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Zeitung << 2/2004 << Gespräch mit einem deutschen Medizinstudenten in Szeged


Von Berlin nach Szeged
Gespräch mit einem deutschen Medizinstudenten in Szeged

Autorin: Judit Holló

An der Universität Szeged haben deutsche Studenten die Möglichkeit, Medizin in ihrer Muttersprache zu studieren. Nils Krochmann aus Berlin ist Medizinstudent im zweiten Studienjahr. Ich wollte von ihm gern erfahren, warum er sich entschieden hat, in Szeged zu studieren und wie er das Hochschulsystem in Ungarn findet.

Warum hast du dich entschieden, hier in Szeged zu studieren?
Ich habe an den deutschen Unis keinen Platz bekommen, weil sich zu viele Leute beworben haben. Ich habe von den Bekannten meiner Eltern davon gehört, dass man in Ungarn auch auf deutsch Medizin studieren kann. Zuerst habe ich mich in Budapest beworben aber das habe ich nicht geschafft. Dort wurde mir erzählt, dass man diese Möglichkeit auch in Szeged hat, und das hat zum Glück endlich geklappt.

Musstest du eine Aufnahmeprüfung machen?
Nein, das musste ich nicht. Ich musste aber eine Begründung schreiben, warum ich in Ungarn studieren möchte und meine Abiturnoten haben auch eine große Rolle gespielt.

Was muss man alles erledigen, um hier zu studieren?
Das ist der unangenehmste Teil der ganzen Sache. Als erstes musste ich mich um ein Visum kümmern. Zweitens musste ich mich bei der Fremdenpolizei anmelden, als ich schon in Ungarn war und ich musste auch eine Wohnung suchen. Dabei leisten Makler eine große Hilfe. Ich hatte noch Probleme mit der Bürokratie, als ich mir ein Handy mit ungarischer Nummer besorgen wollte. Ich habe gedacht, dass ich es schnell und einfach erledigen kann. Da hatte ich mich aber geirrt. Eine SIM-Karte konnte ich schon kaufen, aber selbst mit dem Handy-Kauf habe ich Probleme gehabt. Ich konnte als Ausländer nur mit verschiedenen Papieren, zum Beispiel mit der Aufenthaltsbewilligung ein Handy kaufen. Am Ende habe ich mir ein Apparat aus Deutschland besorgt.

Gibt es Unterschiede zwischen den deutschen und den ungarischen Unis?
Die Jahrgänge in Ungarn sind kleiner, im zweiten Studienjahr bedeutet das bei uns, dass wir achtzig Leute sind. Es gibt bessere Kontakte zu den Professoren. Man kann ruhig fragen, wenn man etwas nicht richtig versteht. In einem Seminar sitzen ca. zwanzig Leute, das finde ich auch sehr gut.

Wie lange wirst du hier studieren?
Ich muss die ersten zwei Jahre hier absolvieren. Was man in Deutschland im ersten Jahr studiert, studiert man in Szeged im zweiten und was man in Szeged im ersten Jahr studiert, das studiert man in Deutschland im zweiten. Am Ende des zweiten Jahres gibt es eine Prüfung, sie heißt Physikum. Damit endet der erste Studienabschnitt und dann kann ich mein Studium in Deutschland im dritten Studienjahr fortsetzen.

Hättest du die Möglichkeit, dein ganzes Studium in Szeged zu absolvieren?
Ja, aber nach dem zweiten Studienjahr läuft der Unterricht entweder auf englisch oder auf ungarisch weiter. In Budapest könnte ich mein Studium auf deutsch beenden, aber ich sollte sowieso ungarisch sprechen können, damit ich mit den Patienten kommunizieren kann. Ich habe zwar zwei Stunden pro Woche ungarisch an der Uni, aber ich finde die Sprache richtig schwer und neben dem vielen Lernen habe ich leider fast keine Zeit für die ungarische Sprache.

Was für Fächer hast du jetzt im zweiten Studienjahr?
Ich habe Histologie, Biochemie, Anatomie, Physiologie, medizinische Psychologie und Soziologie und schließlich medizinische Terminologie.

Was kostet es dich, hier in Szeged zu studieren?
Im ersten Jahr mussten wir 5500 Euro (1.375.000 Forint) pro Semester zahlen und jetzt im zweiten beträgt diese Summe 4500 Euro. Es ist richtig viel, wenn ich daran denke, dass es in Deutschland kostenlos wäre.

Wie gefällt es dir hier in Szeged?
Die Stadt finde ich sehr schön. Die Leute sind ganz nett und es gibt auch sehr viele Jugendliche. Ich fühle mich hier eigentlich sehr wohl. Wenn ich Zeit habe, gehe ich mit Freunden weg, zum Beispiel in den JATE Klub, in das Sing Sing oder in den SZOTE Klub, aber wir machen manchmal auch Privatpartys.

Hast du manchmal Heimweh?
Ja, schon. Aber zum Glück kann ich fast jeden Monat nach Deutschland fahren. Die Zugfahrt nach Budapest dauert aber länger als der Flug nach Deutschland. Das finde ich auch ein bisschen komisch.

Am Ende noch eine Frage, vielleicht die wichtigste: Warum möchtest du Arzt werden?
Ich habe dazu immer Lust gehabt. Mein Vater ist auch Arzt. Ich möchte Chirurg werden. Ich finde diesen Beruf sehr interessant und ich möchte etwas für die Menschen und für die Wissenschaft tun.