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Zeitung << 2/2004 << Spuren der Schlachten zwischen Österreich-Ungarn und Italien


Spuren der Schlachten zwischen Österreich-Ungarn und Italien
Eine Wanderung im Isonzo-Tal

Autorin: Györgyi Turóczi

Im August 2004 hatte ich die zweite Gelegenheit, eine längere Zeit in den slowenischen Julischen Alpen zu verbringen. Wir hatten uns diesmal zum Ziel gesetzt, das Bergland und besonders das Isonzo-Tal kennen zu lernen. Die in dieser Landschaft geführten Schlachten des vor einundneunzig Jahren entbrannten ersten Weltkriegs waren der Grund für unseren Ausflug.

Vor fast neunzig Jahren wurden in diesem engen mit 2000 Meter hohen Bergen umgebenen bewundernswerten Tal zwölf blutige Schlachten zwischen der Österreichisch-Ungarischen Monarchie und Italien geführt. Die Spuren des Krieges prägen die Landschaft auch noch heute. Da die höheren Regionen nur zu Fuß zugänglich sind, mussten wir eine Wanderung machen. Wir stoßen durchwegs auf Relikte des Krieges. Die meisten Fußwege sind Teile des alten „mulejta“ (Maultier-Pfades), der zum Heranführen des Nachschubs in die Hochgebirgslandschaft diente. Sowohl im Tal als auch in den höheren Gebieten gibt es mehrere Freilichtmuseen. Hier kann der Besucher in die Schrecken des Krieges Einblick gewinnen. Man kann Schützengräben, Kavernen, MG-Stände, Schießstände und Tunnels besichtigen und bei fast jedem Tritt irgendwelche Reste des Krieges finden: Splitter, Ausrüstungsgegenstände, Stacheldraht, tägliche Gebrauchsdinge. Man kann sogar Munitions- und Waffenreste in den Hochgebirgsgebieten über 2000 Meter finden. Wenn man in dieser Landschaft wandert, kann man noch immer den Horror des Kriegs fühlen und sehen. Der Blutzoll der Schlachten zeigt sich an den Granatenspuren, den Schützengräben, den jungen Wäldern und den enorm vielen Soldatenfriedhöfen im Tal.
Die Isonzo-Front war das einzige gebirgige Gebiet während des ersten Weltkriegs, auf dem es fast zwei Jahre lang einen Stellungskrieg gab. Die Frontlinien waren besonders gut, weil sie in einer bemerkenswerten Tiefe ausgebaut waren, und die Feindtruppen standen anderthalb Jahre lang teilweise nur 20-30 Meter weit voneinander entfernt. Im Oktober 1917 gelang es den österreichisch-ungarischen Truppen, die italienischen Linien bei Kobarid (Caporetto) zu durchdringen und sie ins Tal der Piave zurückzudrängen. Ein italienisches Denkmal über Kobarid zeigt eindrucksvoll diesen Durchbruch. Wir kamen dann an eine riesengroße Festung, die mit ihren mehrere Meter dicken Wänden das Tal über Bovec beherrscht. Die von Süden vorstoßenden amerikanischen Truppen konnten im zweiten Weltkrieg nur bis hierher kommen. Die blutigsten Schlachten der Isonzo-Front tobten um und auf den Bergen von Krn und Batognica. Diese zwei Orte waren strategisch die zwei wichtigsten Gipfel, in die sich die österreichisch-ungarischen und die italienischen Truppen hineingegraben hatten. Die praktisch hohle Bergspitze, die in uns das Gefühl der Furcht erregt, ist auch noch heute zu besichtigen.
Die Julischen Alpen und besonders das Tal des Flusses Soea (Isonzo) sind heute das Zentrum der Extremsportler. Man hat hier die Möglichkeit, Rafting, Kanyoning, Hydrospeed und Gleitflug auszuprobieren. Es ist interessant zu sehen, dass an den Orten des Kriegs, wo früher die Truppen unter extremen Umständen gekämpft haben, heutzutage die unterschiedlichsten Extremsportarten im Mittelpunkt stehen. Der Fluss, der vor neunzig Jahren eine Trennungslinie war, ist heute ein Verbindungsglied zwischen den einstigen Gegnern.