&Witsch Verlag. Der Titel weist schon auf sprachliche Probleme hin. Bastian Sick versucht einen Ausweg aus diesem sprachlichem Chaos zu finden, wobei er sich mit verschiedenen Fehlern der Amtssprache, Geschäftssprache, Journalistensprache und der Sprache der Politik auseinandersetzt. Das Titelbild stellt einen Weg dar, der ins Unbekannte führt, und der blaue Himmel kann das Reich der unendlichen Möglichkeiten des Sprachgebrauchs symbolisieren.
Die deutsche Sprache bietet eine unerschöpfliche Quelle an Zweifelsfällen, die der Autor schildern möchte. Ich hätte nicht ahnen können, dass so viele Wörter, Ausdrücke, Phrasen usw. im alltäglichen Sprachgebrauch falsch verwendet werden, bis ich das Buch las. Wie er sich in das Thema vertieft, finde ich schon bemerkenswert. Er behandelt typische Fehler, die in Zeitungsartikeln vorkommen und den meisten wahrscheinlich überhaupt nicht auffallen, weil sie in der Umgangssprache selbstverständlich so gebraucht werden. Das Buch ist in mehrere Kapitel aufgeteilt, die das Verstehen der Themen vereinfachen. Die von ihm aufgezeichneten Tabellen am Ende der einzelnen Kapitel fassen die problematischen Fälle zusammen, z.B. die Mehrzahl von Fremdwörtern. Bastian Sick will uns durch seine humorvollen Beispiele mit sprachlichen Fehlern konfrontieren. Er schreibt in einem sehr amüsanten Stil und bewegt die Leser dazu, immer wieder in dem Buch zu blättern. Dieses Buch kann man aufschlagen, wo man will, weil es aus voneinander unabhängigen, aber trotzdem zusammenhängenden Kapiteln besteht.
Wie der Titel schon verrät, wird der Genitiv vom Dativ in den Hintergrund gedrängt. Man benutzt in vielen Fällen, besonders im süddeutschen Raum, in Österreich und in der Schweiz den Dativ statt des Genitivs, auch wenn es eben nicht immer korrekt ist. Man sagt zum Beispiel in den Dialekten „wegen dir” statt „deinetwegen”. Wenn man im Wörterbuch nachschlägt, kann man feststellen, dass in besonderen Fällen auch die Verwendung des Dativs erlaubt ist, z.B. um den doppelten Genitiv zu vermeiden (laut dem Bericht des Ministers) oder wenn im Plural der Genitiv nicht erkennbar ist („wegen Geschäften“ statt „wegen Geschäfte“). Also sollte der Dativ nicht unbedingt als Feind des Genitivs betrachtet werden. Bei der Präposition „trotz” vor begleitendem Hauptwort steht immer Genitiv, aber „trotz” vor unbegleitendem Hauptwort kann sowohl mit Genitiv als auch mit Dativ stehen, z.B. trotz Regen(s), trotz Stau(s).
Sick erwähnt Themen wie den Krieg der Geschlechter, bei dem es schwer zu entscheiden ist, zu welchem Geschlecht die genannten Produktnamen oder erfundenen Phantasiewörter gehören. Wie wir wissen, sind Ariel, Omo, Dash, Persil usw. sächlich, weil sie zu den Waschmitteln gehören. Labello ist männlich, weil es der Lippenpflegestift heißt. Aber es gibt Ausnahmen, die sich aus bekannten Hauptwörtern zusammensetzen, z.B. der weiße Riese, der General (Putzmittel). Automodelle sind fast immer männlich, abgesehen von einigen Ausnahmen wie die Corvette. Was die Geschlechter betrifft, so ist es immer ein heikles Gebiet, wie wir während unseres Studiums selbst erfahren können, wenn wir die Regeln zur Genusbildung lernen müssen.
