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Zeitung << 2/2004 << Verschwindendes Deutschsein in Rumänien
Verschwindendes Deutschsein in Rumänien
Großes politisches Gewicht
Autor: András Mucsi
Siebenbürger Sachsen – ein Begriff für alle, die die Geschichte Ungarns kennen. Dieses Volk war für 800 Jahre bestimmender Faktor in der (neuen) Heimat. Die Sachsen haben im Urwald Städte und Dörfer gebaut, Kultur gestiftet, sie leben heute jedoch in einer Diasporasituation. Heutzutage geht es den Sachsen – und im Allgemeinen den Deutschen in Rumänien – schlecht, denn ihre Anzahl verminderte sich infolge des Massenexodus drastisch. Allein im Jahre 1990 verließen 100.000 Deutsche Rumänien und wanderten nach Deutschland aus. Ihre Häuser stehen jetzt leer oder fanden neue Einwohner, vor allem Zigeuner.
In Rumänien gibt es prinzipiell zwei größere deutsche Volksgruppen: die Siebenbürger Sachsen und die Schwaben im Banat und im Kreis Sathmar, aber die Sathmarer Schwaben unterlagen einem starken ungarischen Assimilationsprozess. Die Sachsen sind evangelischer, die Schwaben römisch-katholischer Konfession. Die Sachsen wanderten im 13., die Schwaben im 18. Jahrhundert ein. Es ist deshalb wichtig zu erwähnen, weil die Evangelische Kirche Augsburgischen Bekenntnisses (A.B.) immer eine deutschsprachige Volkskirche war, und sie ist auch heute (vielleicht die letzte) Trägerin der deutschen Sprache und Kultur. Die Katholische Kirche war jedoch immer sehr stark ungarisch geprägt und spielte beim Verlust der deutschen Muttersprache eine wesentliche Rolle. Laut der Statistik leben im Banat nur noch 25.000 Deutsche, ein winziger Bruchteil der einstigen Bevölkerung. Die Auswanderung der Deutschen aus Rumänien begann nicht vor 15 Jahren, sie war ein langer Prozess. Während des Zweiten Weltkrieges gehörte Nordsiebenbürgen zu Ungarn. Als die sowjetische Armee näher rückte, wurde am 7. September die Evakuierung der sächsischen Bevölkerung Nordsiebenbürgens angeordnet. Viele leben heute in Österreich und Deutschland. Andere aus Rumänien flohen auch nach Westen. Nach dem Krieg verlor die Mehrheit der Deutschen ihren Boden, was die überwiegend agrarische Bevölkerung schwer traf. Große Mengen zogen in die Stadt, so lösten sich traditionelle Gemeinschaften auf. 1967 wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Rumänien aufgenommen, und die Aussiedlung von Deutschen in die Bundesrepublik wurde ermöglicht. Deutschland war bereit, für die Aussiedler bedeutende Summen zu bezahlen. Die Zahl der Rumäniendeutschen wurde jedes Jahr kleiner. 1977 verließen zum Beispiel 10.000 Aussiedler Rumänien. Von den 250.000 (1944) Sachsen gab es 1987 noch 110.000, von denen 1990 und in den folgenden Jahren nahezu alle auswanderten. Die Statistik der Evangelischen Kirche A.B. (Stand 31.12.2003) kann uns ein Bild darüber geben, wie viele Sachsen noch in Siebenbürgen leben. In den 255 Kirchengemeinden gibt es 14.770 Seelen (Zum Vergleich: vor 30 Jahren gab es noch 300.000). In 128 Gemeinden (früher große sächsische Dörfer voller Leben) befinden sich weniger als 20 Kirchenmitglieder, was auch deshalb tragisch ist, weil „evangelisch“ identisch mit „deutsch“ ist. Die vielen prachtvollen Kirchenburgen stehen verwaist und sind Einbrechern schutzlos ausgeliefert. Nur in fünf Orten zählen die Kirchengemeinden mehr als 500 Seelen: Hermannstadt/Nagyszeben (1464), Kronstadt/Brassó (1113), Bukarest (1007), Mediasch/Medgyes (843), Schäßburg/Segesvár (551). Diese Zahlen machen nur weniger als ein Prozent der Bevölkerung der jeweiligen Städte aus. Die Kirche besteht vor allem aus Leuten über sechzig, die verbliebenen Jugendlichen leben in volksgemeinschaftlich und konfessionell gemischten Ehen. Die Sprache der Kirche ist deutsch, die Frage ist, wie lange noch. Die Alten wollen in den Traditionen sterben, in denen sie gelebt haben, die Jugend versteht aber rumänisch oft besser als die Sprache der Ahnen. Mit dem Rückgang der Kinderzahl werden die deutschen Schulen und Klassenzüge geschlossen, die deutschen Bücher und Zeitungen haben immer weniger Leser.
Erfolgreicher sind die Deutschen in der Politik. Besonders gute Ergebnisse konnten sie bei den letzten Kommunalwahlen 2004 erzielen. Ihre politische Vertretung, das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR) stellte an vielen Orten Kandidaten, von denen 99 Kandidaten ein Mandat in Kreis- und Gemeinderäten erwarben. Ein großer Erfolg war die Wahl in Hermannstadt, wo zur Zeit etwa 2000 sächsische Bürger leben (von 155.000 Einwohnern). Der regierende Bürgermeister Klaus Johannis (DFDR) wurde mit 88,7 Prozent der Stimmen wieder gewählt. Die Kandidaten des Forums bekamen 60,47 Prozent aller Stimmen in der Stadt. Damit stellt das Forum 16 der 23 Mitglieder des Stadtrates. Im 33-köpfigen Kreisrat des Kreises Hermannstadt hat das DFDR elf Mitglieder sitzen und stellt mit Martin Bittesch den Vorsitzenden. Überraschenderweise gewann das Forum das Bürgermeisteramt der Städte Mediasch, Heltau, Kaplau (Kreis Sathmar), und Wolfsberg (Kreis Caras-Severin). Andere deutsche Politiker konnten mithilfe rumänischer Parteien siegen.
Was ist die Ursache des großen Sieges einer verschwindenden Mehrheit? Warum wählen Rumänen und Ungarn deutsche Politiker in Rumänien? Die Antwort kann lauten: die Sachsen (und Schwaben) sind gute Verwalter ihrer Siedlungen und sie machen eine geschickte Stadtpolitik.
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