Der Gebrauch von Apostrophen ist auch eine komplizierte Sache, die der Autor untersucht. Es gibt immer wieder Leute, die so genannten „Apostrophiker”, die am Wortende immer Apostrophe setzen, z.B. eigen‘s, stet‘s, Mango‘s, Mädel‘s. In der Regel gibt es keine Abtrennung von Genitiv-s oder Plural-s mit Apostroph, wie „Karls Freunde“, aber in bestimmten Fällen kann jedoch dieses -s- mit Apostroph abgetrennt werden (z.B. bei Geschäftsnamen wie Oma‘s Küche).
Die Anglizismen spielen in der deutschen Sprache eine große Rolle, weil immer mehr von ihnen in die deutsche Sprache integriert werden. Bei Lehnwörtern aus dem Englischen, die auf ,,y“ enden, wird im Plural ein ,,s“ angehängt, das ,,y“ bleibt unverändert, z.B. Storys, Babys, Hobbys. Wenn Fremdwörter sich lange in einem Land, z.B. im deutschen Sprachraum behaupten, nehmen sie deutsche Schreibweisen an und erhalten deutsche Endungen. Das lateinische Wort focus wurde im Deutschen beispielsweise zum Fokus und dessen Mehrzahl heißt im Deutschen Fokusse statt des lateinischen foci.
Sinn haben oder Sinn machen – welches ist das Richtige? Heutzutage hört man immer mehr den Spruch „Das macht Sinn“, was früher nicht der Fall war. Dieser neue Spruch stammt übrigens wieder aus dem Englischen von „that makes sense“. Was man früher für kein korrektes Deutsch gehalten hätte, steht heute im Wörterbuch. Man kann also beide Formen dieses Spruchs akzeptieren.
In dem Kapitel „Babylonische Namensverwirrung“ geht es um Ländernamen und ihrer Ableitungen. Fernöstliche Völkernamen enden meistens auf –esen, wie zB. Chinesen, Kongolesen, Burmesen, Nepalesen, aber als Ausnahme gilt z.B. Taiwaner. Es gibt Völkernamen, bei denen zwei Formen gültig sind, z.B. im Fall der Zyprer, deren veralteter Name Zyprioten ist. Der Titel eines Kapitels heißt „Das Elend mit dem Binde-Strich“, das auf die Schwierigkeiten beim Gebrauch des Bindestriches hinweist. In der deutschen Sprache ist es nicht ungewöhnlich, dass verschiedene Wörter zusammengesetzt und damit neue Begriffe gebildet werden. Diese zusammengesetzten Wörter sollten verständlich und lesbar sein. Bindestriche können der Lesbarkeit dienen, wie z.B. Sportplatztribünen-Hinterausgang. Aber der Bindestrich kommt sogar in kürzeren Wörtern vor, wie Partei-Tag, Spar-Plan, wo er eigentlich nicht nötig ist. Es kann sein, dass ein Bindestrich mehr trennt als bindet. Zusammensetzungen mit Fremdwörtern, die noch keinen festen Platz im deutschen Wortschatz haben, sollen/dürfen mit einem Bindestrich gekoppelt werden, z.B. Consulting-Unternehmen. In diesem Buch wird von Bastian Sick über weitere lehrreiche Fragen stark diskutiert.
Ich glaube, dass dieses Buch nicht nur für Muttersprachler interessant ist, sondern für alle, die sich mit der deutschen Sprache beschäftigen und diese Sprache einigermaßen beherrschen, wie zum Beispiel für uns angehende Germanisten. Es lohnt sich, dieses Buch zu lesen, weil wir diese aufgelisteten Fehler mit der gelernten Theorie vergleichen können. Wir Germanisten können selbst darüber entscheiden, ob wir mit allem einverstanden sind, was im Buch erklärt wird. Wir können bestimmt etwas lernen oder zumindest werden wir motiviert, über unseren eigenen Sprachgebrauch nachzudenken. Viel Spaß beim Lesen.
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